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Sein Gin, Monkey 47, ist Kennern ein Begriff. Nach dem Verkauf der Marke an den Spirituosenkonzern Pernod Ricard steht Alexander Stein nun bereits mit einem neuen Projekt in den Startlöchern: Mit „Horse with No Name“ will er frischen Wind in den Whiskeymarkt bringen. Dabei setzt er erneut auf eine ungewöhnliche Konzeption, einen hohen Qualitätsanspruch – und seine Verbundenheit zum Schwarzwald.
Ein verwachsenes Gelände, von Menschen nur spärlich erschlossen und von wilden Tieren bewohnt: Der Ort, dem die Römer aufgrund seiner Beschaffenheit einst den Namen „Silva nigra“ – Schwarzwald – gaben, hat mit seiner damaligen Beschaffenheit nur mehr wenig zu tun. Allein der dunkle Nadelwald erinnert an die Zeit der Namensgebung, denn heute ist die Region keinesfalls verlassen. Zahlreiche Touristen strömen Jahr für Jahr auf ihren Wanderungen in einen der meistbesuchten Erholungsräume Deutschlands. „Für viele steht der Schwarzwald für Bollenhüte und Kirschtorten“, so Alexander Stein, „aber ich mag seine Ursprünglichkeit. Dort sind viele Sachen einfach so, wie sie sind.“
Dabei ist gerade Stein dafür bekannt, Dinge eben nicht einfach so sein zu lassen, wie sie sind. Vielmehr erfindet und interpretiert er neu – mit Erfolg. Hier, im Schwarzwald, kreierte er mit Monkey 47 einen aus 47 Zutaten bestehenden Gin, der 2011 auf der renommierten International Wine and Spirit Competition den Titel des besten Gins der Welt holte und mittlerweile in 92 Ländern vertrieben wird. „Damals wurde ich nicht mit Komplimenten überschüttet. Viele haben gesagt, das funktioniert nicht. Wenn man sich aber immer an anderen orientiert, ist das nicht unbedingt richtig. Man muss eigene Vorstellungen haben von dem, was man ausdrücken möchte, und darf sich nicht einer anderen Meinung unterwerfen oder einem Trend nachlaufen“, so Stein.
2020 verkaufte Stein seine Anteile am Unternehmen an den französischen Spirituosenkonzern Pernod Ricard (den Grossteil seiner Anteile verkaufte er bereits 2016, der Rest folgte 2020; über den Kaufpreis wurde Stillschwiegen vereinbart), ist aber weiterhin in beratender Funktion tätig. Die übrige Zeit widmet er einem neuen Projekt – es vereint seine Erfahrungen mit Monkey 47 mit seiner Experimentierfreude, seinem Qualitätsanspruch und der Verbindung zum Schwarzwald: Horse with No Name.
Alexander Stein wuchs in der Nähe von Stuttgart auf, sein Vater Jürgen Stein führte in zweiter Generation die in Grossheppach ansässige Weinbrennerei Jacobi GmbH, welche 1880 von der Familie Jacobi als Jacobi AG gegründet wurde. Zwischen 1981 und 1993 wurden dort neben dem hauseigenen Weinbrand „Jacobi 1880“ weitere Spirituosenmarken wie Fernet-Branca, Absolut Vodka oder Sauza Tequila hergestellt, importiert und vertrieben. Stein und seine vier Geschwister halfen während der Schulferien immer wieder im Familienbetrieb aus. 1993, während Steins Abiturs, verkaufte sein Vater die Brennerei jedoch an den britischen Spirituosenkonzern Allied Domecq. „Langfristige Verträge liefen aus und im Zuge der Globalisierung war es mit Weinbrand alleine schwierig, mit den grossen Spirituosenkonzernen mitzuspielen. Er (Steins Vater, Anm.) hat ein attraktives Angebot bekommen – und verkauft“, so Stein, der sich 2020 die Markenrechte an „Jacobi 1880“ zurückkaufte.
Stein studierte BWL an der Universität Nürnberg und fing danach an, bei Nokia im Vertrieb zu arbeiten. Er machte Karriere, war zuletzt in den USA tätig – doch dann erreichte ihn ein Ruf aus der Heimat: „Ein Bekannter aus dem Schwarzwald erzählte mir von einer Aufzeichnung eines Brennmeisters.“ Jene Aufzeichnung stammte von einem ehemaligen Offizier der britischen Royal Air Force, der nach dem Zweiten Weltkrieg im Schwarzwald sesshaft wurde und die lokalen Ingredienzien für einen Gin niedergeschrieben hatte. „Die Rezeptur von Monkey 47 hat damit nicht viel gemein – ausser bestimmte Zutaten wie Wacholder und Preiselbeeren“, so Stein. Dennoch gaben ihm die Aufzeichnungen das nötige Interesse und die Inspiration, um in die Fussstapfen seiner Vorfahren zu treten und sein Glück mit der Herstellung von Spirituosen zu versuchen. Er gründete 2009 die Black Forest Distillers GmbH und suchte sich mit Christoph Keller einen Destillateur, der sich in der Szene bereits einen Namen gemacht hatte und sein Handwerk verstand. Stein fand sich in der Rolle des Experimentators wieder: „Bei Gin ist es das Schöne, dass er viel Interpretationsspielraum zulässt und man eine Aromen-Sinfonie kreieren kann. Es ist wie eine leere Leinwand, auf der man malen kann.“ Steins Sinfonie besteht aus 47 Zutaten – und wurde zu einem vollen Erfolg, der auch grosse Akteure wie Pernod Ricard anlockte. „Die Welt ist komplex geworden, und allein das Wachstum zu handeln ist schwierig. Man muss sich dann entscheiden: Möchte man sich auf das konzentrieren, was man gut kann, und den Rest abgeben – oder macht man alles selbst und baut grosse Strukturen auf?“, so Stein, der sich schliesslich für Ersteres entschied.
