Not For Everyone

Roger Dubuis baut keine Uhren für jedermann – und will das auch gar nicht. CEO David Chaumet verfolgt einen kompromisslosen Plan: Die Genfer Manufaktur soll nicht nur für technische Exzellenz stehen, sondern mit «Hyper Horology» eine eigene Kategorie innerhalb der Luxusuhrenwelt begründen. Ganz einfach wird das nicht.

David Chaumet empfängt uns in einem hellen Meetingraum, der mit ­Sorgfalt eingerichtet ist, dabei aber keineswegs protzt. Die reduzierte Optik steht im Kontrast zum expressiven Charakter des Produkts, das der CEO von Roger Dubuis seit 2024 verantwortet. Vor ihm liegt eine «Excalibur Monobalancier», eine skelettierte Uhr, die das Innerste der Technik offenbart, die in dem Zeitmesser steckt. Die Designs von Roger Dubuis beschreibt Chaumet gerne als «ausdrucksstark».

Roger Dubuis, gegründet 1995 vom gleichnamigen Uhrmacher, war nie auf breite Käuferschichten ausgelegt. Exklusivität und handwerkliche Konsequenz prägten die Marke von Anfang an. Chaumet, der bereits zwischen 2008 und 2019 Führungsrollen bei Roger Dubuis innehatte und danach fünf Jahre CEO bei der Richemont-Schwestermarke Baume & Mercier war, kehrte im Juni 2024 zurück – mit geschärftem Blick für Differenzierung und Nischenpositionierung.

«Wenn man die Uhr trägt, entdeckt man je nach Licht ständig neue Details. Es ist wie im Theater: vor der Bühne, auf der Bühne, hinter der Bühne – quasi eine Inszenierung auf meh­reren Ebenen», sagt Chaumet, während er ein «Excalibur»-Modell mit ewigem Kalender in die Hand nimmt.

Insbesondere die «Excalibur»-Kollektion ist bekannt für ihre Skelettierung und ihre skulpturale Anmutung. Zifferblätter gibt es praktisch nicht – stattdessen offen gestaltete Kaliber, bei denen jedes Bauteil gestalterisch mitgedacht ist. Materialien wie Kobaltchrom, Titan oder karbonverstärkte Keramik betonen den technischen Anspruch. Die Marke inszeniert ihre Innovationen konsequent als visuelle Erlebnisse. Die Grenzen des Machbaren sind dabei eher Ausgangspunkt als Limit.

Das hat seinen Preis: Die Modelle beginnen bei rund 50.000 CHF und reichen bis knapp 700.000 CHF. «Wir sind nicht für jedermann. Das wollen wir auch gar nicht sein», sagt Chaumet.

Umsatzseitig lag die Marke laut einem Report von Morgan Stanley und Luxeconsult 2024 bei rund 61 Mio. CHF – was sie innerhalb von Richemont eher im Mittelfeld positioniert. Gegenüber dem Vorjahr dürfte das auch ein kleines Umsatzminus bedeutet haben. Chaumet kommentiert grundsätzlich keine Zahlen, betont aber, dass Verknappung nicht unbedingt etwas Schlechtes sein muss: «Wir bleiben exklusiv.»

In mechanischer Hinsicht ist die Marke weitgehend unumstritten. Ein zentrales Qualitätsmerkmal ist der «Poinçon de Genève»: Die Anforderungen an Präzision und Verarbeitung sind hoch, die Prüfung erfolgt unabhängig. Alle Zeitmesser von Roger Dubuis erfüllen diese Norm – ein Aufwand, der sich kaum automatisieren lässt. «Der Poinçon de Genève ist für uns nicht nur ein Siegel, sondern eine Verpflichtung – zu Qualität, zu Präzision, zu Handarbeit», sagt Chaumet.

