Windel auf Knopfdruck

Als kleines, junges Start-up kämpft Peachies mit Gründerin Rima Suppan gegen die grossen Spieler der Windel-Industrie – einer Branche, die seit Jahren keine grosse Veränderung erfahren hat. Mit ihrem Produkt Nappies, das saugfähiger und dabei frei von schädlichen Chemikalien ist, macht die Österreicherin jetzt den britischen Markt unsicher.

Allein im ersten Lebensjahr ­benötigt ein Baby rund 2.130 Windeln – bei ­einem durchschnittlichen Preis von 0,31 € pro Windel summieren sich diese Kosten auf etwa 660 €. Über die drei Jahre, in denen ein Kind ­normalerweise Windeln trägt, er­geben sich somit fast 2.000 € und etwa eine Tonne Müll. Für Menschen ohne Kinder mögen das ­ab­strakte Zahlen sein – für Eltern stehen sie für einen alltäglichen finanziellen und auch logistischen Kraftakt.

Rima Suppan, Gründerin von Peachies, zählte lange Zeit zu den Menschen ohne Berührungspunkte mit diesem Thema. „Vor Peachies habe ich mir kaum Gedanken über Windeln gemacht“, sagt Suppan und fügt hinzu: „Heute hingegen würde ich mich als absolute Windel-Expertin bezeichnen.“

Peachies ist ein junges Start-up aus London, das Windeln im Abo­modell anbietet. Für 70 Pfund (84 €) bekommen Peachies-­Kunden alle vier Wochen 186 Windeln ­direkt nach Hause geliefert. Das Unternehmen verspricht dabei, dass seine Windeln um 70 % saugfähiger sind, dank der besseren Passform weniger auslaufen als herkömmliche Windeln und zudem auf schädliche Chemikalien verzichten, die häufig in handelsüblichen Windeln enthalten sind und bei Kindern Hautausschläge verursachen können. „Da unsere Windeln in vielerlei Hinsicht qualitativ hochwertiger sind, werden deutlich weniger pro Tag be­nötigt. Zusätzlich sparen wir das CO2-Äquivalent von 93 Tonnen pro 1000 Babys – das entspricht dem Gewicht von 17 Elefanten, validiert von Climate-KIC – und sind B-Corp-zertifiziert“, so Suppan.

Mit Peachies gründete sie 2021 ihr erstes Start-up in London – und das, obwohl sie gebürtige Öster­reicherin ist und auch in Österreich aufgewachsen ist. Suppan absolvierte ein Bachelorstudium in Internationaler Betriebswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU), stellte jedoch schnell fest, dass sie nicht in ihrer Heimat bleiben wollte. „Ich wusste schon immer, dass es mich ­eines Tages nach London ziehen wird“, erzählt sie. Bereits im ­Alter von zwölf Jahren war sie bei einem Besuch von der Stadt fasziniert und träumte seitdem davon, dort zu leben und zu arbeiten.

Nach dem Bachelorstudium zog ­Suppan für ihr Masterstudium in die britische Hauptstadt und ­studierte am Imperial ­College In­novation, Entrepreneurship and ­Management. Dort lernte sie ihre spätere Mitgründerin Morgan ­Mixon kennen. „Wir wurden aus­gewählt, um gemeinsam den Innovation and ­Entrepreneurship Club zu ­leiten“, ­erzählt Suppan. Schnell ent­wickelte sich die Zusammenarbeit zu ­einer engen Partnerschaft. ­„Gemeinsam ein Unternehmen aufzubauen und zu führen ist wie eine Ehe“, erklärt Suppan und erinnert sich an ihr erstes persönliches Treffen, bei dem die Entscheidung für eine gemeinsame Gründung fiel.

„Gemeinsam ein Unternehmen aufzubauen und zu führen ist wie eine Ehe“, sagt Peachies-Gründerin Rima Suppan (li.). Co-Founderin Morgan Mixon (re.).

