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Klaus Busse verantwortet die Designsprache bei der italienischen Luxusautomarke Maserati. Was Luxus für ihn bedeutet, wie er die Diskussion um Antriebsarten sieht und inwiefern er sich als deutscher Designer in Italien beweisen musste, erzählt er im Interview.
Wenn es um Automobildesign geht, ist Klaus Busse ein Urgestein: Seit 30 Jahren ist der Deutsche in der Branche aktiv, er hat in dieser Zeit für so klingende Namen wie Mercedes-Benz, Chrysler und Fiat gearbeitet – und Maserati. Seit 2015 ist Busse beim Mutterkonzern Stellantis tätig und nun dafür verantwortlich, die stolze, traditionsträchtige und hochpreisige italienische Automarke richtig zu positionieren.
Das ist inmitten eines fundamentalen Umbruchs der Branche sicher nicht einfach. Während Maserati aber betont, den Kunden die Wahlmöglichkeit in Sachen Antrieb zu lassen, punktet beim jüngsten Modell, dem Maserati GranCabrio, zumindest in den Rezensionen von Motorsportjournalisten vor allem die elektrische Variante – eine Tatsache, die Busse stolz macht, die er aber keinesfalls so verstanden wissen will, dass Maserati alles auf die Karte der E-Mobilität setzt. Die Doppelgleisigkeit sagt Busse durchaus zu, wie er erzählt: «Für uns ist das eigentlich eine gute Situation, in der wir gerade sind.»
Was war denn das erste Auto, das Sie in Ihrer Kindheit bewusst wahrgenommen haben?
Ich habe erst spät bemerkt, dass alle TV-Serien, die ich damals gerne gesehen habe, ein Auto als «Hero» hatten – egal ob «Magnum PI», «Miami Vice», «The Fall Guy» oder «Hart aber herzlich». Vom Ford Bronco über einen Mercedes SL bis zum Ferrari war da wirklich alles dabei.
Was war das erste Auto, das Sie selbst besessen haben?
Das war ein «Pass-me-down» von meinem Vater, ein Mercedes W123. Mit dem Auto bin ich auch nach Stuttgart gefahren, wo ich mein erstes Praktikum bei Mercedes gemacht habe.
Was bedeutet denn Luxus für Sie?
Luxus ist einer von diesen Begriffen, die aus verschiedenen Perspektiven ganz anders gesehen werden: Manche sagen, Zeit ist Luxus, oder gutes Essen ist Luxus. Ich verstehe Luxus als etwas, das über der eigentlichen Funktion noch andere Werte hat. Autos haben etwa ein klares funktionelles Ziel: Wenn ich ausserhalb von Turin wohne und in die Stadt zur Arbeit muss und es keinen Zug gibt, brauche ich ein Auto. Wenn man an ein solches Auto denkt, sieht man sich vor allem im Auto auf dem Weg zur Arbeit. Bei einer Marke wie Maserati ist es aber anders: Wenn man an Maserati denkt, sieht man sich an der französischen Côte d’Azur oder in der italienischen Toskana. Wenn etwas Gefühle hervorruft und mich in eine ganz andere Welt bringt, dann rede ich von Luxus.
Wie stark müssen Luxusmarken wie Maserati auf Trends reagieren?
Maserati hat sich alle zehn bis 20 Jahre neu erfunden. Wir bauen Rennautos seit 110 Jahren, Strassenautos aber erst seit 1947. In den 50er-Jahren war Maserati sehr elegant, in den 60ern eher provokant, in den 70ern wiederum futuristisch; dann, in den 80er- und 90er-Jahren, wurde es brutalistisch-pragmatisch, danach kam wieder die romantische Zeit. Das Design spiegelt da schon stark den Zeitgeist wider. Trends in Mode oder Architektur ignorieren wir komplett; Trends im Sinne dessen, wo wir als Gesellschaft stehen – das sehen wir uns sehr genau an, etwa dass die Rolle eines Sportwagens im Strassenverkehr in Europa heute durchaus kritisch diskutiert wird. Wir wollen inmitten dessen eine rollende Skulptur anbieten, die nach wie vor positive Reaktionen auslöst.
Inwiefern unterscheidet sich Maserati von anderen Automobilherstellern?
Deutsche Marken zeigen immer ihre Vorgängermodelle, um den Weg zur angestrebten Perfektion darzustellen. Als ich nach Italien kam, habe ich Giorgetto Giugiaro (italienischer Industriedesigner, der unter anderem den Fiat Panda oder den VW Golf I entwickelt hat, Anm.) gefragt, was eigentlich italienisches Design ausmacht. Er sagte: «Es bedeutet, das Beste im Moment zu machen.» Nur wenn man so an ein Fahrzeug herangeht, sind diese extremen Brüche möglich – wie etwa von den schönen Kurven der 60er-Jahre zu den flachen Keilformen der 70er-Jahre.
Was bleibt bei aller Veränderung gleich?
Maserati hatte immer eine Art von Zurückhaltung und Eleganz. Wir haben es im Grunde dem Tridente, dem Dreizack, überlassen, die Power des Autos nach aussen zu vermitteln. Wir haben unnötige Lufteinlässe oder Spoiler immer vermieden, wir machen auch keinen Fake-Auspuff. Der Dreizack ist ja nicht nur unser Logo, sondern auch die Waffe eines mythologischen Gottes. In Bologna gibt es einen Brunnen, da hält Neptun den Speer hinter dem Rücken – er zeigt also, dass er ihn hat, aber eben nicht auf aggressive Art und Weise.
Wie viel von Ihrem Job ist der klassische Designer, wie viel der Ingenieur, wie viel vielleicht auch Historiker?
