THE NEW NORMAL IS GREEN

Grün gilt als die Farbe des Geldes – und das lässt sich auch in Zeiten von bzw. nach Corona mit ausgewählten Aktien verdienen. Denn die Pandemie hat Trends beschleunigt, die durchaus renditeträchtig sind.

Im Zuge der Pandemie ist von einer „Neuen Normalität“ und einer Welt, die danach anders als zuvor sein wird, die Rede. Doch vielmehr wurden durch die Pandemie bereits bestehende Entwicklungen verstärkt und beschleunigt, die für Anleger die Kasse klingeln lassen können. Ganz oben stehen dabei die Fragen, wie die Arbeitswelt von morgen aussehen wird, wie wir in Zukunft mit unseren Daten umgehen werden und wie sich der Handel entwickeln wird. Bei Letzterem fährt der Expresszug mit Eiltempo in Richtung Onlineshopping – dieser Trend, der den etablierten Einkaufszentren schon vor Corona zu schaffen gemacht hat, hat sich nun deutlich verstärkt und geht rund um den Globus, und das nicht nur in der westlichen Welt.

So hat zum Beispiel eine Studie der Kreditkartenorganisation Visa gezeigt, dass 71 % der Kenianer ihre Lebensmittel, einschliesslich Obst und Gemüse, nun online einkaufen. Dies ist ein enormes Wachstum im Vergleich zu den 29 % der Käufer, die bereits vor dem ersten Fall von Covid-19 online einkauften. „39 % der befragten Verbraucher geben an, dass ­Covid-­19 zu ihrem ersten Onlineeinkauf von ­Lebensmitteln geführt hat, während 43 % ihren ersten Online­einkauf in Apotheken getätigt haben“, heisst es in dem Bericht.

Die Kasse klingelt

Vom verstärkten Online­shopping während der Krise hat der Internetgigant Amazon bis dato am deutlichsten profitiert. Zwar ist er in Kenia nicht präsent, dafür aber sonst fast überall rund um den Erdball. So musste der E-Commerce-Riese wegen der grossen Nachfrage nicht nur die angebotenen Produkte priorisieren und teils die Lieferzeiten ausdehnen; auch Zehntausende neue Mitarbeiter in den Verteil­zentren und der Logistikkette wurden eingestellt. Die hohe Nachfrage liess und lässt bei Amazon-Chef Jeff Bezos – der 2020 von Forbes mit einem Vermögen von 113 Milliarden US-$ eingestuft wurde und damit auch nach der Scheidung von seiner langjährigen Ehefrau MacKenzie als reichster Mensch der Welt gilt – die Kassen heftig klingeln: Experten haben berechnet, dass Amazon in den vergangenen Monaten rund 10.000 US-$ pro Sekunde umgesetzt hat – und zwar Tag und Nacht.

Befeuert wird das Unternehmen nicht nur von seinem Streamingdienst, sondern auch mit Ideen zu Markterweiterungen wie ­einem zuletzt angekündigten Coup in Asien: Amazon.com, Inc. will ­nämlich bald in West­bengalen, Indiens Milliarden-US-$-­Absatzmarkt für Alkohol, ein­treten – ­Profite winken.

Struktureller Gewinner

Das gefällt auch der Finanzwelt: So hat das Analysehaus RBC das Kursziel für Amazon von 2.700 auf 3.300 US-$ angehoben und die Einstufung auf „Outperform“ belassen. Der Handelsgigant sei dafür gerüstet, ein struktureller Gewinner zu sein, sagt Experte Mark Mahaney – in der Viruskrise beschleunige sich die Akzeptanz für den Einkauf im Internet. Ein klar negativer Aspekt sei allerdings die derzeit sinkende Kundenzufriedenheit, was sich jedoch auf den Aktienkurs nicht auswirkt – zumindest noch nicht: Der ist im Jahresvergleich bereits um rund 40 % gestiegen.

Seit dem Börsengang im April 2019 ging die Aktie von Zoom Communications durch die Decke – und klettert auch in Coronazeiten trotz kleinerer Einbrüche weiter nach oben.

Ähnlich im Aufwind sieht die Entwicklung von Amazon Jefferies-Analyst Brent Thill. Er hob in seiner aktuellen Studie seine Schätzungen für Unternehmen aus dem Onlinehandel an. Eine Flut kürzlich ver­öffentlichter Daten untermauere seine Einschätzung, so Thill, dass der durch die Corona­virus-Pandemie gestiegene Onlinekonsum langfristig Rückenwind bekommen habe. Sein Ausblick sei daher nun positiver, die Aktie des Onlinehandelsgiganten Amazon bleibe sein „Top-Pick“. Jefferies hat daher das Kursziel für Amazon ebenfalls angehoben, und zwar von 2.800 auf 3.100 ­US-$, und das Votum auf „Buy“ belassen. Beide Schätzungen lassen bei dem Papier bei einem Kurs zu Redaktions­schluss von rund 2.700 US-$ ordentlich Luft nach oben für ­Gewinne.