Es ist wichtig, viel auszuprobieren. Dann sieht man, wie sich Aromen verhalten, was funktioniert und was nicht. Es dient der Erweiterung des Horizonts.
Aktuell verbringt Stein die meiste Zeit damit, sich um sein Anfang 2021 gelaunchtes Produkt „Horse with No Name“ zu kümmern. Es handelt sich dabei um einen „Habanero Infused Bourbon“. Bereits bei Monkey 47 hat Stein viel ausprobiert – vieles davon aus reinem Spass an der Sache, etwa das Destillieren eines Big Mac, von schottischem Haggis oder von salzig eingelegten Zitronen aus Sizilien. „Es ist wichtig, viel auszuprobieren. Dann sieht man, wie sich Aromen verhalten, was funktioniert und was nicht. Es dient der Erweiterung des Horizonts“, so Stein. Schliesslich stiess er bei seinen Experimenten auf Habaneros, deren Schärfe sich im Destillat nicht wiederfinde, sondern die vielmehr die fruchtige Note des Gewächses wiedergeben, wie Stein erzählt. Er begab sich auf die Suche nach einer geeigneten Kombination für das Aroma: „Einen Whiskey mit einer gewissen Reife sowie einer Vanille- und Karamellnote konnte ich mir gut vorstellen.“ Stein suchte sich erneut jemanden mit Expertise und fand mit der texanischen Firestone and Robertson Distillery (F&R) den richtigen Ansprechpartner. Bereits 2012 brachte die Destillerie ihr erstes Produkt auf den Markt und erntete damit prompt die Auszeichnung „Best American Craft Whiskey“. F&R stellt mittlerweile den meistverkauften Craft-Whiskey in Texas her und betreibt die grösste Whiskeydestillerie westlich des Mississippi-Flusses. So liefert F&R den Whiskey aus Texas und Stein die Habaneros aus dem Schwarzwald. „Es geht nicht darum, den Charakter des Bourbons zu verändern, sondern ihm mit einer Habanero-Infusion einen anderen Touch zu geben“, sagt Stein. Im Frühjahr möchte er sein Pferd bereits in den Ballungszentren Tokio, Amsterdam, Berlin, Paris und London „freilassen“. Der Preis pro Flasche soll rund 35 € betragen (variiert je nach Land). „Wir haben sehr viele Anfragen, fangen aber erst mal im Kleinen an und schauen, wie der Whiskey akzeptiert wird“, so Stein.
Alexander Stein
... absolvierte ein BWL-Studium an der Universität Nürnberg und war anschliessen als Manager bei Nokia tätig. 2009 gründete er die Black Forest Distillers GmbH und stellte mit Monkey 47 einen Gin aus 47 Ingredienzien her, der 2011 von der International Wine and Spirit Competition zum besten Gin der Welt gekürt wurde. Anfang 2021 startete er mit „Horse with no Name“ – ein Habanero infused Whiskey – seine neuste Unternehmung.
Die Habaneros im Schwarzwald anzubauen fand Stein eine charmante Idee. Der ausschlaggebende Grund mag dann aber doch jener sein, der auch die Herstellung von Monkey 47 massgeblich geprägt hatte: die Qualität. „Es geht um Qualität und nichts anderes – so langweilig das jetzt auch klingen mag. Da geht’s um Details, es muss alles perfekt sein. Und um diesen Perfektionismus zu leben, muss man sich kümmern – und zwar ausgiebig.“ Ob „Horse with No Name“ an den Erfolg von Monkey 47 anknüpfen kann, bleibt abzuwarten. Immerhin: Während die globale Umsatzprognose für Gin 2021 bei 13,4 Milliarden € liegt, weist Whiskey eine Summe von etwa 84 Milliarden € auf – gesamt gesehen wird der Umsatz in der Spirituosenbranche 2021 auf 449,4 Milliarden € geschätzt. Zudem dürften sein Standing im Markt und sein Netzwerk Stein in die Karten spielen. Für ihn sind das alles jedoch Überlegungen, die nicht zu sehr ins Gewicht fallen: „Über so was mache ich mir keine Gedanken. Ich denke, dass alles, was an Qualität, Kreativität, Liebe und Leidenschaft in einem Produkt stecken kann, auch drinsteckt – und harte Arbeit hat meistens Erfolg.“ Er verfällt ins Süddeutsche: „Schau mer mal.“
Text: Andrea Gläsemann
Fotos: A Horse with no Name, Monkey 47
Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 1/2–21 zum Thema „Innovation & Forschung“.