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Steht der freie Welthandel auf der Kippe? Durch den Einfluss der Politik scheint die Wirtschaft Rückschritte zu machen - zumindest in den USA. Ein Gastkommentar von Martin Lück.
Es gibt kaum Zweifel daran, dass die Globalisierung der vergangenen Jahrzehnte den Wohlstand auf der Welt erhöht hat. Hunderte Millionen Menschen wurden vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern aus der Armut geholt, auch in den Industrieländern legte die Wirtschaftsleistung erheblich zu. Letzteres geschah aber mit so ungleichen Verteilungswirkungen, dass sich seit einiger Zeit Protest gegen die Auswirkungen der Globalisierung regt. Diesen machen sich Populisten zu eigen und predigen die angeblichen Vorteile national ausgerichteter Handelspolitik – mit dem Ergebnis, dass vor allem die US-Politik seit Anfang 2017 eine Rückwärtsentwicklung im freien Welthandel bewirkt.
Dabei ist es nicht nur der Handelskonflikt mit China, der den Welthandel belastet. Gleich zu Beginn seiner Präsidentschaft stellte Donald Trump vielmehr wichtige und umfassende Freihandelsabkommen – bestehende wie in Gründung befindliche – infrage. Das North American Free Trade Agreement (NAFTA), das seit 1994 den Handel zwischen den USA, Mexiko und Kanada erheblich ausgeweitet hatte, geriet ebenso unter Beschuss wie die unterzeichnete, aber noch nicht ratifizierte Trans-Pacific Partnership (TPP) unter zahlreichen Pazifikanrainern sowie die noch in der Verhandlungsphase befindliche Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) zwischen den USA und der EU. Mit dem Infragestellen des Freihandels und dem „America first“-Postulat wurde der bereits in den Jahren davor sichtbar gewordene Trend zur Deglobalisierung verstärkt.
Es ist nicht überraschend, dass Sand im Getriebe des freien Welthandels das Wachstum dämpft. Die Unterbrechung bzw. Verlangsamung grenzüberschreitender Wertschöpfungsketten führt zu weniger Output. Für die geringeren Produktionsvolumina werden weniger Investitionen benötigt, was eine abnehmende Zahl neu geschaffener Jobs zur Folge hat. An den Finanzmärkten dämpft die ständige Unsicherheit die Risikobereitschaft von Investoren. Unterm Strich wirkt damit die Deglobalisierung in der Realwirtschaft wachstumsschädlich und erhöht an den Kapitalmärkten die Volatilität.
Martin Lück
... ist Chief Investment Strategist für Deutschland, die Schweiz und Österreich bei Blackrock. Der Deutsche ist zudem promovierter Volkswirt und Bankkaufmann.
Gibt es Hoffnung, dass all dies besser wird? Ja und nein. Einerseits erscheint kurzfristig ein Handelsabkommen zwischen den USA und China schon deshalb wahrscheinlich, weil beide Seiten Interesse daran haben. Chinas kommunistische Partei braucht Impulse für den Aussenhandel, um das schwächelnde Wachstum zu stützen. Trump dagegen möchte sich im Präsidentschaftswahlkampf als derjenige darstellen, der China einen besseren Deal abgetrotzt und damit ein zentrales Wahlversprechen erfüllt hat.
Andererseits dürfte in der längerfristigen Perspektive ein Deal, der China verpflichtet, den USA mehr Agrargüter abzukaufen oder geistiges Eigentum besser zu schützen, nichts daran ändern, dass die beiden grössten Volkswirtschaften der Welt auch weiterhin um die globale Führerschaft streiten. An diese Rivalität müssen wir uns in den kommenden Jahrzehnten gewöhnen. Mit einem „Deal“ – auch, wenn Präsident Trump ihn als grössten aller Zeiten feiert – ist für die Stabilität des Welthandels also wenig gewonnen.
Gastkommentar: Martin Lück
Der Gastkommentar ist in unserer Oktober-Ausgabe 2019 „Handel“ erschienen.
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