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Valerie Brunner kennt den RBI-Konzern wie kaum ein anderer und verändert die Organisation bis heute mit. Seit 27 Jahren ist die Bankerin dort in unterschiedlichen Bereichen tätig – seit 2016 im RCB-Vorstand.
Seit dem Niedergang des Sparbuchs sieht sich die Welt der Hochfinanz, also jene der Aktien und Zertifikate, verstärkt mit einem Kundensegment konfrontiert, das einerseits Wachstum verheisst, aber andererseits starke Veränderungsresistenz aufweist: die Privatanleger. Oder, wie J. P. Morgan Asset Management dieses Segment in seinem aktuellen „Income-Barometer“ beschreibt: „(…) die Bereitschaft, die ,sicheren Anlagehäfen‘ zu verlassen, ist weiterhin ausbaufähig.“
Nicht nur in Österreich ist die Skepsis gegenüber Marktschwankungen gross, sondern auch in den anderen für die Studie untersuchten Ländern Deutschland, Belgien, Grossbritannien, Italien und Spanien. Viele denken, nicht genug Geld für Investments in den Kapitalmarkt zu haben. Wobei Österreich hier ein besonderes Spezifikum aufweist: nämlich jenes, dass 94 Prozent der Befragten noch immer Spareinlagen nutzen (europäischer Schnitt: 78 Prozent), aber gleichzeitig 58 Prozent (Europa: 49 Prozent) mit der Entwicklung ihrer Sparprodukte unzufrieden sind. Die Veränderung geliebter Gewohnheiten ist schwer – vor allem, wenn das Wissen über den Kapitalmarkt, so die J. P.-Morgan-Studie weiter, in weiten Teilen nicht vorhanden sei.
Für Valerie Brunner, RCB-Vorstand, bedeutet das „auf Zertifikateseite ein wunderschönes Universum an Produkten, die wir dem Privatanleger guten Gewissens anbieten können“. Die RCB ist auf Wachstum eingestellt. Ein Beispiel: „In den gesamten Depots, die im Raiffeisen-Sektor von Privatkunden gehalten werden, hat sich der Zertifikate-Anteil in den vergangenen vier Jahren verdoppelt.“ Aktuell arbeite man an einer Möglichkeit, künftig schon mit kleinen Beträgen regelmässig in Zertifikate zu veranlagen. Aber auch verbesserte Kommunikationswege für bereits bestehende Anlageprodukte bergen grosses Potenzial. „Aufgrund des aktuell noch so geringen Anteils an Wertpapier-affinen Österreichern bieten sich unzählige Wachstums-
chancen.“
Der Hauptfokus – der per se zwar nicht innovativ sei, für die Hochfinanz dann aber doch, grinst sie – liege auf der Erhöhung des Wissens um Wertpapiere. Kommunikativ gelte es da, Hürden abzubauen, inklusive einer kompletten Remodellierung des Webauftritts samt Erklärvideos zu einzelnen Zertifikatstypen mit den hausinternen Experten als Darstellern. „Letztlich muss unsere Branche aber generell daran arbeiten, Finanzverständnis und auch -wissen an die Schulen zu bringen, sodass wir nicht lauter AHS-Schüler haben – wie auch meine Kinder –, die gute Aufsätze schreiben und Gleichungen lösen können, aber keine Finanzbildung bekommen haben“, so die RCB-Chefin.
Valerie Brunner
…wurde 1967 in Wien geboren und studierte an der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien Internationale Betriebswirtschaft. Gleich nach dem Studienabschluss heuerte sie bei der Raiffeisen Zentralbank an, wurde Head of Austrian Corporate Customers, später Head of Global Corporate Customers bei der RBI. 2016 zog Brunner in den RCB-Vorstand ein. Sie hat den Aufsichtsratsvorsitz bei Syrena Immobilien inne und sitzt im Aufsichtsrat der Uniqa Insurance Group. Valerie Brunner ist verheiratet und hat drei Kinder.
Parallel zur „Aufklärungsarbeit“ im Allgemeinen und für potenzielle RCB-Kunden im Speziellen soll der Zugang zu den einzelnen Produkten erleichtert werden. „Hier lautet die Devise: Unsere Zertifikate müssen leichter zugänglich gemacht werden, etwa auch über das Handy kauf- und verkaufbar sein. In Österreich sind wir da schon sehr gut unterwegs, in der CEE-Region sehen wir jedoch noch grosse Entwicklungschancen.“ Da beobachte man gerne, was Newcomer wie N26 oder Revolut tun – und zwar „sehr genau! Sie bieten zum Teil Services an, die auch für die Centrobank interessant sein könnten.“ Aktuell prüfe man eine zentrale Brokerlösung. Generell gehe es aber vor allem „um einfache Features, die für unser Kundenpotenzial von 17 Millionen Kunden passen könnten. Ich finde es spannend, diese teilweise noch unbeackerten Themen zu behandeln.
Wir schauen mit Begeisterung und grossem Interesse auf die Revoluts dieser Welt hin.“ Seit rund eineinhalb Jahren habe das Thema „Agile“ unter dem neuen CEO Johann Strobl organisationsweit Schwung aufgenommen, so Brunner. Wer Innovation als wichtig erachte, komme automatisch auf dieses Thema, sagt sie. „Der Regulator animiert uns dazu, sehr strikt mit unserer Effizienz und unseren Arbeitsabläufen umzugehen, weil wir sonst zu schwerfällig wären und scheitern würden. Ich könnte jedes Jahr im Reporting gut zwei bis drei Leute mehr brauchen. So können wir auf der Prozessseite und auf der Seite der Arbeitsweise gegensteuern und innovativ bleiben.“
Brunner ist nun seit 27 Jahren im RBI-Konzern tätig, mehr als zehn Jahre in diversen Führungspositionen. 2016 zog sie in den RCB-Vorstand ein und ist seither für Risk Management, Finance, Legal, Compliance, Operations, IT und Beteiligungen zuständig. „Das geht sich alles aus“, lacht sie, „wichtig ist, die Problemlösung dort zu halten, wo sie hingehört, und nicht zu glauben, nur weil man 27 Jahre in einer Bank gearbeitet hat, alles selbst am besten zu wissen.“ Gerade die Vielfalt habe sie gereizt. Ihre „ungewöhnlich lange Verweildauer“ führt Brunner darauf zurück, „dass ich erstens im Leben immer den Ehrgeiz hatte, die Dinge gut zu machen, und zweitens meinen Radius immer weiter ausdehnen wollte und konnte“. Spass hatte sie – und auch Erfolge. „Es braucht gute Erfahrungen, ganz sicher.“ Und man müsse schon auch fordern, „lästig und hartnäckig sein“, um an die spannenden Aufgaben heranzukommen. „So schön es ist, darauf zu warten, dass jemand kommt und einen entdeckt: Es ist ein potenziell sehr langes Warten.“
Dieser Artikel ist in unserer September-Ausgabe 2018 „Women“ erschienen.