Neues Leben für alte Räume

Oliver Jan Meyer, Mitgründer und CEO von Storabble, will im deutschsprachigen Europa ungenutzte Flächen als Lagerräume wiederbeleben. Seine Vision ist ein dezentrales Netzwerk, in dem Tausende leer stehende Kellerräume den Eigentümern und Meyers Firma automatisiert Geld einbringen.

Ehrgeizige Firmenchefs gehen gerne wandern. Täler durchschreiten, Gipfel erklimmen, Herausforderungen schrittweise meistern – eine Alpenlandschaft kann einem Unternehmer manchmal mehr beibringen
als ein Managementseminar. Das findet auch Oliver
Jan Meyer, der Mitgründer des Schweizer Start-ups Storabble: Diesen September wanderte der Jung­unternehmer durch das Wallis und biwakierte mit seiner Freundin im Schlafsack unter freiem Himmel. Die alpine Romantik störten ein Platzregen und die ­be­ginnende Jagdsaison; dennoch wollte der 26-Jährige die Tour nicht abbrechen. Wie in den Bergen geht es auch in der Geschäftswelt auf und ab – wichtig ist aber, das Ziel im Auge zu behalten.

Geschäftlich geht es bei Meyer stetig bergauf. Vor zwei Jahren gründete er mit seinem Geschäftspartner Sandro Kalbermatter das Start-up Storabble. Die Idee: Jeder grosse Immobilieneigentümer hat Liegenschaften im Portfolio, in denen kleine Flächen leer stehen und ungenutzt bleiben, oft über Jahre – aus der Möglichkeit, mit diesen Leerständen Geld zu verdienen, entwickelte sich das Konzept von Storabble. Zu den Kunden zählen professionelle Anbieter von Self-Storage-Lagerboxen oder Garagen, aber auch Immobilieneigentümer und Verwaltungen, die einen Immobilienbestand im Wert von Hunderten Mio. CHF verwalten. Was die Klienten eint: Sie verfügen über viele „tote“ Räume – deren ­Wiederbelebung sich allerdings kaum rentiert: Kein Manager will sich mit einem einzelnen Kellerabteil ­befassen oder Lagerräume von 20 Quadratmetern ­verwalten, wenn er im Alltag millionenschwere Mietverträge über Büro- oder Gewerbeimmobilien abschliesst. Hier kommen Meyer und sein Partner ins Spiel: Ihre Firma bietet einen Komplettservice an, sucht Mieter, kümmert sich um die Abwicklung; installiert sogar Schlösser, die sich mit dem Smartphone öffnen lassen. Diese Innovation hat Meyers Mitgründer San­dro Kalbermatter ent­wickelt, der in dem Zwei-Mann-­Betrieb für die tech­nische Umsetzung und Entwicklung zuständig ist.

Namhafte Investoren sind von der Idee überzeugt, ­unter ihnen Roland Brack aus der TV-Gründershow „Die Höhle der Löwen“. Inzwischen expandierte Storabble auch nach Deutschland und Österreich – seitdem haben jeden Monat rund 16.000 Nutzer auf der Storabble-Webseite nach Räumen gesucht oder den Service genutzt. Zu den wichtigsten Kunden gehören Livit und Wincasa, die beiden führenden Immobilien­verwaltungen in der Schweiz. Meyer sagt: „Unser Geschäft bietet allen Seiten nur Vorteile“ – ­Eigentümer können ungenutztes Kapital kommerzialisieren und ihre Verwaltungen entlasten, weil Storabble das gesamte Management übernimmt; Mieter können unkompliziert Waren und Besitztümer in ihrer Nachbarschaft zwischenlagern; und Meyers Firma verdient durch die Vermittlung, indem sie Aufschläge von bis zu 20 % auf den monatlichen Mietpreis einnimmt.

Die Kunden suchen meist dann nach Lagerflächen, wenn es zu einschneidenden Ereignissen im Leben kommt. In der Branche, so Meyer, spreche man von den „vier Ds“: „Death“, „Divorce“, „Downsizing“ oder „Dislocation“. „Die Mieter sind oft superdankbar, dass wir eine Lösung anbieten können“, sagt Meyer. Manchmal sind es Erbstücke, die für ein paar Monate zwischen­gelagert werden müssen; in anderen Fällen macht geschäftlicher Erfolg in Kombination mit dem in Städten üblichen Platzmangel ein zusätzliches Lager notwendig. Meyer erzählt von einem Zürcher Handwerker, der Bilder­rahmen anfertigt und sein Material in einem Kellerabteil einer Immobilie von Swiss Finance & Property (SFP) lagert.

Das Haus besteht aus Apartments, im Erdgeschoss sind Arztpraxen untergebracht – und im Keller gibt es Lagerraum, der bislang ungenutzt blieb. Nun bekommt SFP ohne grösseren Aufwand jeden Monat rund 500 CHF für die einst „tote Fläche“. Meyer sagt, Unternehmen mit einem Immobilienportfolio im Wert von 20 Mrd. CHF verpassen rein rechnerisch pro Jahr rund zwei Mio. CHF an Einnahmen durch Leerstände. Darum konzentriert sich Meyer auf Grosskunden und hofft: Sind sie einmal an Bord, werden sie bleiben. Aktuell vermietet das Start-up 100 Räume, noch in diesem Jahr sollen es 500 sein.

Aufgewachsen im Aargau absolvierte Meyer zunächst eine kaufmännische Ausbildung in einer Bank. Es folgten ein Studium an der Universität in St. Gallen und die Gründung von Storabble. Meyer sagt: „Mich hat schon früh fasziniert, wie man Lösungen für Probleme findet – diese Idee steht ja auch hinter dem Konzept der Firma.“ Seit der Gründung konnte das Start-up 335.000 CHF an Kapital einsammeln. „Unser Ziel ist es, dass wir bald profitabel werden und dennoch schnell wachsen können“, sagt Meyer.

Schon jetzt setzt er bei allen Prozessen auf Zukunftstechnologien. Künftig soll die Automatisierung die gesamte Verwaltung noch effektiver und somit profitabler machen. „Mit unseren Tools können wir die Objekte einfach aus der Ferne verwalten“, sagt Meyer. Die Besichtigung erfolgt per Youtube-Video, die Kommunikation ist automatisiert, die Schlösser werden technologisch gesteuert. Meyers Traum ist es, Storabble zu einem riesigen automatisierten Netzwerk auszubauen. In der Stadt der Zukunft wäre dann jedes freie Objekt in Echtzeit sichtbar und könnte umgehend als Lager genutzt werden. „Das wird genial“, freut sich Meyer. Er ist überzeugt, dass er mit seinem Start-up
die urbane Zukunft mitgestalten kann.

Das ist zumindest die Vision des Gründers. Noch mag seine Zwei-Mann-Firma kleine Schritte machen, aber auch die können sicher ans Ziel bringen – jeder Alpenwanderer kann das bestätigen.

Foto: Storabble

Reinhard Keck

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