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Andrej Majcen, Mitgründer und Group-CEO von Bitcoin Suisse, erklärt den internationalen Kurs des Zuger Unternehmens, warum in der Kryptobranche heute grössere Kräfte wirken als früher und wie Bitcoin Suisse diese Dynamik für eine erfolgreiche Zukunft nutzen will.
Das Interview findet via Zoom statt, denn Andrej Majcen lebt und arbeitet seit einiger Zeit nicht mehr in der Schweiz. Sein Lebensmittelpunkt liegt heute in Abu Dhabi – und damit auch einer der Mittelpunkte von Bitcoin Suisse. Der Mitgründer und Group-CEO betont, dass Abu Dhabi keine Episode sei: Die Schweiz bleibe wichtig, aber die Dynamik verlagere sich. «Wir sind der Schweiz treu, aber wenn du in einem Markt aktiv bist, der sich global verschiebt, musst du dich dort aufstellen, wo Zukunft gemacht wird.»
Bitcoin Suisse gehört zu den frühen Namen der europäischen Kryptoszene. Seit 2013 ist das Unternehmen aktiv und hat alle Phasen erlebt: die Skepsis der Anfangsjahre, den Hype 2017, den Absturz danach, den institutionellen Aufbruch 2020 und den Winter 2022/23, der die Branche auf ihre Substanz prüfte. Heute verändert sich der Markt erneut: Getragen von politischem Rückenwind und wachsendem Interesse institutioneller Anleger steigt das Volumen – und mit ihm die Komplexität. «Krypto hat in den letzten 18 Monaten stark vom politischen Umfeld profitiert», sagt Majcen. «Doch der Markt wird heute nicht mehr nur durch die klassischen Vierjahreszyklen getrieben. Es ist fraglich, ob sich die Dynamik noch an den Bitcoin-Halving-Cycles orientiert – oder ob inzwischen grössere Kräfte den Markt bewegen: Geldpolitik, makroökonomische Lage, geopolitische Entwicklungen, vielleicht sogar die Election Cycles in den USA.»
Bitcoin Suisse ist heute ein etabliertes Unternehmen – weit entfernt vom improvisierten Start-up, das 2013 in Zug entstand. Der regulatorische Weg war lang und teuer. Was anfangs wie ein Nachteil wirkte, ist heute ein Schutzmechanismus: Bitcoin Suisse überstand viele Krisen, nicht zuletzt, weil das Unternehmen auf Solidität gesetzt hat. Dieses Fundament will Majcen nun international ausbauen. Aktuell verwahrt Bitcoin Suisse sechs Mrd. CHF an Kundengeldern, verfügt über ein Eigenkapital von über 100 Mio. CHF und beschäftigt mehr als 200 Mitarbeitende. Nach Verlusten von 24 Mio. CHF (2022) und 13 Mio. CHF (2023) kehrte das Unternehmen 2024 mit einem Gewinn von 16 Mio. CHF in die Profitabilität zurück; der Umsatz stieg gegenüber 2023 um 56 %. Dieser Wachstumskurs soll fortgesetzt werden.
Genau darauf fokussieren wir uns: Wir wollen unseren Kunden nicht nur Zugang bieten, sondern echte Performance ermöglichen.
Andrej Majcen
Majcen beschreibt die künftige Aufstellung als multilaterales Modell: «Wir bauen verschiedene Standorte auf – Zug bleibt das Schweizer Zentrum, die internationalen Hubs haben jeweils ihre eigenen Rollen.» Abu Dhabi soll exemplarisch für die Präsenz im Nahen Osten, den Ausbau regulatorischer Lizenzen und die Gewinnung internationaler Talente stehen. «In den Vereinigten Arabischen Emiraten ist es deutlich einfacher, qualifizierte Fachkräfte aus aller Welt zu rekrutieren – Visa werden hier innerhalb weniger Tage statt binnen mehreren Monaten ausgestellt. Diese Rahmenbedingungen machen die Region besonders attraktiv für den Aufbau eines globalen Teams.» Auch Liechtenstein kommt eine zentrale Rolle in der Expansion zu: Die Niederlassung in Vaduz soll als Drehkreuz für die Expansion in der Europäischen Union dienen.
Auch intern hat sich Bitcoin Suisse neu aufgestellt: Majcen übernahm Anfang 2024 nach schwachen Zahlen erneut die operative Führung. Seit 2025 konzentriert er sich als Group-CEO auf Strategie, Partnerschaften und internationale Expansion. Das Schweiz-Geschäft übernahm mit Peter Camenzind der langjährige Chief Operating Officer und Deputy-CEO von Bitcoin Suisse.
Bei aller Veränderung bleibt das Ziel gleich: Bitcoin Suisse soll von einem Broker zu einem Performance-Hub entwickelt werden – also einer Plattform, die Zugang zu digitalen Assets bietet und zugleich Ertrag, Sicherheit und Mehrwert schafft.