Neben der technischen Qualität ist das Herzstück der neuen Strategie namens «Hyper Horology» vor allem der Anspruch auf radikale Expressivität – keine flachen Zifferblätter, sondern dreidimensionale Konstruktionen, die Technik und Design vereinen. «Unsere Uhren sind Statements, technisch und visuell. Nichts daran ist flach oder eindimensional», sagt Chaumet.

Bereits bei der Gründung durch Roger Dubuis – der zuvor Stationen bei Longines und Patek Philippe absolviert hatte – stand das Ziel im Raum, klassische Haute Horlogerie mit Avantgarde zu verbinden. Unterstützt wurde Dubuis vom Unternehmer Carlos Dias, der für das Design und die Markenführung verantwortlich war; als stiller Teilhaber gesellte sich der Syrer Akram Aljord hinzu, der einst Generalimporteur von Cartier in Dubai war. Wobei «unterstützt» wahrscheinlich zu wenig stark ausdrückt, wie mächtig Dias war: Laut Medienberichten hielt Dias 60 %, Aljord 40 %. Ob Roger Dubuis selbst Anteile hielt, ist unklar – manche Quellen nennen rund 10 %, andere führen ihn beim Verkauf an Richemont nicht mehr als Anteilseigner auf. Das Unter­nehmen selbst wollte dazu keinen Kommentar abgeben.

Anfang der 2000er-Jahre zählte Roger ­Dubuis zu den aufregendsten Marken der Haute Horlogerie: ein Genfer Haus, das traditionelle Uhrmacherkunst aufgriff und in die dramatische Formensprache des 21. Jahrhunderts übersetzte. Technisch war die Marke sowieso schon state of the art: Von Anfang an erfüllte die gesamte Produktion die Kriterien des Poinçon de Genève – ein Novum unter unabhängigen Marken. 2005 setzte sich Dubuis jedoch zur Ruhe, womit die Balance bis zu einem gewissen Grad aus den ­Fugen geriet: Dias wollte expandieren und noch expressivere Designs kreieren. Er plante den Aufbau einer vollintegrierten, deutlich vergrösserten Manufaktur, die Marke wuchs schnell – manche Beobachter fanden: zu schnell. Technische Probleme, Überproduktion, unternehmerische Verluste und die anstehende Finanzkrise führten im August 2008 schliesslich dazu, dass Dias seine 60 % an Richemont verkaufte. Der Preis wurde auf 150 Mio. CHF geschätzt.

Dias verliess das Unternehmen nach der Übernahme, während Dubuis wenig später als Berater zurückkehrte. 2016 kaufte Richemont die restlichen Anteile (laut Schätzungen in Medienberichten für rund 60 Mio. CHF von Aljord). Unter neuer Führung fing die Marke wieder an, zu alter Stärke zurückzufinden.

«Wir müssen kühn bleiben – sonst verlieren wir das, was Roger Dubuis ausmacht.»

David Chaumet, 
CEO von Roger Dubuis

Chaumet selbst kam erst deutlich später zum Unternehmen; für ihn ist lediglich wichtig, dass der Geist der Gründer bewahrt bleibt. Denn bis heute ist die Kombination der beiden Charaktere eine gute Richtschnur für Roger Dubuis: «Dubuis liebte elegante Komplikationen mit ­einem Twist, Dias war auf kühne Designs fokussiert.» Diese Dualität will der Manager weiter­führen – quasi «Technik mit Charakter».

Heute sieht sich die Marke als Innovator im Luxussegment – mit einer eigenen Sprache jenseits klassischer Codes; denn nur Rebell zu sein ist Chaumet zu wenig. So wird auch der bisherige Slogan «No Rules, Our Game» nun ab­­gelöst, denn dieser fühlt sich nicht mehr zeitgemäss an. Vielmehr soll der Fokus auf «Hyper Horology» geschärft werden.

