SICH AM RIEMEN REISSEN

Stars wie Lady Gaga und Kylie Jenner tragen ihre Kollektionen. Der Erfolg kommt nicht von jeher: Hinter den kostbaren Teilen von Marina Hoermanseder stecken harte Arbeit, Disziplin – und ihr ausgeprägter Geschäftssinn.

Wo Schnallen, Gurte und Leder­zuschnitte in allen erdenklichen Farben und Formen Tische überhäufen und Lacklederkorsetts von der Decke hängen, ist Marina Hoermanseder nicht weit. Die Designerin, deren Mode von einigen der grössten Stars der Gegenwart getragen wird, lebt und arbeitet seit zwölf Jahren in Berlin.

Es war eine in New York lebende Freundin, die das Lookbook der Diplomkollektion für den Abschluss von Hoermanseders Mode-Design-Studium in den Briefkasten von Lady Gagas Stylisten gesteckt hat. Wenig ­später erhielt Hoermanseder aus dem Nichts eine E-Mail. Der Betreff: „Lady Gaga x Marina Hoermanseder.“ „Ich habe die Mail sofort geschlossen, weil ich das für einen Scherz hielt.“ Im Nachhinein beschreibt die ­junge Modeschöpferin das Ganze dann aber als „unglaublichen Moment“. Bis ­heute bezieht Lady Gaga noch Massanfertigungen von Hoermanseder, sei es für ein Fotoshooting mit dem japanischen ­Luxuskosmetikhersteller ­Shiseido oder für die New ­Yorker Pride Parade; Stars wie Nicki ­Minaj, Janet Jackson, Taylor Swift, Rihanna oder der Kardashian- bzw. Jenner-Klan zählen mittlerweile ebenfalls zum Kundenkreis der Wienerin. Auch die deutsche Digital­ministerin Dorothee Bär wurde bereits von ­Hoermanseder eingekleidet. Das Outfit, typisch „MH“ aus Latex und mit Schnallen, sorgte damals ordentlich für Aufregung.

Heute ist Hoermanseder nicht nur für ihre prominenten Kundinnen, sondern vor allem auch für ihre Kooperationen bekannt, die sie etwa mit den österreichischen Marken Swarovski und Wolford, aber auch mit dem amerikanischen Kosmetikhersteller Eos schloss. Als Aushängeschild der Berlin Fashion Week und mit ihrer beständig auftauchenden „MH-Schnalle“ hat sie sich als Designerin einen Namen gemacht. Doch wer ist sie?

Die eigene Richtung

Wäre es nach ­Marina Hoer­manseders Vater ­gegangen, ­hätte ihre Karriere einen ­anderen Verlauf genommen. Wilhelm Hoermanseder, seinerseits Vorstandsvorsitzender beim österreichischen Kartonhersteller Mayr-Melnhof, hielt offenbar nicht so viel von der Leidenschaft seiner Tochter. Diese sammelte schon früh etwa Zähne von Wildtieren, um daraus Schmuck zu basteln. „Mir bereitet das Handwerk an sich eine unglaubliche Freude. Wäre ich nicht Designerin geworden, wäre es mit Sicherheit ein anderer handwerklicher Beruf, Tischlerin zum Beispiel. Mit Glamour hat mein Job eigentlich wenig zu tun. Ich erzeuge zwar Glamour, dahinter stecken aber vor allem viel Schweiss und Arbeit“, so Marina.

Vater Hoermanseder wollte seine Tochter beim Modestudium ­finanziell nur unterstützen, wenn sie zuvor ein „vernünftiges ­Studium“ absolviert. „Also ging ich an die Wirtschaftsuniversität Wien.“ Das Studium der Internationalen Betriebswirtschaft schloss Hoermans­eder erfolgreich ab, bevor sie an der (mittlerweile geschlossenen) Berlin-­Dependance der französischen Modeschule Esmod Design studierte. Es folgte ein Praktikum bei Alexander McQueen in London, bevor sie mit ihrer Abschlusskollektion ihren Volltreffer landete.

Marina Hoermanseder
wurde in Wien geboren und studierte dort Betriebswirtschaft, bevor sie nach Berlin zog. Nach dem Modestudium war sie als Praktikantin für Alexander McQueen tätig, bevor sie ihr eigenes Unternehmen gründete. Die Marina Hoermanseder UG stellt Kleidung und Designs aller Art her. Zu ihren Kunden zählen Lady Gaga, Rihanna und Taylor Swift.
 

