ÜBERFLIEGER

Der Flugzeugzulieferer FACC hat schon oft aus einer Not eine Tugend gemacht. 2016 büsste das Unternehmen Prestige und Geld ein – Robert Machtlinger übernahm das Ruder als CEO und führte FACC zu Rekordzahlen.

Was vor 20 Jahren bei Flugzeugkomponenten noch innovativ war, ist heute in Flugzeugen eigentlich nicht mehr einsetzbar“, sagt Robert Machtlinger und rückt seine Krawatte zurecht. Die Anforderung, den Mitbewerbern immer ein Stück weit voraus zu sein, treibt den Chef des oberösterreichisch-chinesischen Flugzeugzulieferers FACC an. Denn seit Jahren entwickelt und produziert FACC hocherfolgreich Leichtbausysteme für Flugzeug- und Triebwerkshersteller.

Damit ist das Unternehmen ­eines der weltweit führenden Technologieunternehmen in diesem Bereich. In den Flugzeugen von ­Airbus, Boeing, Bombardier, ­Embraer sowie jenen des chinesischen Flugzeugbauers Comac stecken Bauteile des Konzerns. Jede Sekunde startet oder landet laut FACC weltweit ein Flugzeug mit FACC-Technologie an Bord. Die Auftragsbücher sind für die kommenden sechs Jahre gefüllt, der Polster bereits unterschriebener Aufträge beträgt 6,5 Milliarden US-$ (5,8 Milliarden €).

Doch der Erfolg von FACC ist hart erarbeitet. Das Unternehmen schaffte es in der Vergangenheit schon oft, Rückschläge zu bewältigen und stärker zurückzukommen. Im Jahr 2016 wurde etwa ein Betrugsfall bekannt: Die Finanzchefin wurde per E-Mail angewiesen, 50 Millionen € zu überweisen. Hinter dem vermeintlichen Absender, dem FACC-Gründer und damaligen CEO Walter A. Stephan, steckten jedoch Betrüger. Der operative Fehlbetrag 2015/16 verfünffachte sich dadurch gegenüber dem Vorjahr von 4,5 auf 23,4 Millionen €.

Der Reputationsschaden war hoch, Stephan musste gehen. Robert Machtlinger, bisheriger Technikvorstand, folgte ihm interimistisch nach – im Januar 2017 wurde er dann zum CEO bestellt. Seitdem hat das Unternehmen stark an der internen Struktur gearbeitet und in Recruiting investiert. Und auch die Profitabilität von FACC wächst: In den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 2018/19 stieg der Umsatz um vier Prozent auf 589,2 ­Millionen €, das operative ­Betriebsergebnis erhöhte sich um 5,3 Prozent auf 42,2 Millionen € (im Geschäftsjahr 2017/18 wurde ein Rekordumsatz von 750 Millionen € erzielt).

Auch das Unternehmen selbst entstand aus einer Krise. Die Sportindustrie hatte in den 1980er-Jahren Schwierigkeiten, davon betroffen war auch der Skihersteller Fischer Sports. Doch anstatt die Forschungsabteilung wie geplant abzubauen, entschied man sich dafür, die Leichtbau- und Verbundtechnik auf andere Bereiche zu übertragen. Es war die Geburtsstunde von Fischer Advanced Composite Components (heute FACC AG) – und zwar 1989. „Von Beginn an waren unsere Schlüsselfaktoren immer innovative und disruptive Ansätze. Wir konnten unsere Kunden davon überzeugen, dass man mit innovativen Ideen im Leichtbau zu beachtlichen Wachstumssprüngen kommen kann“, so Machtlinger.

Bild: Robert Machtlinger, FACC, CEO, Interview

Robert Machtlinger
... ist seit Januar 2017 CEO von FACC. Davor war er Technikvorstand sowie im Manufacturing Engineering, Projektmanagement und Sales & Marketing tätig. Ursprünglich absolvierte Machtlinger eine Lehre zum technischen Zeichner.

