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Thomas Gottschalk bringt es auf den Punkt: „Es fällt mir schwer, die junge Generation zu verstehen.“ Damit spricht er vielen aus der Seele, denn jede Generation fremdelt mit der nächsten. „Seit ich die Bücher von Rüdiger Maas gelesen habe, fällt es mir wesentlich leichter!“ – so Gottschalk weiter.
In seinem Beitrag zeigt Generationenforscher Dr. Rüdiger Maas, warum schon Sokrates vor über zweitausend Jahren über die Jugend klagte – und warum es dabei nie um Faulheit, sondern immer um Wandel ging. Die Generation Z lehnt nicht Arbeit ab, sondern alte Muster. Sie stellt Fragen und zwingt unsere Gesellschaft, neu über Arbeit, Führung, Verantwortung und Zukunft nachzudenken.
Nun sei erstmal gesagt, eine Gruppe von Millionen Menschen lässt sich nicht auf ein einziges Merkmal reduzieren oder über einen „typischen“ Charakterzug definieren – Vielfalt, unterschiedliche Prägungen und individuelle Lebenswege jeden Einzelnen. Viel spannender ist nicht die Frage nach den vermeintlichen „Eigenschaften“ einer Generation, als vielmehr die Wirk- und Lebensräume in denen die jungen aufwachsen bzw. die älteren aufgewachsen sind. Und das geschieht und geschah komplett individuell.
ABER die meisten jungen Menschen heute, können sich z.B. ein Leben ohne Smartphone, oder Social Media gar nicht mehr vorstellen. Etwa 99.7 % aller 18-Jährigen haben eines und 95% folgen täglich Influencern. Das sind schon enorme Zahlen, die eine sehr homogene Klammer mit sich bringen, die infolge einer völlig anderen Art des Aufzuwachsens zeigen als bei den Generationen davor. Wie aber wiederum jeder einzeln damit umgeht, tickt, oder was er daraus macht, bleibt individuell. Sprich neben der veränderten Umwelt (Digitalisierung, Eltern) sind Veranlagung (Gene) sowie Persönlichkeit ebenfalls entscheidend, was jemand wie ausprägt.
„Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, […] und tyrannisieren ihre Lehrer.“
Vermutlich kennen Sie die medialen Debatten, in denen sich die ältere Generation über die jüngere echauffiert. Das Zitat stammt sehr wahrscheinlich aus der Feder des griechischen Philosophen Sokrates, der etwa 469 bis 399 v. Chr. in Athen lebte. Sokrates war die damalige Jugend ein Dorn im Auge. Über die Jahrhunderte und Jahrtausende findet man solche oder ähnliche Zitate darüber, dass sich ältere über die jüngeren echauffieren.
Ärger und Sorge über die Jungen ist ein Jahrtausende altes Phänomen, das in Zeiten von Social Media sogar nochmals Renaissance erfährt. Es scheint am Ende sogar eine anthropologische Konstante zu sein, dass Menschen die älter werden, die Jungen nicht verstehen oder deren Verhaltensweisen schlecht finden.
Vor allem in der Arbeitswelt kommt es gegenwärtig zu einer explosiven Gemengelage. Fünf Generationen, von den Babyboomern über die Generationen X, Y, Z bis zu den Jüngsten, der Generation Alpha (ab 2010 Geborene), treffen dort aufeinander. Es kommt zu Reibungen. Glaubt man Umfragen haben wir heute die faulste Jugend seit Menschengedenken, die nur fordern und wenig leisten. Doch kann das wirklich stimmen? Zuerst Mal müssen wir definieren was bedeutet faul und was fleissig, und welche Generation ist gerade fleissig und wo wäre der Referenzpunkt?
Wenn es um solche Art Befragungen geht, muss der Referenzrahmen erstmal objektivierbar sein und das ist bei Fleiss und Faulheit gar nicht so leicht. Idealerweise sollte man auch einen Methodenmix anwenden, sprich neben den quantitativen Befragungen auch qualitative Validierungen vornehmen.
ZWISCHEN MYTHOS UND MESSUNG: IST DIE JUGEND WIRKLICH FAUL?
Genau das hat das Institut für Generationenforschung gemacht und interessanterweise ergab dieses Vorgehen Ergebnisse die keine nennenswerten Unterschiede zwischen der Generationen X, Y, Z sowie den Babyboomern lieferten. Das Antwortverhalten war in diesem Fall schlicht ähnlich. Also egal wie alt wir sind bzw. egal zu welcher Generation wir gehören, wir haben zurzeit ähnliche Ansprüche was Arbeit und Freizeit für uns bedeutet. Und wann in der Geschichte der Menschheit, hat es das schonmal gegeben, dass Berufseinsteiger das Gleiche fordern, wie Menschen, die seit 20 Jahren schon in der Arbeit sind?
