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Ein milliardenschweres Vermögen zu erarbeiten ist schwer, es zu behalten noch schwerer; Reichtum über mehrere Familiengenerationen zu behalten ist fast unmöglich. Doch genau dieses Kunststück will die Focam AG schaffen: Unter der Führung von Christian Freiherr von Bechtolsheim berät sie Familien, die ihr Geld wirklich langfristig vermehren wollen.
Kevin David Lehmann, Erbe der Drogeriekette DM, wurde vor Kurzem mit 18 Jahren der jüngste Milliardär der Welt. 3,3 Milliarden US-$ sind die Anteile wert, die ihm sein Vater Günther Lehmann vermachte. Lehmann ist nur ein Beispiel für einen anhaltenden Trend im deutschsprachigen Raum: Die Babyboomer-Generation, die das deutsche Wirtschaftswunder schuf, zieht sich altersbedingt aus dem aktiven Wirtschaftsleben zurück – und hinterlässt ihren Erben dabei gigantische Summen.
Doch diese werden nicht immer vermehrt: Laut der US-amerikanischen Vermögensberatung Williams Group verlieren wohlhabende Familien in der zweiten Generation rund 70 % ihres Vermögens, bei der Generation der Enkelkinder sind die Mittel im Schnitt zu 90 % aufgebraucht. Genau dieses Szenario wollen die Erblasser unter allen Umständen verhindern – nicht zuletzt deshalb wuchs die Zahl der Familienvermögensverwalter in Deutschland von null im Jahr 1992 auf über 400 im Jahr 2020. Gemessen an der Bevölkerungsgrösse ist aber ein Nachbar führend: die Schweiz. Mit rund 400 Family Offices zählt das deutlich kleinere Land genauso viele wie Deutschland. Europaweit gehen Schätzungen von rund 4.000 solcher Family Offices aus.
Auch die Frankfurter Focam AG widmet sich dem Thema: Als Multi-Family-Office betreut Focam bei der Vermögensverwaltung nicht nur eine vermögende Familie, sondern gleich mehrere. Die Eintrittsschwelle ist hoch: Potenzielle Kunden können erst mit einem Vermögen von über 30 Millionen € einsteigen. Heute verwaltet Christian Freiherr von Bechtolsheim von einem klassizistischen Stadthaus in Frankfurt mit Blick auf den Main aus mit seinen 20 Mitarbeitern das Vermögen von 44 reichen Familien. Die Assets under Management betragen rund zwei Milliarden €, der eigene Umsatz beträgt zwischen sieben und neun Millionen €. Bechtolsheims Familie und einer gemeinnützigen Stiftung gehören je knapp über 30 % des Betriebs.
Freiherr von Bechtolsheim, der Leiter von Focam, weiss genau, wo die Schwierigkeiten in besagtem Themenfeld liegen, denn seine Familie hat am eigenen Leib erfahren, was es heisst, wenn man sein Vermögen verliert. Obwohl Adelsname und -herkunft anderes erwarten lassen: Bechtolsheim musste sich sein Unternehmen selbst aufbauen: „Mein Vater kehrte aus dem Krieg zurück, das Familienvermögen war im Wesentlichen weg. Als Aristokraten, die damit gross geworden waren, man müsse sich um das Wirtschaften nicht kümmern, sah es für meine Familie und mich nach dem Krieg finanziell dann ganz anders aus. Ich musste mir ein bürgerliches Erwerbsleben aufbauen“, schildert Bechtolsheim. Der wirtschaftliche Aufstieg gelang über Bildung – Bechtolsheims Familie sandte ihn im letzten Jahr vor seinem Abschluss auf eine Privatschule, bei der man „aufs Abitur hingeprügelt wird, wenn man vorher zu nichts getaugt hat“. Eigentlich hätte Bechtolsheim nach seinem Abitur gerne Philosophie oder Kunstgeschichte studiert, doch die Familie intervenierte. Bechtolsheim: „Ich sollte ‚etwas Gescheites‘ lernen, etwas, das mir den Broterwerb sichert.“ Also studierte der heutige Unternehmer auf der Ludwig-Maximilians-Universität München Betriebswirtschaft. Er wusste nach seinem Abschluss 1987 jedoch immer noch nicht so recht, welchen Weg er einschlagen sollte. Bechtolsheim bewarb sich daraufhin bei der deutschen Matuschka Group, dem damals grössten Vermögensverwalter Europas. Prestige und die Hoffnung auf eine gute Karriere waren ausschlaggebend für den Schritt.