Die vom FACC-Chef angesprochenen Leichtbauweisen brauchten einige Zeit, um in der Luftfahrtindustrie Einzug zu halten. Lagen die Composite-Anteile bei Flugzeugen vor mehr als 20 Jahren noch bei rund zehn Prozent, haben sie etwa beim Airbus A350 oder bei der Boeing 787 heute einen Anteil von mehr als 50 Prozent am Gesamtgewicht. So vorteilhaft die Wechselwirkung zwischen Flugzeugbauern und Zulieferunternehmen in diesem Fall ist, unterliegt diese bei Flugzeug-Aufträgen naturgemäss auch Schwankungen. Im Jahr 2006 gab es Probleme aufgrund von Verzögerungen bei Bau und Auslieferungen des einstigen Prestigeobjekts ­Airbus A380. FACC stoppte daraufhin die Produktion von Teilen für den Jumbo. Erst kürzlich gab Airbus bekannt, die Herstellung des weltgrössten Passagierjets ab 2021 einzustellen. Das setzt FACC unter Druck: Der Flugzeugzulieferer erwartet eine Reduzierung des operativen Gewinns um zwölf Millionen € – durch einen negativen Einmal­effekt. Dennoch sieht Machtlinger das Unternehmen weiterhin gut aufgestellt, laut einer Aussendung sind Neu­bestellungen von 70 Flugzeugen eingegangen. Zudem gab Airbus im Sommer 2018 bekannt, in den nächsten 20 Jahren mit einem stark steigenden Bedarf an Verkehrsjets zu rechnen. Bis 2037 sollen weltweit 37.390 neue Passagier- und Frachtmaschinen benötigt werden. An ausreichenden Neubestellungen wird es FACC daher in Zukunft wohl auch nicht mangeln.

Machtlinger fokussiert sich beim Interview im Rahmen der ­Börsianer Messe in Wien aber ohnehin auf die 2012 gestartete „­Vision 2020“. Bis dahin will der CEO die „Schallmauer“ von einer ­Milliarde € Umsatz durchbrechen. Und: „Wir möchten mit unseren Leichtbauprodukten und technologischen Innovationen auf jedem modernen Flugzeug vertreten sein.“ ­Machtlinger hat einen klaren Blick für die Zukunft, pragmatisch und detail­orientiert analysiert er die verschiedenen Strategien – und geht bereits auf die Vision 2030 von FACC ein. Die grosse Frage lautet: Wie kann FACC in der Gestaltung der „Zukunft der Mobilität“ ein gewichtiges Wort mitreden?

Der FACC-Chef ist dem Flugzeug-Kosmos bereits lange verbunden. Mit 16 Jahren fing er mit dem Segelfliegen an, später machte er den Berufspilotenschein. Ursprünglich absolvierte ­Machtlinger in der Vorläuferorganisation von FACC eine Lehre zum technischen Zeichner. Ab 1989 war er Teil von ­Fischer Advanced Composite Components und durchlief dort Stationen im Manufacturing Engineering, Projektmanagement und im Sales- und Marketingbereich. Anfang der 2000er Jahre übernahm Machtlinger die Leitung der Sparte Aerostructures. Im Jahr 2011 wurde er in den Vorstand berufen.

Ein Wachstumspfad von FACC führt über den Aufbau neuer Geschäftsfelder. Neben den bereits bestehenden Segmenten Aerostructures (Komponenten in den Bereichen Flügel, Leitwerk und Rumpf), ­Engines & Nacelles (Produkte im Bereich der Triebwerke, die höchsten Belastungen standhalten) und Cabin Interiors (Innenausstattung wie Gepäckablage) hat FACC ein Auge auf den Bereich ­Maintenance, ­Repair & Overhaul (MRO) geworfen. „Der Markt, in dem es um die reine Instandhaltung und Reparatur von Flugzeugstrukturen geht, macht weltweit zwischen zwölf und 15 Milliarden US-$ aus – in dieses Segment werden wir weiter investieren“, sagt ­Machtlinger. Bis 2022 sollen dadurch zusätzlich 100 ­Millionen US-$ (88,5 ­Millionen €) erwirtschaftet werden.

In seinem Kerngeschäft will das Unternehmen seine Produkte in naher Zukunft noch leichter, effizienter und leistbarer machen. „Wir entwickeln heute neue Materialien und digitalisierte Prozesse, um für die nächste Generation von Flugzeugen bereit zu sein“, so Machtlinger. Demgemäss forscht FACC auch kräftig am Thema künstliche Intelligenz (KI): Eine künstliche „Bauteil-Intelligenz“ liest mittels eines Chips etwa eine Komponente bei deren Wartung aus und prüft, ob es Verschiebungen von Belastungen am Bauteil gibt oder nicht. Da­rüber hinaus arbeitet FACC an einer KI-Technologie, die in der Bauteilkonstruktion eingesetzt werden soll. Zwischen 50 und 80 Prozent der Komponenten würden im Endeffekt automatisch hergestellt, sagt der Techniker.