Das Geschäft ruht heute auf drei grossen Säulen: Handel, Verwahrung und Staking. Im Brokerage bietet Bitcoin Suisse Kunden Zugang zu den grössten Handelsplätzen – nicht über eine eigene Börse, sondern über ein Netzwerk von Partnern. «Eine Order über zehn Millionen kann bei uns in Tausende von Teilaufträgen zerlegt und über mehrere Börsen gleichzeitig ausgeführt werden», sagt Majcen. «So stellen wir sicher, dass unsere Kunden die beste Ausführung erhalten.» Die Verwahrung wird durch eine proprietäre Infrastruktur sichergestellt: «Wenn ein Kunde zwei Bitcoin bei uns hält, dann liegen sie auf seiner eigenen Blockchain-Adresse – jederzeit überprüfbar.» Ergänzt wird das durch Proof-of-Reserves-Prüfungen und mehrschichtige Sicherheitsstrukturen. Parallel wächst das Staking-Geschäft – jener Teil, der selbst in Bärenmärkten Erträge liefert und Anlegern erlaubt, ihre Assets produktiv einzusetzen.
An den neuen Standorten sollen zusätzliche Dienstleistungen angeboten werden, die das traditionelle Geschäft von Bitcoin Suisse komplementieren: Vorgesehen sind Effektenhandel und Derivatgeschäft, Asset-Management- und Produktgeschäft, eigene strukturierte Produkte, die Krypto und traditionelle Anlagen verbinden – thematische Baskets, hybride Fonds und tokenisierte Indexlösungen. «Unser Ziel ist es, vom Zugangsanbieter zum Performance-Partner zu werden», sagt Majcen. Die Kunden sollen nicht nur Krypto handeln, sondern gezielt investieren – mit klaren Erwartungen an Rendite und Risiko. So will Bitcoin Suisse eine regulierte Brücke zwischen der digitalen und der traditionellen Finanzwelt schlagen.
Warum Bitcoin Suisse nie eine eigene Exchange aufgebaut hat, erklärt Majcen nüchtern: «Wir waren seit 2014 reguliert. Unsere Kosten waren massiv höher. Wir wären gar nicht kompetitiv gewesen gegenüber Plattformen, welche weniger streng reguliert waren.» Während andere auf Tempo und Risiko setzten, agierte Bitcoin Suisse innerhalb enger Regeln – ein Nachteil in der Wachstumsphase, ein Vorteil in der Konsolidierung.
Heute setzt das Unternehmen auf bestmögliche Execution. «Unser Modell basiert nicht auf Market Making, sondern auf Infrastruktur», sagt Majcen. «Wir verdienen nicht daran, wenn Kunden kurzfristig traden, sondern wenn sie langfristig bei uns bleiben.» Damit unterscheidet sich Bitcoin Suisse von anderen Akteuren der Branche: «Früher hiess Wettbewerb vor allem Geschwindigkeit», sagt Majcen, «heute geht es um Vertrauen.»
Majcens eigener Weg beginnt an der Universität St. Gallen – 2013 erzählt ihm sein Studienkollege Fabian Hediger von Bitcoin, spricht von einer neuen Art von Geld. Auch Majcen ist fasziniert. Ein Jahr später gründen die beiden gemeinsam mit Niklas Nikolajsen die Bitcoin Suisse AG in Zug – anfangs kaum mehr als ein Gateway für Menschen, die überhaupt erst Zugang zu Bitcoin suchten. Heute verwahrt die Bitcoin-Suisse-Gruppe digitale Vermögenswerte in Milliardenhöhe. Majcen hat in dieser Zeit fast jede Rolle übernommen: vom Kundenberater zum Schweizer CEO, vom CEO zum Group-CEO. «Wir hatten nie Ego-Probleme», sagt er rückblickend, «wir haben immer die Rolle ausgefüllt, für welche wir den grössten Mehrwert gesehen haben.»
Er sieht sich weniger als Gründerfigur denn als Architekt der nächsten Phase. Seine Aufgabe ist es, Bitcoin Suisse global skalierbar zu machen – und dabei den Kern des Unternehmens zu bewahren, der auf Vertrauen und technischer Kompetenz beruht. Wachstum ja, aber nicht um jeden Preis: «Wir wollen dort wachsen, wo wir echten Mehrwert schaffen können», sagt Majcen. «Wir sind kein Casino.»
Für Majcen ist es nur eine Frage der Zeit, bis Bitcoin endgültig zum Mainstream-Angebot wird. «Irgendwann wird jeder Bitcoin haben – ob direkt oder über Fonds, ETFs, Pensionskassen. Die Frage ist dann: Wer schafft es, Bitcoin outzuperformen? Wer bietet echten Mehrwert darüber hinaus? Genau darauf fokussieren wir uns: Wir wollen unseren Kunden nicht nur Zugang bieten, sondern echte Performance ermöglichen.»
Text: Forbes-Redaktion
Fotos: Bitcoin Suisse AG