It’s a Video Life

Auch die Welt der Kommunikation hat sich durch das ­Virus verändert, besonders im Unternehmensbereich. Dort wurden die klassischen Konferenzen am runden Tisch unter dem Zwang der ­viralen Bedrohung durch Videokommunikation ersetzt. Hier ist einer der Hauptprofiteure Zoom Video Communications. Das Softwareunternehmen mit Sitz im kalifornischen San José wurde 2011 von Eric Yuan gegründet und beschäftigt über mehr als 2.500 Mitarbeiter. 2017 fand die erste Nutzerkonferenz statt und Zoom eröffnete Büros in Australien und Grossbritannien, seit 2018 werden VoIP-Anrufe („Voice over IP“, Telefonieren über Rechnernetze) und Zoom-Apps unterstützt. Im April 2019 ging das Unternehmen, das sich als Marktführer für reine Videokonferenzen sieht, an die Börse – und der Aktienkurs seitdem durch die Decke: Er zog in den letzten zwölf Monaten um 140 % an. Das pushte den Wert der Zoom-Aktien auf mehr als 40 Milliarden US-$. Kein Wunder, denn das Geschäft boomt: Im Zuge der Pandemie stieg die Zahl der monatlichen Nutzer von zehn Millionen (im Dezember 2019) auf über 200 Millionen (im März 2020) an. ­Allein im letzten Monat lag der Wertzuwachs bei 40 %. Starke Quartalszahlen und ein ebensolcher Ausblick haben die Kursrally des Softwarespezialisten befeuert.

So wurde Zoom auch zum Liebling der Analysten: Sterling Auty von JP Morgan titelte nach den Zahlen in seiner letzten Studie zu Zoom einfach nur: „Wow“. Er beobachte nun schon mehr als 20 Jahre den Softwaresektor, aber noch nie habe ein Konzern die Erwartungen so deutlich übertroffen wie Zoom. Alex Zukin von RBC gehört zu den grössten Optimisten: Zoom habe ein historisches, bahnbrechendes Quartal hinter sich – die Aktie sei bereits stark ­gelaufen, doch vor dem Hintergrund der starken Umsatzperspektiven könnten Anleger weiter Geld mit ihr ­verdienen, glaubt der Experte und rät zum Kauf. Das Kursziel setzte Zukin bei 250 US-$, bei Redaktionsschluss lag der Kurs bei rund 240 US-$. Skeptisch ist hingegen Heather Bellini von Goldman Sachs: Sie hält den Kurs für zu weit gelaufen. Ihr Kursziel hob sie von 90 auf 154 US-$ an, womit sie klar unter dem aktuellen Kurs bleibt und weiter mit „Sell“ votiert.

Gewinne mit Sicherheit

Wer im Internet aktiv ist, benötigt Schutz – das gilt besonders für Unternehmen. Auf dem Sektor Cybersecurity ist die deutsche Secunet Security Networks AG, ursprünglich gegründet von der TÜV Mitte AG, ganz vorne mit dabei. Mit Hauptsitz in Essen und Stand­orten in ganz Deutschland bietet Secunet mit mehr als 500 Mitarbeitern Lösungen – sowohl Produkte als auch Dienstleistungen – rund um IT-Sicherheit und IT-Hochsicherheit an. Das Geschäft läuft exzellent: Vor Kurzem hat Secunet die Prognose für das gesamte Geschäftsjahr 2020 bezüglich Umsatz und Ergebnis überraschend deutlich nach oben korrigiert. Der Aktienkurs stieg daraufhin in wenigen Tagen um 13 %, im Jahresvergleich lag der Zuwachs bei mehr als 70 %. Zwar wurde die Dividende für das letzte Geschäftsjahr im März um 24 Prozent reduziert (von 2,04 € pro ­Aktie im Vorjahr auf 1,56 €) – aber das ist nun Schnee von gestern. Denn für das Geschäftsjahr 2020 wurden die Ziele für Umsatz und Gewinn um gut 20 % beziehungsweise 50 % angehoben. Secunet rechnet jetzt mit ­einem Umsatz von 270 Millionen € und einem Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) von rund 48 Millionen €. Der hohe Auftragsbestand kommt hauptsächlich von Kunden des öffentlichen Sektors – das beschert vielleicht zähe, aber jedenfalls sichere Einnahmen.

Text: Reinhard Krémer
Illustration: Valentin Berger

Der Artikel erschien in unserer Juni-Ausgabe 2020 „Next“.

Reinhard Krémer

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