Morgan Mixon war zu diesem Zeitpunkt gerade aus den USA zurückgekehrt, wo sie viel Zeit mit ihren Neffen und Nichten verbracht hatte. Durch diese Erfahrung wurde sie erstmals auf die Herausforderungen der Windelindustrie aufmerksam. „Wir waren beide auf der Suche nach einer Idee für ein Uni-Projekt, und eines Tages kam Morgan auf mich zu und fragte: ‚Hast du jemals über Windeln nachgedacht?‘ Mit dieser Frage hat alles begonnen“, erinnert sich Suppan. Dieser Gedanke liess sie nicht mehr los: „Mir wurde klar, dass die meisten nur eine einzige Windelmarke nennen können“, erzählt sie und fügt hinzu: „Ausserdem stellten wir fest, dass dies eine der letzten wesentlichen Konsumgüterbranchen war, die noch nicht von Challenger-Brands revolutioniert worden war.“

Nach einer intensiven Google-Suche („Jedes Start-up beginnt mit einer Google-Suche“, scherzt Suppan) beschlossen die beiden Gründerinnen, mit Peachies den veralteten Windelmarkt auf den Kopf zu stellen. Trotz der Tatsache, dass keine von ihnen ursprünglich aus Grossbritannien stammt, entschieden sie sich, in London zu bleiben und dort als Unternehmerinnen Fuss zu fassen. „Wir beide lieben London, und es ist eine grossartige Stadt, um ein Unternehmen zu gründen“, erklärt Suppan die gemeinsame Entscheidung.

Es folgte eine lange (und, wie die Gründerin es beschreibt, herausfordernde) Zeit, in der sich die beiden intensiv mit allem beschäftigten, was mit Windeln zu tun hat. „Pampers dominiert den Markt in Euro­pa. Das liegt vor allem daran, dass sie für viele Eltern der Standard sind – man hinterfragt oft nicht, wie viel besser eine Windel und die gesamte Produkt- und Kauferfahrung sein könnte“, erklärt Suppan. Sie analysierten die Branche gründlich, untersuchten bestehende Produkte und identifizierten Möglichkeiten für ­innovative Designlösungen.

Der Designprozess – in Kooperation mit Branchenexperten, Designern und Ingenieuren – dauerte etwa ein Jahr. Parallel dazu liefen umfangreiche Produkttests in unabhängigen Labors in Europa und den USA sowie dermatologische Tests, die den Windeln eine „Ausgezeichnet“-Bewertung für empfindliche Haut einbrachten. Im Anschluss wurden die Windeln in Deutschland bei über 100 Familien blind getestet. Das Ergebnis: Über 90 % der Eltern gaben an, das Produkt eher Freunden und der Familie weiterzuempfehlen als jede andere Windel, die sie bisher ausprobiert hatten. Suppan: „Nach diesem Ergebnis und weiteren derma­tologischen Tests wussten wir, dass wir etwas Herausragendes entwickelt haben, das wir unbedingt auf den Markt bringen sollten.“

Dann begann die Suche nach einem Hersteller, die weitere sechs Monate in Anspruch nahm. ­Suppan betont die Schwierigkeiten des Markteintritts: „Die Mindestbestellmengen in der Branche sind extrem hoch, was den Start im Vergleich zu anderen Industrien zu einem grossen Risiko macht.“ Schliesslich fand sie eine Fabrik in Kanada, die heute die Peachies-Windeln herstellt.

Nach nur eineinhalb Jahren in der Produktion erreichte ­Peachies ­bereits einen wichtigen Meilenstein: 10.000 Kunden. „Das war ein bedeutender Moment für uns“, so ­Suppan. Auch bei der Finanzierung ging es schneller voran als erwartet: Im Frühjahr 2024 konnte das Unter­nehmen eine Investition von 1,6 Millionen Pfund (1,9 Mio. €) sichern. Doch für Suppan zählen andere Erfolge noch mehr. „Ich erhalte ­regelmässig E-Mails von Eltern, die mir schreiben, wie dankbar sie sind – und dass sie dank Peachies durchschlafen können und ihre Kinder keine Hautprobleme mehr haben. ­Es bedeutet uns unglaublich viel, so einen Impact auf Familien zu haben.“

Für die Zukunft verfolgt ­Suppan ein klares, wenn auch einfaches Ziel: „Eltern zu sein ist eine wunderbare, aber auch chaotische Zeit, die das Leben von einem Tag auf den anderen komplett verändert. Es kann eine Phase des Überlebens oder des Aufblühens sein. Wir möchten Eltern dabei helfen, diese Zeit unvergesslich und so einfach wie möglich zu gestalten – gerade beim Windelwechsel, einem Moment, der täglich so oft stattfindet.“

Fotos: Peachies

Lela Thun,
Redakteurin

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