Das wird aber nicht ganz einfach, denn der Markt für Luxusuhren ist komplexer geworden: Während das Exportvolumen stagniert, steigen die Durchschnittspreise. 2023 exportierte die Schweiz Uhren im Wert von fast 26 Mrd. CHF. Das stärkt grosse Marken – und eröffnet Raum für Hersteller mit klarer Handschrift. Roger Dubuis gehört zweifellos dazu; auch – oder gerade – innerhalb eines Konzerns wie Richemont. In einem Markt, der zunehmend von Skalierung und Synergien geprägt ist, positioniert sich die Marke als Gegenpol: laut, kantig, limitiert. Kein Produkt für Einsteiger, sondern für Sammler mit Standpunkt.

Während andere versuchen, ihre Modelle zu glätten, um eine breitere Kundenbasis anzu­sprechen, sucht Roger Dubuis gezielt Reibung. In einer Zeit, in der Luxus oft mit Understatement gleichgesetzt wird, setzt die Marke auf Sichtbarkeit. Das ist riskant – es scheint sich aber auszuzahlen, denn die Kunden sind unterschiedlicher, als man denken mag. Eine gewisse Affinität sei da, so Chaumet, Erstkäufer einer Luxusuhr landen aber selten bei Roger Dubuis. Doch Uhren­fans wollen ein Modell in der Sammlung haben – und 35 % der Käufer sind weiblich.

Und auch in Sachen Kooperationen wagt Roger Dubuis neue Wege: Einen Tag nach dem Besuch von Forbes präsentierte die Marke das dritte Modell mit dem Tattookünstler Dr. Woo. Dabei folgt das Design einer Geschichte, die sich im Weltall abspielt, inklusive Raketen und Sternen. Preispunkt? 180.000 US-$.

Chaumet spricht über den Wunsch, mit Kunden mehr zu schaffen als ein Produkt: «Unsere Kunden wollen nicht nur kaufen, sie wollen mit uns gemeinsam etwas schaffen.» Ein Beispiel ist das «Rarities»-Programm – personalisierte Einzelstücke, gemeinsam entwickelt. Beim Rundgang durch die Manufaktur zeigt sich, was das bedeutet: Vom Polieren einzelner Zahnräder bis zur Wahl des Materials – jede Entscheidung zielt auf das Besondere. «Unsere Kunden wollen Geschichten, keine blossen Uhren. Sie wollen wissen, wer ihr Stück gefertigt hat», sagt Chaumet. Trotz aller Innovationslust bleibt der Bezug zur Tradition erhalten: «Wir werfen nicht alles über Bord, was in der Vergangenheit war. Vielmehr verwenden wir das Beste davon, um die Zukunft zu gestalten», betont Chaumet.

Am besten lässt sich die Mission vielleicht mit der Gravur beschreiben, die sich auf der Rückseite der Uhr findet, die Chaumet ganz zu Beginn in der Hand hatte: die «Roger Dubuis Excalibur Biretrograde», die zum 30. Jubiläum der Marke lanciert wurde. Dort steht, in feiner Schrift: «C’est une montre actuelle, inspirée mais pas soumise au passé, qui se projette dans un futur qui nous appartient.» Übersetzt heisst das so viel wie: «Das ist eine zeitgenössische Uhr – inspiriert von der Vergangenheit, aber nicht an sie gebunden und mit dem Blick auf eine Zukunft, die uns gehört.»

David Chaumet startete seine Karriere beim Ölkonzern Total. 2008 kam er zu Roger Dubuis, wo er zuletzt als Senior Managing Director Asia Pacific tätig war. 2019 wurde er CEO der Richemont-Schwestermarke Baume & Mercier, seit Juni 2024 ist er CEO von Roger Dubuis.

Fotos: Sébastien Agnetti

Klaus Fiala,
Chefredakteur

Up to Date

Mit dem FORBES-NEWSLETTER bekommen Sie regelmässig die spannendsten Artikel sowie Eventankündigungen direkt in Ihr E-mail-Postfach geliefert.