Im Bereich autonomes Fliegen, der bis zum Jahr 2030 Wachstumssprünge für das Unternehmen bringen soll, besteht jedoch ein intensiver Wettbewerb. An automatischen und CO2-armen Drohnentaxis, die von Stadt zu Stadt fliegen, forschen etwa Airbus und Boeing, aber auch branchenfremde Unternehmen wie Google und Uber und Start-ups wie Lilium Aviation und ­Aeromobil mischen mit. Laut Machtlinger könnte in diesem Bereich in den kommenden Jahren ein globaler Markt von rund 30 Milliarden US-$ (26,4 ­Milliarden €) pro Jahr entstehen.

FACC sucht den Weg in die ­urbane Zukunft vor allem in China. Seit 2016 kooperieren die Innviertler mit dem chinesischen Technologieunternehmen EHang, um künftig autonome Luftfahrzeuge zur Serienreife zu bringen. Der globale Wettbewerb wird in diesem Bereich auch über die Herstellungskosten ausgetragen. Dazu geben die beiden Unternehmen zwar nichts bekannt, doch der Verkaufpreis des Modells EHang 184 wird einem Onlinebericht des indischen Fernsehunternehmens NDTV zufolge zwischen 200.000 und 300.000 US-$ betragen. Mit der EHang 184 wurde das erste autonome Luftfahrzeug der Welt 2016 auf der International Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas, USA, präsentiert. Die Pläne mit FACC, um Flugtaxis in Serienreife herzustellen, scheinen jedenfalls voranzukommen: In Österreich sollen dieses Jahr erste Testflüge stattfinden.

FACC-Kennzahlen 2017/18 im Überblick
(Quelle: FACC)

 

Infografik: FACC-Kennzahlen, Flugzeugzulieferer

Überhaupt hat FACC zu ­China eine starke Bindung. So übernahm die staatliche ­Aviation ­Industry Corporation of China (Avic) 2009 91,25 Prozent der Anteile am Unternehmen (während des Börsengangs 2014 reduzierte Avic seinen Anteil auf 55,5 Prozent, der Rest befindet sich in Streubesitz). Der Einstieg des chinesischen Riesen – Avic hat 450.000 Mitarbeiter und erwirtschaftet einen Umsatz von über 50 Milliarden US-$ – sollte sich bezahlt machen.

„In den vergangenen neun Jahren konnten 450 Millionen € in die Standort- und Technologieentwicklung sowie in neue Projekte investiert werden. Unser Umsatz hat sich verdreifacht“, sagt Machtlinger. Das asiatische Land ist mit 20 Prozent auch der grösste Absatzmarkt für die Innviertler – und gilt in Zukunft auch als stärkster Wachstumsmarkt der Aerospace-Industrie. Das globale Reiseaufkommen – gemessen in Passagierkilometern – soll laut dem Datenanbieter Statista bis 2036 jährlich um 4,4 Prozent ansteigen. Dies geht insbesondere auf die vermehrte (fliegende) Reisetätigkeit in Märkten wie Indien und China zurück. Dieses Wachstum ist auch bei den Airlines spürbar. Denn 8.650 Kilometer vom FACC-Hauptsitz in Ried im Innkreis entfernt entsteht laut Experten in Shanghai ein neuer grosser Spieler in der Luftfahrtindustrie: Comac (Commercial Aircraft Cooperation of China), an die FACC seit 2004 liefert.

„Ab dem Jahr 2030 wird es weltweit drei ganz grosse Flugzeugproduzenten geben (Airbus, Boeing und Comac, Anm.)“, so der FACC-CEO. Insbesondere von der bis 2020 geplanten Comac 929, einem Grossraumflugzeug für den transkontinentalen Betrieb, wird viel erwartet. Das hat natürlich auch Folgen für den Luftfahrtzulieferer: „Bewertet man die Marktprognosen für diese Flugzeuge (gemeint ist die gesamte Comac-Flotte, Anm.) wird unser Umsatz damit bis 2027 auf rund 300 Millionen € anwachsen können.“ Im Jahr 2018 betrug der Umsatz von FACC durch Comac-Produkte erst 15 Millionen €.

Bei der Zukunft der Mobilität führt somit kein Weg an China vorbei. FACC hat aufgrund seiner starken Präsenz vor Ort – neben einem Engineeringcenter in Shanghai betreibt das Unternehmen ein Produktionswerk in Zhenjiang – jedenfalls gute Chancen, diese entscheidend mitzuprägen. Dabei wird es jedoch insbesondere auch darauf ankommen, den eigenen hohen Ansprüchen gerecht zu werden. Doch selbst bei Turbulenzen haben FACC und Machtlinger in der Vergangenheit ihren Einfallsreichtum bewiesen – und neue Richtungen eingeschlagen.

Text: Niklas Hintermayer

Der Artikel ist in unserer Februar-Ausgabe 2019 „Gaming – Wettbewerb“ erschienen.

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