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Rand Hindi ist die kommerzielle Verwertung privater Nutzerdaten durch KI-Sprachassistenten ein Dorn im Auge. Deshalb hat der CEO von Snips die erste dezentrale Sprachplattform entwickelt, die genau das verhindern soll.
Rand Hindi gilt bereits lange als innovativer Datenanalyst und Unternehmer: Zu programmieren begann der Franzose bereits im Jahr 1995 – mit gerade einmal zehn Jahren und in einer Zeit, als das Internet erst am Beginn stand. Mit 14 Jahren gründete er ein soziales Netzwerk, ein Jahr später eine Webagentur. „Wenn du Anfang der 2000er-Jahre programmieren konntest, war es leicht, Projekte zu verwirklichen“, sagt der heutige CEO des Pariser Start-ups Snips. „Das Netzwerk startete als Website mit Partyfotos und wurde schnell populär. Ich war aber noch zu jung, um ein Unternehmen daraus zu machen.“
Im Alter von 18 Jahren beschloss Hindi, sich mit maschinellen Lernverfahren und künstlicher Intelligenz (KI) vertraut zu machen. Sein erster Schritt: ein Bachelorstudium in Computerwissenschaften am University College London (UCL), in dem er sich auf die Anwendung von KI in der Biologie spezialisierte. Für seine Abschlussarbeit entwickelte Hindi ein pharmakogenomisches Webservice, das Resistenzen gegen HIV-Medikamente prognostizieren konnte (die Pharmakogenetik befasst sich mit dem Einfluss der Erbanlagen auf die Wirkung von Arzneimitteln, Anm.). Der zweite Schritt: ein Doktorat am UCL in Bioinformatik, in dem der Franzose – damals 21 Jahre alt – die Anwendung von KI in der statistischen Vorhersage von Proteinstrukturen erforschte. Nebenbei arbeitete er zudem als Datenanalyst und Berater für algorithmischen Handel.
2012, ein Jahr nach seiner Promotion, gründete Hindi Snips – ein Unternehmen mit Fokus auf KI-Spracherkennung und Datensicherheit. „Anfangs waren wir aber noch eine reine Beratungsfirma, kein Start-up. Doch bald fanden wir heraus, dass wir unser Wissen über die Technologie in vielseitiger Weise einsetzen können“, so Hindi. Sein Team begann somit, eigene Apps zu entwickeln, jedoch wenig erfolgreich: „Die meisten funktionierten nicht wirklich gut, da wir die User-Experience noch nicht flüssig genug gestalten konnten“, gesteht der CEO ein. 2017 änderte er abermals die Unternehmensstrategie und verwandelte Snips in einen B2B-Anbieter, der eingebettete Sprachsteuerungssoftware für andere Unternehmen entwickelt. Zudem betreibt das Start-up seit Sommer eine Open-Source-Plattform, auf der bisher mehr als 14.000 Entwickler mehr als 24.000 eigene Sprachassistenten kreiert haben.
Rand Hindi
... ist Mitgründer und CEO des französischen Tech-Start-ups Snips. Er promovierte am UCL in Bioinformatik.
Inzwischen hat das Unternehmen über 60 Mitarbeiter an den Standorten Paris und New York und konnte bisher rund 25 Millionen € an Kapital von Investoren wie Korelya Capital, MAIF Avenir, BPI France und Eniac Ventures lukrieren. „Paris wird unser Hauptsitz bleiben. Wir sind stolz darauf, Europäer zu sein, und wollen beweisen, dass man als Tech-Start-up wirtschaftlich erfolgreich sein kann, auch, wenn man gleichzeitig europäische Werte wie Datenschutz hochhält“, so Hindi. Frankreich ist auch Snips’ wichtigster Absatzmarkt: Zu den grössten Kunden zählen etwa der Flugzeughersteller Airbus, der Stromversorger EDF und die französische Supermarktkette Auchan.
KI-basierte Sprachassistenten sind nicht nur im B2B-Bereich ein rasch wachsendes Geschäftsfeld, auch bei Konsumenten erfreuen sie sich zunehmender Beliebtheit: Laut dem Marktforschungsunternehmen Canalys wurden 2018 weltweit 78 Millionen „smarte“ Lautsprecher verkauft. Das entspricht einem Zuwachs von 125 Prozent gegenüber rund 35 Millionen im Jahr 2017. Marktführer sind wenig überraschend die US-amerikanischen Konzerne Amazon und Google, gefolgt von den chinesischen Riesen Alibaba, Xiaomi und Baidu.