Die Studie konnte zudem belegen, dass 62 % der Berufseinsteiger eine völlig andere Vorstellung von der Arbeitswelt haben, als sie dann vorfinden. Für viele ältere undenkbar, was die Jugend fordert, man musste schliesslich selbst Jahre lang dafür kämpfen. Da beginnen schon die Spannungen. Fragt man junge Menschen aber nun, was ihnen am wichtigsten am Arbeitsplatz ist, wird schnell „angenehme Arbeitsatmosphäre“ (88,7%) genannt.
Natürlich will niemand das Gegenteil, bzw. wie schon erwähnt wollen wir ja alle zurzeit das Gleiche, aber mal Hand aufs Herz waren solche Forderungen vor 10–20 Jahren denkbar? Konnte sowas als erstes genannt werden?
Die verschiedenen Generationen haben teils einen unterschiedlichen Start in die Arbeit erlebt. Der soziodemographische Wandel macht es möglich, dass auch für die Jungen die Ansprüche steigen und man möchte genau das Gleiche, was nun für alle möglich ist. Vielerorts können sie sich sogar den Arbeitsplatz aussuchen und dadurch steigt der Anspruch und man ist infolge auch nun weniger zufrieden mit dem, was man bekommt.
FOBO steht für Fear Of Best Option, bedeutet dass man nicht mit der Hoffnung, den besten Arbeitsplatz gefunden zu haben, in den Berufsalltag einsteigt, sondern mit der Angst eine noch bessere Option nicht wahrgenommen zu haben. Nach dem Sinne, lieber Arbeitgeber am Ende habe ich mich für dich entschieden und nicht Du Dich für mich, beginnt man den Eintritt in die Arbeit und findet man dann nicht, dass was man sich vorgestellt hat, ist man schneller geneigt zu gehen; und das sind nicht wenige.
Vor allem, aber wenn die Vorgesetzten, Arbeitgeber und Kollegen nicht dankbar dem „Neuen“ gegenüber sind, dass man sich für sie letztendlich entschieden hat. Wenn das eben ausbleibt, wird schnell gekündigt. Die Gründe fangen hierfür bei Führung an und hören bei Überstunden auf. Und genau da clashen Welten aufeinander zwischen Alt und Jung, schlicht weil sie völlig unterschiedliche Berufseinstiege hatten und infolge unterschiedliche Arbeitshaltungen haben. Kommunikations- und Wahrnehmungsformen spielen also in der ganzen Debatte um Generationenkonflikte eine enorme Rolle, da oft die Lebenswirklichkeit der jungen Menschen nicht berücksichtig wird, basieren viele Zuschreibungen auf einer gewissen Inkommensurabilität.
WIE LÄSST SICH NUN IDEALERWEISE DAMIT UMGEHEN?
Es fängt schon damit an, einander wertfrei zuzuhören. Nur weil wir Ältere es schwer hatten, muss nicht zwangsläufig die Welt für immer leiden. Es geht am Ende nicht um besser oder schlechter, sondern um einen erweiterten Blick und da müssen beide Parteien sich aufeinander einlassen, die jungen sind ja nicht losgelöst von der Umgebung so geworden, sondern weil wir alle das am Ende auch so wollten, sprich die Jugend ist mehr oder weniger ein Spiegelbild unserer Gesellschaft.
Idealerweise werden auch die Leitungsspannen kleiner, damit man entsprechend auch genügend Zeit für die Führung hat, und ggf. auch Spannungen aus den Gruppen nehmen kann. Insgesamt braucht es aber für ein gutes Miteinander auch eine gute Rahmung und vorneherein ein grösserer Fokus auf Qualität anstatt einer erzwungenen „Quantität“, die der soziodemografische Wandel auch gar nicht mehr zulässt. Sprich wenn der Beste von den 5 Schlechten genommen wurde, kann jeder sich vorstellen, wie in so einem Fall der oder die „Neue“ sein wird. Dann doch lieber im Zweifel abwarten, oder die Prozesse umstellen, wenn man niemand „Guten“ mehr findet.
In der AID:A Studie des Deutschen Jugendinstituts 2009 wurden Fragen zu selbst wahrgenommenem Stress und Sorgen gestellt. Diese Fragen wurden 2025 vom Institut für Generationenforschung in ihrer jährlich erscheinenden Jugendtrendstudie ebenfalls abgefragt und mit den Antworten von 2009 verglichen. Dabei konnte belegt werden, dass von 2009 bis 2024 die Sorgen um 28% bei jungen Menschen gestiegen sind.
Zudem konnte belegt werden, dass junge Menschen zunehmend pessimistischer auf ihre Selbstbestimmung und Eigenverantwortung blicken. Seit 2009 ist der Anteil derjenigen, die ihr Leben als planbar empfinden, um nahezu 30 % gesunken. Gleichzeitig ist das empfundene Stressempfinden seit 2009 um 9 % gestiegen. Überforderung im Alltag und sozialer Vergleich mit anderen gehören inzwischen für viele zum Alltag – jeder Zweite berichtet von entsprechenden Belastungen.
