GUTER WOLF, BÖSER WOLF

Er half tatkräftig mit, ein Milliardenunternehmen zu bauen, erreicht auf ­Social Media ein Millionenpublikum – und sorgt immer wieder für heftige Kontroversen: ­Christian Wolfs öffentliches Profil liegt irgendwo zwischen streitbarem Fitness-Influencer und erfolgreichem Unternehmer. Doch so umstritten Wolf als Person ist, so unbestritten ist sein unternehmerischer Erfolg. Dabei steht der 30-Jährige noch am Anfang seiner Reise.

Pünktlich auf die Minute, in bester Laune und mit einer Videografin im Schlepptau kommt Christian Wolf zum Fotoshooting in der Wiener Innenstadt. Die österreichische Hauptstadt kennt der Deutsche gut – unter anderem, weil hier eines seiner „Lieblings-Gyms“ ist: Im „DASGYM“ ist Wolf seit Jahren regelmässiger Gast. Dass jemand seine Reiseplanung (auch) nach der Verfügbarkeit hochwertiger Fitnesscenter aussucht, mag für Aussenstehende eigenartig wirken; für Wolf ist es normal: „Die Jungs sind supernett und haben einfach die besten Geräte. Ich verbringe jeden Tag ein paar Stunden im Gym – wenn das Setup dort passt, ist für einen guten Tag schon mal viel geschafft“, sagt er im Interview mit Forbes.

Die Öffentlichkeit kennt Wolf vor allem als Gesicht der Marke More Nutrition. More produziert Nahrungsergänzungsmittel, die beim Abnehmen und bei einem gesunden Lebensstil helfen sollen. Wolf ist aber vor allem auch Mitgründer von More bzw. des heute dahinterstehenden Unternehmens The Quality Group (TQG), das nach einem Merger mit der Fitness-Supplement-Marke ESN entstanden ist. TQG ist kein kleiner Akteur: Für 2025 prognostiziert das Unternehmen mehr als eine Mrd. € Umsatz.

Wolf selbst hat seit seinem Ausstieg 2023, der einem Shitstorm folgte, keine aktive Rolle bei TQG. Auf Social Media ist er aber weiterhin das sichtbarste Aushängeschild. Auf Social Media bezeichnet er sich als „Nr. 1 Creator für Fettverlust“ und gibt an, über 700.000 Menschen beim Abnehmen geholfen zu haben.

Egal, was er tut: Wolf polarisiert stark. Seine Fans feiern seine Produkte, seine unterhaltsamen Videos und seine direkte Art. Kritiker gehen hart mit ihm ins Gericht: Mobbing, Narzissmus, Erpressung oder Drohungen finden sich unter den Vorwürfen, die Wolf gemacht werden. Sicher ist nur: Rein wirtschaftlich funktioniert die Strategie. Wolf hat nicht nur ein Milliardenunternehmen mitgegründet, sondern ist mit kumuliert über zwei Millionen Followern auf Social Media unterwegs. Und finanziell? Hat er mit 30 Jahren ausgesorgt – Forbes schätzt sein Nettovermögen auf rund 50 Mio. €.

Dabei ist sein öffentliches Profil weit weniger klar. Wolf bewegt sich irgendwo zwischen neugierigem Unternehmer und Social-Media-Krawallmacher. Im Podcast „Beyond Business Cast“ trifft er Wirtschafts­persönlichkeiten wie den deutschen Milliardär Christian Angermayer oder Flixbus-Mitgründer Daniel Krauss. An der Seite seines Co-Hosts Eric Demuth, der das Wiener Unicorn Bitpanda mitgegründet hat und es als CEO führt, philosophiert er ausserdem über Themen wie den Preis von Erfolg, die Sinnhaftigkeit von Vermögenssteuern oder erfolgreiches Unternehmertum. Auf Instagram leistet er sich parallel öffentlichkeitswirksame Streits mit anderen Influencern, Medien oder NGOs. Teilweise haben diese Auseinandersetzungen sogar ein juristisches Nachspiel.

Doch welche Rolle spielt Wolf für TQG bzw. More Nutrition heute und morgen? Was plant er für die Zukunft? Und wieso hat der Gründer eines Milliardenunternehmens keinen Zugang zu seinem eigenen Onlinebanking?

Wolf und Michael Weigl (später kam auch noch Benjamin Burkhard an Bord) gründeten More Nutrition 2017. Die Marke wuchs in ihren Anfangsjahren und insbesondere wegen effektiven Social-Media-Marketings rasant. Die vorrangig weib­liche Zielgruppe liebte die Produkte, die beim Abnehmen helfen sollten. Doch während Produktentwick­lung und Marketing gut liefen, fehlte es an Strukturen.

