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OpenEvidence, ein auf Künstliche Intelligenz spezialisiertes Unternehmen für medizinische Fachanwendungen, hat in einer neuen Finanzierungsrunde 210 Mio. US‑$ erhalten. Die Bewertung liegt damit bei 3,5 Mrd. US‑$, ein Anstieg gegenüber 1 Mrd. US‑$ im Februar 2025. Das Unternehmen wurde 2022 von Daniel Nadler und Zack Ziegler gegründet.
Ziel von OpenEvidence ist die automatisierte Auswertung medizinischer Fachliteratur. Die KI-Plattform durchsucht Millionen von peer-reviewed Studien, darunter Veröffentlichungen aus Fachzeitschriften wie dem New England Journal of Medicine oder der Journal of the American Medical Association (JAMA). Die Software liefert präzise Suchergebnisse mit Quellenangabe. Sie ist kostenlos für approbierte Ärzt:innen zugänglich und finanziert sich über Werbung.
Aktuell nutzen rund 430.000 registrierte Mediziner:innen in den USA das System – rund 40 % aller praktizierenden Ärzt:innen im Land. Monatlich kommen etwa 65.000 neue Nutzer:innen hinzu. Die Anwendung wird derzeit in rund 8,5 Mio. Konsultationen pro Monat eingesetzt. Der geschätzte annualisierte Werbeumsatz liegt laut Unternehmensangaben bei 50 Mio. US‑$.
OpenEvidence wurde von Nadler mit rund 10 Mio. US‑$ Eigenkapital finanziert. Er hält rund 60 % der Unternehmensanteile. Forbes schätzt sein Vermögen auf 2,3 Mrd. US‑$. CTO Zack Ziegler besitzt ca. 10 %, entsprechend einem Anteil im Wert von 350 Mio. US‑$.
Zu den Investor:innen zählen GV (Google Ventures), Kleiner Perkins, Coatue, Conviction und Thrive Capital. John Doerr, Chairman von Kleiner Perkins, bezeichnete das Modell als potenziellen Standard in der medizinischen Informationssuche.
Die zugrunde liegende Marktlogik ist die steigende Unübersichtlichkeit medizinischer Forschung: Pro Jahr erscheinen Millionen neuer Studien. Viele sind veraltet, widersprüchlich oder nicht klinisch relevant. Gleichzeitig nimmt der Zeitdruck für Ärzt:innen durch zunehmende Patientenzahlen und Fachkräftemangel zu. KI-gestützte Tools zur Literaturauswertung gelten daher als Wachstumskategorie im Healthtech-Sektor.

OpenEvidence unterscheidet sich von bestehenden Angeboten wie UpToDate durch die vollständige KI-Integration seit Gründung. Die Software ist nicht als diagnostisches Werkzeug klassifiziert und unterliegt daher nicht der FDA-Zulassungspflicht. Eine separate Vertriebsschiene über Krankenhäuser entfällt, da die Nutzung direkt über Browser oder App erfolgt.
Ein neues Modul namens DeepConsult soll ärztliche Entscheidungsprozesse durch sogenannte „Reasoning Models“ unterstützen – also durch KI-Modelle, die medizinische Zusammenhänge schrittweise analysieren. Ziel ist eine präzisere Einordnung von Studienergebnissen bei komplexen Fragestellungen. Eine internationale Expansion wird vorbereitet, zunächst fokussiert sich das Unternehmen jedoch weiter auf den US-Markt.
Das Unternehmen ist Teil des Mayo Clinic Accelerator Programms und arbeitet eng mit medizinischen Einrichtungen zusammen. Laut Angaben von Coatue-Mitgründer Thomas Laffont könnte OpenEvidence künftig zu einer Plattform werden, die weitere klinische Tools integriert – etwa Patientendaten, Laborwerte und externe Geräte wie Blutzuckermesssysteme.
Text: Amy Feldman
Fotos: imdb und OpenEvidence