All das zeigt, dass die jungen und älteren mehr brauchen als je zuvor, allerdings anders. Sie brauchen keine stärkere Überbehütung der Eltern, kein dennoch einstellen in der Arbeit, keine stärkere Passivität in einer Welt, in der die Älteren alles lösen, sondern vielmehr eine aktive Teilhabe, eine Welt, in der sie aktiv mitgestalten können. Denn wie die Studie auch belegen konnte, waren junge Menschen, die ein Ehrenamt begleiten viel weniger stark von dem negativen Trend betroffen. Deshalb sollten wir auch in der Arbeitswelt die Berufseinsteiger viel ernster nehmen, und das bedeutet eben nicht Fehler zu ignorieren, immer wieder Ausnahmen zuzulassen, nur zu loben und alles gut zu heissen, sondern offen und transparent zu kommunizieren. Wenn die Arbeit schlecht ist, dann sollte man dies auch zeitnah rückmelden, wenn eine Überstunde wichtig ist, dann sollte man dies ebenfalls entsprechend kommunizieren und wenn der Kandidat nicht passt, dann diesen auch nicht einstellen. Momentan sieht man aber genau das Gegenteil und das macht beide Seiten unzufrieden.
SCHLUSSFOLGERUNG
Eine differenzierte Betrachtung der Generation Z zeigt: Pauschale Vorurteile greifen zu kurz und werden der Realität nicht gerecht. Junge Talente bringen neue Kompetenzen mit. Was oft als Generationenkonflikt wahrgenommen wird, ist in Wahrheit ein Spiegel gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels, wie er sich stetig vollzieht und Unternehmen in die Pflicht nimmt, bisherige Strukturen und Führungsmodelle zu hinterfragen.
Für Organisationen besteht die Herausforderung darin, einen Raum des Austauschs, der Wertschätzung und des gegenseitigen Lernens zu schaffen. Die aktuelle Studienlage zeigt: Altersgemischte Teams bieten Potenzial für Innovation und Problemlösung, bergen aber auch mehr Konfliktpotenzial und Herausforderungen im Alltag, insbesondere bei kulturell sehr unterschiedlichen Generationen wie der Gen Z. Gerade die Generation Z schätzt oft klare Strukturen und Führung, weshalb zu offene Hierarchien und generationsübergreifende Teams durchaus häufiger zu Missverständnissen, geringerer Produktivität und erhöhtem Frust führen können. Das Chancenversprechen altersgemischter Teams realisiert sich nur unter intensiver Führung und gezieltem Kommunikationsmanagement – ansonsten steigen Reibung und Konflikte messbar an. Nur wenn die Bedürfnisse, Stärken und Entwicklungsziele aller Generationen gesehen, gefördert und ernst genommen werden, kann die Vielfalt im Unternehmen zur echten Stärke werden. Wo dieser Generationendialog gelingt, wachsen nicht nur Innovationskraft und Bindung, sondern auch die Zufriedenheit der Mitarbeitenden und der nachhaltige Erfolg des Unternehmens.
Die Zukunft gehört denen, die Wandel nicht beklagen, sondern aktiv gestalten.
ÜBER DEN AUTOR
DR. RÜDIGER MAAS ist Psychologe, Bestsellerautor und renommierter Generationenforscher. Als Gründer des Instituts für Generationenforschung in Augsburg erforscht er mit einem interdisziplinären Team, wie Wertewandel und Digitalisierung das Miteinander der Generationen in Gesellschaft und Arbeitswelt beeinflussen. Seine Studien zur Generation Z und Generation Alpha gelten als wegweisend; insbesondere die Generation-Thinking®-Methode sowie die grösste Untersuchung zur jüngsten Generation in Deutschland und der Schweiz haben wichtige Impulse in Forschung und Praxis gesetzt.
Dr. Maas ist übrigens ein gefragter Gast in TV-Talks, Podcasts und Medienbeiträgen und plädiert für einen offenen, kritischen Umgang mit digitalen Trends, deren Einfluss auf soziale Kompetenzen sowie für eine generationengerechte, nachhaltige Gesellschaft. Unternehmen, Bildungseinrichtungen und Politik profitieren von seinen praxisnahen Erkenntnissen aus Forschung, Vorträgen und Publikationen, um die Herausforderungen der Arbeitswelt zu meistern und die Potenziale der jungen Generation besser zu verstehen.
LITERATUR VON DR. RÜDIGER MAAS
Neueste Generationenforschung in ökonomischer Perspektive: reichen Generation X, Y, Z zur Beschreibung der Wirklichkeit aus? 2021, Kohlhammer Verlag.
Generation Z für Personalmanagement und Führung: Ergebnisse der Generation-Thinking-Studie. 2023, Carl Hanser Verlag GmbH Co KG.
Generation arbeitsunfähig: Wie uns die Jungen zwingen, Arbeit und Gesellschaft jetzt neu zu denken. 2024, Goldmann Verlag.
www.ruedigermaas.de
www.generation-thinking.de
Foto: ©picture alliance / teutopress)
Text: Dr. Rüdiger Maas