Um den nächsten Schritt zu gehen, entschlossen sich Weigl, Wolf und Burkhardt, mit ESN zu fusionieren. Die Marke war aufgrund ihrer langjährigen Verankerung in der Bodybuilding-Szene in absoluten Zahlen deutlich grösser, doch das More-Team konnte dennoch punkten: „Ich war damals froh, dass ESN Social Media noch nicht richtig verstanden hatte. Sonst hätten wir keine Chance gehabt“, sagt Wolf.

Der Erfolg lockte Investoren an: Im Jahr 2022 übernahm der Private-Equity-Fonds CVC – einer der zehn grössten weltweit – schrittweise 81 % des ­Unternehmens. Das Wachstum des Umsatzes ging ­rasant weiter: Zwischen 2021 und 2024 vervierfachte sich dieser auf über 800 Mio. €. 2025 wurde die Milliardenschwelle geknackt. Die EBITDA-Marge lag 2023 bei rund 12 % – bei den aktuellen Umsätzen läge das EBITDA also bei über 100 Mio. €.

Wolf selbst hielt nach dem Merger mit ESN noch rund 17 % der Anteile am Unternehmen, verkaufte im Zuge des Einstiegs von CVC aber mehr als die Hälfte davon. In Medien wurde immer wieder spekuliert, dass sein Exit ihm „über 10 Mio. €“ eingebracht habe, was aber deutlich zu niedrig gegriffen ist: Die Unternehmensbewertung lag beim Einstieg von CVC bei 800 Mio. €, womit die von Wolf verkauften Anteile zum Zeitpunkt des Einstiegs von CVC etwa 70 Mio. € wert gewesen wären. Wolf will das im Gespräch nicht näher kommentieren und verweist auf bestehende Verschwiegenheitsverträge.

Das Ende des finanziellen Erfolgs dürfte aber weder für TQG noch für Wolf erreicht sein – denn der Markt boomt. In den nächsten fünf Jahren könnte er Schätzungen zufolge weltweit auf über 500 Mrd. US-$ wachsen. Zu TQG gehören, neben den Kernmarken More und ESN, mittlerweile auch Got7, Vayu, Foodist, Synergy und Fitmart, wobei die ersten vier aber ruhende Marken sind. Im April 2025 wurde zudem der Zukauf der US-Marke Raw Nutrition verkündet. More Nutrition expandiert aktuell in die USA; entsprechende Jobs wurden auf der Unternehmenswebseite bereits ausgeschrieben und besetzt. Die internationale Expansion birgt grosses Potenzial: Aktuell erwirtschaftet die Marke noch mehr als 80 % ihres Umsatzes in Deutschland. Bei dem Potenzial und mit Private-Equity-Geld in der Kasse überrascht es nicht, dass immer wieder auch Gerüchte über einen möglichen Börsengang die Runde machen. Das würde für Wolf erneut einen schönen Deal bedeuten, doch klar ist auch: Ein Unternehmen, das vor einem Börsengang steht, kann öffentlichkeitswirksame Skandale auf keinen Fall gebrauchen. Auch Wolf selbst ist sich nicht sicher, wie die Zukunft aussieht: „Ich weiss noch gar nicht, wie meine Rolle bei einem Exit oder IPO aussehen wird.“

Christian Wolf wuchs in einer, wie er sagt, „perfekten Familie“ auf: Sein Vater war beruflich sehr erfolgreich, unter anderem beim Beratungsriesen McKinsey, und trotzdem viel für seine Kinder da; auch Wolfs Mutter kümmerte sich vorbildlich um ihre Kinder. Trotzdem hatte Wolf laut eigenen Aussagen so seine Schwierigkeiten: In zahlreichen Interviews spricht er darüber, dass er aufgrund seines Übergewichts als Kind gemobbt wurde. „Ich habe meine erste Diät mit elf Jahren gemacht“, sagt er gegenüber Forbes. Er verbrachte viel Zeit zu Hause, spielte intensiv Videospiele und wurde später sogar deutscher Meister im taktischen Shooter-Game Counter-Strike. Mit 15 Jahren stiess er über Facebook auf Kraftsportstars aus den USA und begann, sich für das Thema zu begeistern.

Nach der Schule studierte Wolf Pharmazie (ein Semester), Medizin (drei Semester) und dann BWL (sechs Semester, ohne Abschluss). Seine Passion fand er jedoch nicht im Hörsaal, sondern anderswo: 2017 veröffentlichte er ein Youtube-Video, in dem er aus seiner Sicht wissenschaftlich falsche Aussagen eines anderen Videos kritisierte. Das Video ging viral – und zeigte Wolf das Potenzial von Social Media.