Als User-Interface ist Sprachsteuerung an Effektivität kaum zu übertreffen. Doch die Produkte der genannten Konzerne funktionieren alle ausschliesslich online, weil sie die gesammelten Daten zur Auswertung an die jeweilige Cloud – sprich die Server des Unternehmens – senden müssen. Wo die sensiblen Daten letztendlich überall landen, bleibt oftmals ungewiss: Das deutsche Tech-Magazin c’t berichtete im Dezember etwa, dass Amazon einem deutschen Kunden, der um seine Daten gebeten hatte, versehentlich 1.700 Tonaufnahmen von Alexa-Gesprächen eines anderen Nutzers zugänglich machte.
„Mich interessieren sowohl die technischen als auch die politischen und sozialen Aspekte von Technologie. Dass künstliche Intelligenz eines Tages Menschen töten wird, ist Schwachsinn. Wir müssen allerdings ihre potenziellen Nebenwirkungen eruieren“, so Hindi. Dem 34-Jährigen zufolge seien die cloudbasierten Sprachassistenten grosser Hersteller schlicht ein Vorwand, um an grosse Mengen persönlicher Nutzerdaten heranzukommen.
Snips hat nun ein Produkt entwickelt, durch das die eigene Technologie mit Ende dieses Jahres nicht nur Unternehmen und Entwicklern, sondern auch Nutzern von „Smart Homes“ zur Verfügung stehen soll – um der „Zentralisierung von Daten und der Ausnutzung von Anwendern“ entgegenzuwirken, so Hindi. „Snips Air“ ist ein dezentralisiertes Netzwerk von KI-Sprachassistenten, das auch offline funktionieren soll. Denn alle Anwenderdaten werden unabhängig von einer Cloud auf den Geräten zu Hause verarbeitet. Die Privatsphäre der Nutzer soll so geschützt bleiben, ohne auf die Vorteile von Sprachsteuerung verzichten zu müssen. Um das System dennoch mit neuen Daten für das KI-Training füttern zu können, sollen Anwender dafür bezahlt werden, wenn sie ihre Informationen zur Verfügung stellen. Zur Verschlüsselung der Daten setzt Snips auf Blockchain-Technologie. Entwickler können dadurch Nutzerdaten für neue Anwendungen verarbeiten, ohne dass die Nutzer ihre privaten Informationen preisgeben müssen.
Am Markt für KI-basierte Sprachsteuerung konkurriert das Start-up mit verschiedensten Unternehmen, insbesondere aus den USA – von Nuance und Sensory bis Wit.ai, Viv und MindMeld. Allerdings setzt bisher nur Snips auf Privatsphäre als Kerngeschäft.
Die Sprachassistenten Alexa und Google Home sieht Hindi nicht als Konkurrenzprodukte – denn Snips sei für Menschen gedacht,
die Cloud-Lösungen grundsätzlich kritisch gegenüberstehen, weil sie ihre Daten schützen wollen. „Der Markt ist noch jung und er weist Dutzende Akteure auf. Es ist schwer zu sagen, wer die kommenden fünf Jahre überleben wird. Ich bin aber optimistisch, dass sich Snips als einer der drei führenden Anbieter herauskristallisieren wird.“ Seinen Optimismus begründet Hindi damit, dass das Unternehmen mit „Snips Air“ nun über etwas verfüge, womit die eigene Technologie erfolgreich kommerzialisiert werden könne: „Über ein robustes Produkt verfügen wir erst seit vergangenem Sommer. Für ein Deep-Tech-Start-up reifen wir aber sehr schnell heran.“
Und mit der Technologie von „Snips Air“ im Gepäck möchte Hindi nun auch andere Märkte – jenseits der Smart-Home-Industrie – erforschen. Mitte März besuchte der Unternehmer dafür eine Gaming-Konferenz in San Francisco: „Sprache spielt in Computerspielen eine wichtige Rolle. Viele Spieler wollen mit Avataren sprechen können. Ich versuche, diesen Markt besser zu verstehen, denn bisher gibt es keinen Sprachassistenten, der einfach in Spiele integriert werden kann.“
Angesichts der Vielfalt an bereits bestehenden Anwendungsmöglichkeiten der Snips-Technologie kann Hindi wohl recht optimistisch sein, dass er auch in diesem Markt schon bald Fuss fassen wird.
Text: Florian Peschl
Dieser Artikel ist in unserer März-Ausgabe 2019 „KI“ erschienen.