Understatement in bester Lage

Dominik G. Reiner ist ein Eigengewächs: Seit 20 Jahren ist der Münchner für die global agierende Luxushotelkette Mandarin Oriental tätig. Als General Manager verantwortet er seit April 2024 das neue Hotel in Zürich, als Area Vice President die Häuser in München und Luzern. Reiner will erstklassige Hotels mit Angeboten für lokale Gäste verknüpfen – das kann er bald auch an einem vierten Standort tun, denn im Sommer 2025 folgt die Eröffnung des Mandarin Oriental in Wien.

„Die Lage ist dabei für uns superwichtig, das ist klar“, sagt Dominik G. Reiner auf die Frage, wie Mandarin Oriental seine neuen Standorte ­eigentlich auswählt. Diesen Satz spricht ­Reiner auf der Dachterrasse des Mandarin ­Oriental ­Savoy in Zürich, mitten am Paradeplatz ­ge­legen und doch mit Blick auf die Alpen – als hätte er das Setting geplant, um seine Botschaft zu unterstreichen.

Im Dezember 2023 eröffnet ist das geschichtsträchtige Haus an der Zürcher Bahn­hofstrasse offenbar gut angelaufen, denn die ­Terrasse ist an diesem Freitag gut gefüllt. Reiner: „Wir müssen natürlich noch an gewissen Stellschrauben drehen, aber der Start ist uns schon richtig gut gelungen.“ „Gut gelungen“ ist ver­mutlich ­jenes Understatement, mit dem sich auch die ­gesamte Kette auszeichnen will, die zwar auf ­Luxushotels in Luxusdestinationen setzt, aber Gäste keineswegs mit Prunk abschrecken will. In Zürich, wo hohe Preise bekanntlich Standard sind, dürfte die Wette jedenfalls aufgehen: Bereits ein halbes Jahr nach dem Start zeichnete Gault-Millau das Mandarin Oriental Savoy Zürich als „Hotel des Jahres 2024“ aus.

Doch Reiners Verantwortungsbereich geht über Zürich hinaus – der Hotelmanager ist als Area Vice President auch für die Hotels in ­Luzern und München (wo er zuvor als General ­Manager tätig war) sowie bald auch Wien zuständig. Das Hotel in der österreichischen Hauptstadt soll im Sommer 2025 eröffnen. „Ich will natürlich so viel Zeit wie möglich in Zürich verbringen“, so Reiner, „aber ich muss mir gleichzeitig sehr gut überlegen, wie oft ich physisch in den anderen Häusern sein kann und will.“ Sein Ziel? Den guten Ruf, den die Alpenregion in Sachen Hotellerie international und im Mandarin-Oriental-Konzern geniesst, bestätigen. „Die Alpenregion wird weltweit nicht umsonst als Brutstätte guter Hoteliers gesehen“, so der gebürtige Münchner. Und: Er will, dass Mandarin Oriental in der Region nicht als gesichtslose Kette wahrgenommen wird, die unabhängig vom Standort stets das gleiche Konzept umsetzt – vielmehr will man zeigen, wie gut man sich in die Umgebung einfügen kann. Reiner: „Wir sind keine Hotelgruppe, die in Destinationen geht und dort einfach ihr Ding macht. Wir wollen verbunden sein mit der jeweiligen Stadt und ihren Menschen und immer auch ein Ort für lokale Gäste sowie ein Anlaufzentrum für Kunst und Kultur sein.“

Die Wurzeln des heutigen Mandarin ­Oriental Savoy reichen einige Jahrzehnte zurück. Das ­Hotel selbst wurde 1838 vom Österreicher ­Johannes Baur eröffnet – Baur startete wenige Jahre später auch das quasi benachbarte Baur au Lac, das ebenfalls bis heute als Luxushotel in ­Zürich besteht. Das Savoy (damals Baur en Ville ­genannt) hatte unterschiedliche Betreiber und wurde immer wieder renoviert; Ende 2022 wurde schliesslich bekannt, dass Mandarin Oriental den Betrieb des Hotels übernehmen würde. Kurz ­danach wechselte die Immobilie selbst, die lange Jahre im Eigentum der Credit Suisse war, nochmals den Besitzer; im Zuge der Übernahme wanderte auch die Immobilie zur UBS. Der Wert des Hauses wurde damals auf 400 bis 500 Mio. CHF geschätzt. Nach dem Umbau – die Kosten sollen bei rund 100 Mio. CHF gelegen haben – öffnete das Hotel seine Tore unter dem neuen Namen im Dezember 2023.