Ich weiss noch gar nicht, wie meine Rolle bei einem Exit oder IPO aussehen wird.

Christian Wolf

Er baute schnell einige Zehntausend Follower auf und gründete im gleichen Jahr mit Michael Weigl, ebenfalls ein Fitness-Creator, More Nutrition. Wolfs Vater Jochen war beim ersten Treffen der beiden dabei, weil der damals 22-jährige Wolf „seriöser“ wirken wollte. Weigl sagte sofort zu. Ihr Ziel: den Markt für Sport-Supplements zu revolutionieren. Obwohl Wolf und Weigl beide vergleichsweise kleine Followerzahlen hatten, hatte ihre Community kaum Streuverlust und war sehr loyal.

Aufgrund des Mergers sowie des CVC-Einstiegs war Wolf 2021 und 2022 deutlich weniger auf Social Media aktiv. Später begann er wieder, häufiger zu posten. Er blieb seinem Erfolgsrezept treu – Menschen auf Social Media in aller Härte zu kritisieren, die seiner Meinung nach falsche Aussagen zu Wolfs Spezialthemen machen. Der Konfrontationskurs gefällt bis heute nicht allen. Nachdem er 2023 seine damals schwangere Partnerin verlassen hatte und das Team für angebliche Mängel in der Organisation der „More Days“, eines Festivals für die More-Community, einiges an negativem Feedback erhielt, entwickelte sich rund um Wolf ein massiver Shitstorm. Persönliche Vorwürfe rund um das Beziehungsende mischten sich mit geschäftlichen; darunter etwa auch, dass in seinem Auftrag kritische Influencer erpresst und bedroht worden seien – Vorwürfe, die Wolf bis heute zurückweist. Bekannt wurde jedoch, dass Fitmart, eine Tochter von TQG, anwaltlich gegen einen 16-Jährigen vorging, der die Preise und Qualität der Produkte öffentlich kritisiert hatte; die Abmahnung wurde nach Bekanntwerden vom Unternehmen zurückgezogen.

Diese Situation ging nicht spurlos an Wolf vorbei. „Ich war damals selbst nicht mehr überzeugt, ob ich der Richtige für die Company bin oder eher ein Reputationsrisiko darstelle“, sagt er heute. Er entschied sich, auch auf Drängen des damaligen CEOs Stefan Smalla, aus dem Unternehmen auszuscheiden, und kündigte zeitgleich seinen Abschied von Social Media an.

In die sozialen Medien kehrte er nach drei Monaten zurück, wenige Monate später musste dann Smalla TQG verlassen. Der Finne Heikki Takala übernahm im Mai 2024 – dieser hatte zuvor als CEO den finnischen Sportausrüstungshersteller Amer Sports geführt, unter dessen Dach sich Marken wie Arc’teryx, Atomic, Salomon oder Wilson befinden. Takala ging aktiv auf Wolf zu: „Er hat mich zu seiner Familie nach Finnland eingeladen: Fisch essen, Bankdrücken, Sauna. Das war superintensiv“, erinnert sich Wolf. Takala erkannte damals, wie wichtig Wolf als Gesicht für die Marke war. Heute kommentiert eine TQG-Sprecherin Wolfs Rolle so: „Seinen wertvollen Draht zur Community, seine kreativen Impulse für Social-Media-Inhalte rund um die Marke und sein Verständnis für Trends schätzen und unterstützen wir.“

Die Kontroversen können TQG nicht immer gefallen – doch sie hören nicht auf. Oder besser gesagt: Wolf legt es darauf an. So ging er auf Konfrontationskurs mit dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel, das einen kritischen Artikel über ihn veröffentlichte und ein zugehöriges Youtube-Video postete. Darin kommt eine unzufriedene More-Kundin zu Wort, die später unter dem Video kommentierte, ihre Aussagen im Spiegel-Artikel seien verzerrt wiedergegeben worden – für Wolf, der Kritik an seiner Person oder an More Nutrition selten unkommentiert lässt, ein gefundenes Fressen. Der Spiegel betont, dass alle Zitate vorab autorisiert wurden. Wolf: „Es nervt einfach, wenn du merkst, dass Journalisten aus ein paar unbelegten Meinungen eine ganze Story spinnen, die dir am Ende schadet – obwohl sie es besser wissen sollten.“

Eine weitere Auseinandersetzung – mit einer freien Journalistin, die für die deutsche Wochenzeitung Die Zeit einen Artikel über Wolf, More Nutrition und die Frage veröffentlichte, ob der Süssstoff Sucralose potenziell krebserregend sei – eskalierte ebenfalls. Der Streit landete vor Gericht. Wolf musste Videos löschen, in denen er suggeriert hatte, die Journalistin sei von der Zuckerlobby bezahlt worden. Er selbst sagt im Interview mit Forbes aber, dass „einige juristische Aus­einandersetzungen noch nicht entschieden sind“.