Die Kooperationen schätzen

Die Inspiration für die strammen Designs bekam ­Hoermanseder aber keineswegs aus der BDSM-­Szene: „Ich war schon während ­meiner Studienzeit fasziniert von der Orthopädie, besonders den Korsetts. Das nötige Handwerk dafür habe ich dann bei einem Orthopädietechniker und Sattler in Berlin erlernt.“ Mittlerweile spielt Hoermanseder auch mit den ihr zugeschriebenen Assoziationen und nutzt diese für sich, wie der aktuelle Adventkalender in Zusammenarbeit mit dem Onlineerotikshop ­Amorelie beweist. Der „Glückstreffer Gaga“ sollte Hoermanseder den Weg für weitere Meilensteine ebnen: So war Mercedes-Benz 2014 Sponsor ihrer ersten Show auf der Berlin Fashion Week. Auch die deutsche Ausgabe der Modezeitschrift Vogue wurde auf sie aufmerksam.

Kooperationen wusste Hoermanseder früh als bedeutende Einnahmequelle zu nutzen. Der Vorteil im Vergleich zum Geschäftskanal des B2B- bzw. B2C-Verkaufs liegt dabei vor allem in der verkürzten Produktionskette für Hoermans­eder selbst, die mittlerweile in einem 16-köpfigen Team von Festangestellten, Praktikanten und Freelancern agiert. In Bedarfssituationen – etwa bei einer Modenschau – wächst die Teamgrösse auf 30 Mitarbeiter an.

Immer angeschnallt

Die Schnalle, das Marken­zeichen des Labels, wird im ­Falle ­einer Zusammenarbeit als Lizenz verkauft. Einerseits ermöglicht ihr die Zusammenarbeit mit anderen Marken die Mitgestaltung an einem grösseren Produktspektrum, andererseits sei es „einfach cool“, die eigenen Entwürfe auf Champagnerflaschen oder Taschentüchern zu ­sehen. „Ich möchte Produkte in die Welt setzen, die meine Handschrift tragen, aber bezahlbar für die Allgemeinheit sind. Das sind einerseits günstigere Teile in meinem Onlineshop, wie der ‚MH‘-Pullover, aber eben auch Stücke, die in Zusammenarbeit mit anderen Marken entstehen. Mir ist bewusst, dass eine Studentin sich keinen ‚Strap-Skirt‘ für 1.500 € leisten kann – ­gleichzeitig soll sie aber auch ein Stück MH-­Luxus erleben können.“

Dass ihre hohe Bereitschaft zu Kooperationen von so manchem Branchenkollegen kritisiert wird, stört Hoermanseder nicht: „Es ist mir gleichgültig, wenn andere das nicht gutheissen. Ich will mit meinen Designs meine Community wirklich erreichen. Kooperationen in jeglicher Branche sind der totale Trend momentan. Diese Welle werde auch ich weiterhin reiten.“ Tatsächlich sind in der Mode- sowie Kosmetikbranche immer häufiger Kooperationen und „Special Editions“ von Gastdesignern zu sehen, wie etwa der Modehändler H&M schon länger ­beweist.

Best of both worlds

Die MH-Schnalle wird somit auch in Zukunft in den verschiedensten Schaufenstern zu sehen sein: so auf Pumps und Sneakers der deutschen Schuhmarke Buffalo oder auf Dessous des österreichischen Textil­konzerns Palmers. Zu Hoermans­eders liebsten Kooperationen der Vergangenheit zählen die Kollektion mit Hello Kitty 2016 sowie die Generalrevision der Arbeitsbekleidung der Österreichischen Post.

Auf die Frage, ob das Kreieren von Haute Couture und das Gewinn­erzielen manchmal zu einem inne­ren Konflikt führen, sagt Hoermans­eder: „Immer. In meiner Brust schlagen zwei Herzen: das der Unternehmerin und das der Designerin. Ich ­würde mich niemals von ­einem der beiden Berufe trennen wollen. Aber: Ich könnte niemals den Überblick über die Vorgänge in meinem Unternehmen abgeben. Da fällt es mir eindeutig leichter, auf das Talent in meinem Designteam zu ­vertrauen.“

Text: Chloé Lau
Fotos: Peter Rigaud

Forbes Editors

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