Die Geschichte der Hotelkette selbst reicht ebenfalls bis ins 19. Jahrhundert ­zurück, als das Oriental Hotel in Bangkok eröffnet wurde. Das Mandarin Hotel wurde wiederum 1963 in Hongkong eröffnet, 1985 wurden die ­beiden ­Häuser schliesslich unter einem gemein­samen Dach vereint. Zürich ist eines der neuesten ­Häuser im Portfolio des Konzerns, der 2023 rund 588 Mio. US-$ Umsatz machte. Zur Kette ­ge­hören auch Hotels in Shanghai, Singapur, ­Tokio, Dubai, Miami, New York, Genf und Paris. Rund die Hälfte des Umsatzes erzielt Mandarin Oriental in Europa.

Das Hotel in Zürich umfasst 80 Zimmer, drei Restaurants, zwei Bars, einen Ballroom sowie weitere Meetingräume. Rund 30 Mio. CHF Umsatz wird das Hotel laut Reiner im ersten Jahr erwirtschaften. Mit Zimmerpreisen, die teils deutlich jenseits der 1.000 CHF liegen, ist man jedenfalls hochpreisig unterwegs. Die Gäste scheint das aber nicht abzuschrecken: Die Auslastung liegt bei 90 %, rund 30 % der Gäste in Zürich sind „Return Guests“, haben zuvor also schon einmal in einem Mandarin Oriental gewohnt. Reiner will, wie in anderen Häusern, auch in Zürich für lokale Gäste attraktive Möglichkeiten bieten: „Wir wollen einen guten Mix anbieten und jedem die Möglichkeit geben, das Savoy zu erleben.“

„Wir wollen mit der jeweiligen Stadt verbunden sein – und immer auch ein Ort für lokale Gäste sein.“

Dominik G. Reiner

Dass aber natürlich auch die Gäste selbst wichtig sind, zeigt der Umsatzmix: In München macht die Gastronomie etwas weniger als 10 % des Gesamtumsatzes aus, in Zürich sind es rund 15 %. Wo genau der Split im neuen Haus in Wien liegen wird, lässt sich aktuell noch nicht ­ab­schätzen; fix ist nur, dass Wien in ­Sachen ­Zimmer und Umsatz grösser sein wird als alle ­anderen Hotels in der Region. Das Objekt, das im Eigentum der Brisen Group des russisch-­britischen Investors Dimitry Vallen steht, wird im ehemaligen Handelsgericht im ersten Bezirk in Wien erbaut und mit 151 Hotelzimmern sowie 17 Apartments doppelt so gross wie Zürich und München (73 Zimmer) sein. Reiner: „Wir haben in Wien eine gute Mischung aus Zimmern und Suiten und versprechen uns viel von der Stadt.“ Der Umbau des Hotels soll rund 220 Mio. CHF ausmachen.

Um den Erwartungen in Wien gerecht zu werden, kam kürzlich Mario Habicher an Bord, der zuvor über acht Jahre lang das Hotel Imperial in Wien geleitet hatte. Habicher habe alle Kriterien erfüllt, die man gesucht habe, so Reiner: ­„Mario Habicher ist seit Langem mal wieder ein General Manager, der von ausserhalb kommt.“ Es sei essenziell, so Reiner, dass der General Manager in Wien nicht nur perfektes Deutsch spricht, sondern auch Österreicher ist – „bei seinen Qualitäten machen wir gerne mal eine Ausnahme“.

Dominik G. Reiner kam schon früh mit der ­gehobenen Hotellerie in Kontakt. Er wuchs in München auf, reiste aber immer wieder mit seinen Eltern um die Welt. In jungen Jahren kam er so etwa nach Singapur oder St. Petersburg – und die Hotels, die er dort erlebte, ­hinterliessen ­mächtig Eindruck. Reiner studierte später Internatio­nales Tourismus- und Hotelmanagement an der International School of Management (ISM) in Dortmund. Ein Auslandsjahr führte ihn dann nach Hawaii, wo er für ein Zeitarbeits­unternehmen arbeitete. Als er bei einem grossen Event im Mandarin Oriental in Oahu eingesetzt wurde, war es um ihn geschehen, wie er erzählt: „Meine Liebe zur Hotellerie und zu Mandarin Oriental stammt aus dieser Erfahrung.“

Nach dem Abschluss wollte er im gleichen Haus anheuern, schaffte es schliesslich aber „nur“ ins Mandarin Oriental in London – „war auch nicht schlecht“, so Reiner lapidar, der seine ­Karriere in der britischen Metropole als Management Trainee startete und sich zum Restaurant Manager hocharbeitete.