Meine Aufgabe ist, diese strategische Flughöhe beizubehalten. Natürlich sitze ich abends im Studio mit einem Stift in der Hand bei den Designern und versuche, ein Problem zu lösen. Das mache ich, weil es mir Spass macht. Die Erwartung, die ein Head of Design zu erfüllen hat, speziell für eine historische Marke wie Maserati, ist aber eine strategische; also nicht nur die Leitung des Designteams, sondern auch, die Marke im kompletten Leadership-Team mitzugestalten. Wir sind da nicht alleine, im Team wird aber schon auf uns geschaut. Wenn wir ein neues Auto gestalten – der MC20 war mein erster komplett neu designter Maserati –, führen wir diese Diskussionen: Was bedeutet dieses Auto für die Marke? Wo wollen wir die Marke hinbringen? Was gibt es im Umfeld schon in diesem Segment? Wie können wir typisch Maserati sein? Das hat sich nicht verändert, das ist die konsistente Rolle eines Head of Design.
Die Autobranche erlebt derzeit einen grossen Umbruch, insbesondere in Bezug auf Antriebsarten. Macht es einen Unterschied, ob Sie ein Auto mit Verbrennungsmotor, mit Elektro- oder mit Wasserstoffantrieb entwerfen?
Wir haben bewusst entschieden, dass der Antrieb keinen Unterschied machen soll. Mir war immer wichtig, dass Kunden, die in unseren Showroom kommen, keine Kompromisse machen müssen, weil ihnen etwa der Elektroantrieb des gleichen Modells besser gefällt als der Verbrenner. Ein Beispiel ist der Gran Turismo – das ist ein Produkt, das Performance, Komfort und Stil verbindet. Wer sich für diese Formensprache entscheidet, sollte nicht wegen der Antriebsart Abstriche machen müssen. Es kommt da ja immer auch auf den Lebensstil an: Wenn ich in Wyoming in den USA lebe, ist es vielleicht nicht so einfach, ein E-Auto zu fahren.
Das Maserati GranCabrio kann man ebenfalls in beiden Ausführungen kaufen. Ist diese Doppelgleisigkeit bei den Antrieben die zukünftige Strategie bei Maserati?
Ja, das ist für uns ganz wichtig. Die Diskussion rund um E-Mobilität wird sehr emotional geführt, daher bin ich sehr froh über die Herangehensweise – die Kunden können entscheiden, was für ihren Lebensstil passt. Das Feedback, auf das wir beim GranCabrio sehr stolz sind, ist, dass viele sagen, dass der Elektriker vom Fahrspass und Gefühl das bessere Auto ist. Wir haben da auch keine typische Skateboard-Plattform, wo die Batterien unter dem Sitz sind, wir haben die Batterien im zentralen Tunnel zusammengefasst, dadurch bleiben die Sitze und die Silhouette tief, das Gewicht liegt zentral im Fahrzeug – und dann kombinieren wir das mit einer Software, die wir aus der Formel E entwickelt haben, wo diese Power wirklich im Bruchteil einer Sekunde an die richtigen Räder gebracht wird. So bekommt man dieses einzigartige Fahrgefühl, das offensichtlich vielen gefällt.
Wäre es dann nicht konsequent zu sagen: Viele finden das E-Auto besser, wir gehen voll in Richtung E-Mobilität?
Der Weg, den wir gehen, ist weiter wichtig – je nachdem, wo der Kunde ist, kann es schwierig sein, elektrisch zu fahren. Es gibt auch Kunden, die eine gewisse Nostalgie mögen, die auch das Motorengeräusch des Verbrenners haben wollen. Für uns ist das eigentlich eine gute Situation, in der wir gerade sind.
Sie sind als Deutscher Chefdesigner einer italienischen Marke – und wenn die Italiener auf etwas stolz sind, dann ist es Design. Wie sehr mussten Sie sich beweisen?
Das war zu Beginn tatsächlich so – doch ein neues Auto zu entwickeln dauert drei Jahre. Die ersten drei Jahre musste ich mich also über die Arbeit beweisen. Ich habe damals sehr viel Zeit in Turin auf einer Piazza verbracht, bin dort gesessen und habe Espresso getrunken. Dabei habe ich viel über das italienische Selbstbewusstsein gelernt, etwa in der Mode: Die Italiener tragen etwa viel zu kurze Hosen – das aber voller Eleganz. Dieses Verständnis hat mir geholfen.
Wo holen Sie sich allgemein Inspiration?
Ich schaue mir natürlich auch andere Autos an, um zu sehen, wie dort gewisse Probleme gelöst werden. Alles, was ich mir im Markt ansehe, ist aber schon drei Jahre alt und somit im Grunde genommen nicht mehr relevant. Meine Inspiration kommt hauptsächlich durch Interaktion mit anderen Menschen; zuletzt etwa mit Maria Koch, Deutschlands einziger Modedesignerin, die mit ihrer Marke 032c offiziell auf dem Kalender der Paris Fashion Week war. Das sind Momente, die mich inspirieren – und natürlich ist es auch einfach harte Arbeit, in der Geschichte nachzusehen, mit Sammlern zu sprechen und sich zu überlegen, was in der Vergangenheit für Maserati relevant war. Doch es sind vor allem die Gespräche, die mir kreative Energie geben.
Klaus Busse studierte Transportation Design an der Coventry University. Seine Karriere startete er bei Mercedes-Benz, wechselte dann zu Chrysler. Nach dem Merger war er Head of Design für Fiat Chrysler Automobiles. Heute ist er Head of Design bei Maserati sowie Head of Stellantis Design Studio.
Text: Klaus Fiala
Fotos: Maserati