Seitdem kam Bechtolsheim aus der Tätigkeit der Vermögensverwaltung nicht mehr heraus. Er übernahm leitende Funktionen bei der Hypo Vereinsbank, der Dresdner Bank und war von 1996 bis 2000 Direktor der Vermögensverwaltungstochter des damaligen DG-Bank-Konzerns. Gleichwohl veränderte sich die Bankenwelt, in der Bechtolsheim aufstieg, in eine für ihn unangenehme Richtung. „Als Finanzprodukte wie Tupperware-Schüsseln verkauft wurden, weil es angeblich der internationale Wettbewerb erforderte, begann ein Umdenken. Banker wurden zu Verkaufsmaschinen“, so Bechtolsheim. Also richtete er sich neu aus. Zwei Freunde, ein Assetmanager aus Frankreich und Andreas Jacobs – der Erbe eines milliardenschweren Kaffeeimperiums –, rieten Bechtolsheim, etwas Eigenes zu starten. Sie gaben ihm die nötigen Finanzmittel, im Jahr 2000 öffnete Focam seine Pforten.
Christian Freiherr von Bechtolsheim
...ist studierter Betriebswirt. Seit dem Jahr 2000 ist er Gründer und Vorstandssprecher des Vermögensverwalters Focam.
Bechtolsheim erkannte eine Umkehr im Verhalten der Familienunternehmer: Statt das erarbeitete Kapital von einer Bank verwalten zu lassen, entscheiden sich reiche Familien zunehmend für Family Offices, die nur eine überschaubare Anzahl an Kunden haben. Dabei sind die Ansätze unterschiedlich: Die einen kennen sich auf den Kapitalmärkten aus, andere sind Experten im Bereich der Steuerberatung. Focam kommt aus der Kapitalmarktecke, der Betrieb deckt als Anlageformen Immobilien, Private-Equity-Fonds sowie Forstwirtschaft ab. Insbesondere zu Letzterem gebe es nur wenig Expertise, so Bechtolsheim. Zu seiner Investmentstrategie sagt der Vermögensverwalter, sie beruhe im Wesentlichen auf Kapitalerhalt sowie strategischen und manchmal opportunistischen Möglichkeiten am Markt. Coronabedingt setzte er einen stärkeren Fokus auf Wachstumsunternehmen und im Falle von Zinserhöhungen auf Zykliker – Unternehmen am Aktienmarkt, die eine wellenförmige Nachfrage ihrer Produkte erleben.
Über seine Kunden kann Bechtolsheim nur so viel sagen: Sie sind sehr divers. Vom strenggläubigen Katholiken bis zum Grünwähler sei alles dabei. Über Details wird in der Branche geschwiegen, was sich auch auf andere Bereiche auswirkt. So trifft Bechtolsheim potenzielle Focam-Mitarbeiter bis zu 20 Mal, bevor er sie einstellt. Die richtigen Mitarbeiter sind in diesem Feld essenziell, denn das Unternehmen wird auch in kritischen Momenten aktiv: Bei einem Kunden trat einmal ein unerwarteter Todesfall ein, woraufhin Bechtolsheim die Testamentsvollstreckung und die dazugehörige Abgabe der Erbschaftssteuer übernehmen musste.
Als nächsten Schritt peilt Bechtolsheim Direktbeteiligungen an Unternehmen an, denn viele der Familien besitzen bereits Aktien, Anleihen und Immobilien, würden jedoch gerne wieder Unternehmensanteile an Mittelständlern halten. Sein eigenes Geschäft läuft gut. Wenn Bechtolsheim ein grosses Problem hervorheben müsste, das Vermögen verschwinden lässt, nennt er Dynamiken und Streitigkeiten in der Familie – Liebesentzug und Eifersucht. Diese führen dann zu Konflikten und daraufhin zur Auflösung der Vermögen. Bechtolsheims Kunden vertrauen darauf, dass er sie vor einem solchen Schicksal bewahrt.
Text: Muamer Bećirović
Fotos: Focam AG
Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 4–21 zum Thema „Geld“.