Es folgten Stationen in München und Boston, bevor er seiner „grossen Liebe“ den Rücken kehrte; wenn auch nur kurz: 2017 übernahm Reiner die Leitung des Soho House in Berlin, ebenfalls Teil einer globalen Kette. Soho House ist eine Mischung aus Members Club und Hotel, die sich vorrangig an die Kreativwirtschaft richtet. 2018 ging es dann zurück in seine Heimatstadt – Reiner übernahm das Mandarin Oriental in München als General Manager. Im Februar 2023 wurde er auch Area Vice President für die deutschsprachige Region, im April 2024 übernahm er die Leitung des Mandarin Oriental ­Savoy in Zürich.

Immer wieder steigen in den Nobelhotels natürlich auch Stars ab. In München wohnte zuletzt Fussballstar Harry Kane monatelang im Mandarin Oriental, bevor er mit seiner Familie eine eigene Bleibe bezog. Medien hatten zwar lange berichtet, dass Kane im Hotel Kempinski Vier Jahreszeiten untergebracht sei, tatsächlich wohnte er jedoch in Reiners Haus: „Unsere PR-Manager waren darüber nicht so glücklich, aber ich war sehr stolz, dass wir unseren Gästen diese Privatsphäre und Intimität bieten können.“ Wien wird nundie zweite Neu­eröffnung, die Reiner (mit)verantwortet. Zwei Neueröffnungen in 18 Monaten – ist das nicht zu viel des Guten? „Ich freue mich sehr über diese neuen Möglichkeiten“, so Reiner voller Elan, „und auch darauf, mich jede ­Woche mit unserem General Manager in Wien auszu­tauschen und gemeinsam das Hotel sowie die ­Eröffnung zu planen.“ Dass solche Projekte aber natürlich mehr Zeit kosten als die Betreuung ­laufender Hotels, gibt Reiner auch zu: „Ist jedes weitere Hotel zeitaufwendig? Ja, natürlich. Aber es ist jetzt nicht so, dass ich nicht auch Zeit für die Familie hätte.“

Mit seiner Frau und zwei Töchtern lebt Reiner ein wenig ausserhalb von Zürich. Er will auch in den nächsten Jahren in der Stadt bleiben, um dem Nachwuchs mehr Stabilität als in der Vergangenheit zu bieten. Überhaupt stellt sich bei ­einem 24/7-Job die Frage, wie er alles unter einen Hut bekommt: „Natürlich gibt es sehr lange Tage und Abende, das ist total okay und macht Spass. Aber wenn ich sage, ich gehe um 17 Uhr nach Hause, dann gehe ich dann auch nach Hause, und da lasse ich das Telefon auch mal links liegen.“

Langweilig wird Reiner jedenfalls nicht. Für die Zukunft und seine Region kann er sich zwei ganz konkrete Ideen vorstellen: Einerseits würde den passionierten Skifahrer und Snowboarder ein Skiresort in Österreich oder der Schweiz sehr ­reizen; „und dann ist auch Berlin noch ein ­weisser Fleck auf der Landkarte“. Überstürzen wollen Reiner und Mandarin Oriental jedenfalls dennoch nichts – denn das beste Hotelkonzept bringt eben nichts, wenn die Lage nicht stimmt.

Dominik G. Reiner studierte Internationales Tourismus- und Hotelmanagement an der International School of Management (ISM) in Dortmund und startete seine Karriere 2004 bei Mandarin Oriental in London. Es folgten Stationen in München und Boston sowie ein Abstecher zum Soho House in Berlin, bevor er wieder zur Gruppe zurückkehrte. Seit 2024 leitet Reiner das Mandarin Oriental Savoy in Zürich, als Area Vice President verantwortet er zudem die Hotels in Luzern, München und ab 2025 auch in Wien.

Fotos: Mandarin Oriental

Klaus Fiala,
Chefredakteur

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