Auch mit dem CEO des gemeinnützigen Vereins Foodwatch, Chris Methmann, gerät Wolf regelmässig aneinander. Foodwatch hat More Nutrition mehrfach wegen irreführender Werbung verklagt – ein Vorwurf, der auch in der Vergangenheit von anderer Seite er­hoben wurde und dazu führte, dass More gewisse Aussagen über die eigenen Produkte überarbeiten musste. Dem aggressiven Marketing auf Social Media tat das aber keinen Abbruch.

Heute hat Wolf sein Leben so strukturiert, dass er konsequent alles auslagert, worauf er keine Lust hat oder worin er nicht besonders gut ist – Verträge, Finanzen, sogar den Zugang zu seinem Onlinebanking verwaltet sein Vater Jochen, seinen Kalender und bis zu einem gewissen Grad sein Leben organisiert seine Assistentin. Was macht er selbst noch? „Nachdenken“, sagt Wolf und grinst. Während Video­aufnahme und -schnitt Mitarbeiter übernehmen, kümmert sich Wolf ausschliesslich um den kreativen Prozess hinter den Inhalten. „Das muss ich einfach selbst machen“, so der Creator.

Doch welche Art von Content das sein wird, könnte sich ändern. In einem Gespräch mit Daniel Abt, der als Rennfahrer, Influencer und Unternehmer aktiv ist, sagte Wolf im eigenen Podcast kürzlich: „Müsste ich für die maximale Erfüllung wirklich jeden Tag noch zwei Videos übers Abnehmen drehen? Nein. Ich mache es trotzdem, weil ich darin gut bin und weil mir gefällt, was daraus entsteht. Aber ganz ehrlich: Die Business-Podcasts machen mir ehrlicherweise mittlerweile mehr Spass, als noch einmal das Kaloriendefizit zu erklären.“ Einen Teil des Reizes dürfte auch die Gästeliste des Business-Podcasts ausmachen: Wolf trifft sich dort gerne mit Menschen, die unternehmerisch erfolgreich sind – das auch, weil er sich heute selbst in dieser Rolle wohler fühlt. „Ich habe früher aktiv versteckt, dass ich Unternehmer bin. Ich dachte, in Deutschland ist das verpönt, gerade bei Influencern.“ Und: Die Gäste polarisieren teilweise sogar mehr als er selbst, etwa Christian Angermayer: Der Unternehmer erntet für seine Nähe zur Trump-Familie und unkonventionelle politische Positionen immer wieder Kritik in der Medienlandschaft. Allgemein betont Wolf, dass ihn Menschen mit Widersprüchen anziehen: „Ich glaube, viele interessante Personen haben Widersprüche in sich. Joe Rogan hat die, jemand wie Andrew Tate sowieso – ich auch. Das ist okay.“ Sein Wunschgast? Silicon-Valley-Investor Peter Thiel, dessen Positionen in den Medien, insbesondere in Deutschland, oft sehr kritisch gesehen werden. Doch auch andere Inhalte sind für Wolf möglich: Unter dem Titel „Die Schöne und der Wolf“ hat er kürzlich einen zweiten Podcast gestartet, den er mit seiner Partnerin Romina Wolf betreibt. Dabei wollen sie über ihre Beziehung, ihre Rolle als Eltern und generell ihr Leben berichten.

Mit seinen 30 Jahren steht Christian Wolf also an einem Punkt, an dem sich das nächste Kapitel seiner Reise noch entscheiden muss. Sicher scheint nur: Kontro­versen wird es wohl auch in Zukunft geben. Denn Spass scheint Wolf sein ungewöhnliches Leben allemal zu machen: „Ich finde es absurd, mich zu beschweren. Im Vergleich zu einem normalen Job ist das hier Luxus!“

Fotos: Gianmaria Gava

Klaus Fiala,
Chefredakteur

Up to Date

Mit dem FORBES-NEWSLETTER bekommen Sie regelmässig die spannendsten Artikel sowie Eventankündigungen direkt in Ihr E-mail-Postfach geliefert.