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Ein Unternehmen gänzlich ohne Hierarchien, das fair produzierte Kondome in Chipstüten verkauft: Das bunte Start-up Einhorn ist ein Vorreiter auf dem Gebiet des nachhaltigen Kautschukanbaus. Die damit gewonnene Aufmerksamkeit will das Unternehmen vor allem auf eine Botschaft lenken: „Don’t f*ck with nature.“
Provokante Produktnamen, knallbunte Verpackungen und ein Team, in dem Positionen wie Head of Menstruation verteilt werden: Das Berliner Start-up Einhorn will auffallen. Denn es befindet sich eigenen Aussagen zufolge im Kampfmodus – gegen den Klimawandel. Kein einfacher Endgegner, das weiss auch Waldemar Zeiler, Co-Founder und CEO, der zurzeit mit seinem Team heftig ins Grübeln kommt, wenn es um die Zukunft von Einhorn geht: „Ich frage mich jeden Tag, wie und mit welchen Produkten ich am effektivsten einen Beitrag für eine gerechtere und nachhaltigere Welt leisten kann. Ungelogen sieht die Zukunft der Menschheit mit ihrer derzeitigen Lebensweise nämlich ziemlich düster aus.“ Auf der Weihnachtsfeier 2019 wurde deshalb in Anwesenheit eines Notars ein neuer Gesellschaftsvertrag beschlossen: Einhorn kann nicht mehr verkauft werden, die Gewinne dürfen von niemandem mehr aus der Firma gezogen werden. Die Stimmrechte liegen jederzeit bei den aktiven Mitarbeitern und die Firmenanteile können nicht weitervererbt werden. Seit Kurzem bestimmen die Mitarbeiter auch ihr Gehalt selbst – das nennt sich „New Pay“.
Was die Produktpalette angeht, so kennt man Einhorn am ehesten für seine Kondome, die in den DM-Drogeriemärkten genauso wie bei Edeka oder Rewe erhältlich sind. Neben den schlichten Schachteln der Konkurrenten, etwa jenen des Marktführers Durex, stechen die Einhorn-Produkte ins Auge – und Auffallen um jeden Preis zahlt sich offenbar aus: 2019 lag der Jahresumsatz bei fünf Millionen €, 4,4 Millionen Kondome und 15,9 Millionen Periodenprodukte gingen dabei über den Tresen. Die Coronakrise und der damit verbundene Lockdown haben die Zahl der verkauften Kondome in die Höhe schnellen lassen, und auch Periodenprodukte wie Tampons wurden von den Deutschen auf Vorrat gekauft. 2020 wird die Vorjahreszahlen also mit Sicherheit übertrumpfen. Tatsächlich steckt eine Menge Pionierarbeit und Recherche hinter dem ganzen Marketing und Storytelling, denn eine nachhaltige, transparente und faire Lieferkette bei Kondomen zu bewerkstelligen ist nicht einfach.
Kondome werden aus der Latexmilch des Kautschukbaums hergestellt, ein reines Naturprodukt. Der Anbau findet meist in Ländern des globalen Südens statt, erklärt Elisa Naranjo, Head of Fairstainability bei Einhorn – für den Anbau der Pflanze werden allerdings Regenwälder gerodet und die Entlohnung der Arbeiter ist oft prekär. Einhorn agiert anders: Das Unternehmen bezieht seinen nachhaltigen Rohstoff von einer Kooperative von 30 Kleinbauern aus Thailand, die Einhorn mit aufgebaut hat. Der Anbau erfolgt in regenerativen Agroforsystemen. Linda Preil, Head of Rubber Projects des Berliner Start-ups: „Wir können mit Stolz sagen, dass wir mitunter die weltweit nachhaltigste Herstellung in der Branche realisieren können. Auf dem Weg zum Endprodukt gibt es aber eine Menge Hürden, etwa das rückverfolgbare Einsammeln des Latex, Qualitätskontrolle oder faire Preisstruktur.“
Der Wechsel weg von der ehemaligen Partnerplantage in Malaysia kam im wahrsten Sinne des Wortes natürlich: Nach 30 Jahren (die normale Lebenserwartung) standen die Bäume vor ihrem Ableben, der Boden wurde an ein Unternehmen aus der Solarbranche verkauft. Indes wurde das Produkt Schritt für Schritt nachhaltig weiterentwickelt: So wurde 2019 die Aussenverpackung aus Plastik durch Recyclingpapier ersetzt, der nächste Schritt ist die Verbannung der Alufolie aus der Primärverpackung um die Kondome. Ergänzt wird die Kondomreihe seit Frühjahr 2019 durch nachhaltige Tampons, Binden und Menstruationstassen. Waldemar Zeiler, der 2015 noch gemeinsam mit Co-Founder Philip Siefer die Idee der nachhaltigen Kondome bei der Sendung „Die Höhle der Löwen“ präsentierte, ist vor allem die grundsätzliche Aufmerksamkeit für das Thema Nachhaltigkeit wichtig. Darum gibt es auch einen Blog, Youtube-Videos, einen Podcast und ein Magazin, in dem die Produktherstellung und die unkonventionellen Experimente im „Einhorn-Gehege“ – etwa zu Themen wie New Work und Co – mit der Aussenwelt geteilt werden.
Ungelogen sieht die Zukunft der Menschheit mit ihrer aktuellen Lebensweise ziemlich düster aus.
Nicht zuletzt: Einhörner können auch für Keynotes und Beratung gebucht werden. Wie wäre es etwa mit einem einwöchigen Stuhltausch mit den beiden Einhorn-Gründern – die dafür dann im beauftragenden Unternehmen nach den Prinzipien der New Work und der Start-up-Kultur aufräumen? Kostenpunkt: 69.069 €.
Text: Chloé Lau
Foto: Einhorn
Der Artikel erschien in unserer Juli/August-Ausgabe 2020 „Smart Cities“.