Naturschutz als Geschäftsmodell

Mit der Ames Foundation will Lea Henzgen im grossen Stil Lebensraum für bedrohte Tierarten in Afrika schützen. Dabei möchte sie unternehmerisch denken, anstatt „nur“ klassische Naturschutzarbeit zu leisten. Bis 2035 soll eine Million Hektar Land unter Schutz stehen – finanziert durch ein neues Investmentmodell, das Profit und Naturschutz verbindet.

Das Aussterben von Tierarten, grundsätzlich ein natürlicher Prozess, wird durch den Menschen zunehmend beschleunigt. Über 17.800 gefährdete Tierarten stehen mit Stand 2024 auf der Roten Liste der IUCN, der Internationalen Union zur Bewahrung der Natur. Die Bedrohungen sind meist menschengemacht: Landwirtschaft, Bergbau oder Städte, die Erderwärmung, Umweltverschmutzung, eingeschleppte, ­invasive Arten – all das verkleinert den Lebensraum vieler Tierarten.

Dazu kommen Überfischung und Wilderei: Laut dem Umwelt­ministerium Südafrikas wurden 2023 in dem Land (in dem mit Abstand die meisten Nashörner auf dem Planeten leben) fast 500 Nashörner illegal getötet. Das ist deutlich weniger als die über 1.200, die 2014 getötet wurden, doch seit einem letzten Rückgang der Abschussquote im Jahr 2020 steigt die Zahl wieder an. Nashörner sind aufgrund ihres Horns auf dem Schwarzmarkt besonders begehrt, sagt Lea Henzgen: „Das Nashorn-Horn ist aktuell der teuerste Rohstoff der Welt“, so die Gründerin der Ames Foundation, die Tierarten in Afrika vor dem Aussterben retten möchte. Ein Kilo­gramm des Materials kostet rund 65.000 US-$. Das ist deutlich mehr als Gold und nur etwas weniger, als Kokain in West- und Zentral­europa am Schwarzmarkt erzielt. Oft ­werden Hörner als Statussymbol gekauft, oder zur Verwendung in der traditionellen chinesischen Medizin, erklärt Henzgen.

Zu verhindern, dass genau so etwas passiert, ist die Mission der Ames Foundation. Aktuell stehen rund 2.000 Hektar unter dem Schutz von Ames, in zehn Jahren sollen es eine Million Hektar sein. Verträge für 7.500 Hektar mit dem Potenzial, dieses Gebiet in den nächsten drei Jahren auf 100.000 Hektar zu erweitern, sind in der finalen Phase, so Henzgen, und sollen bald dazukommen. Und: Henzgen und ihr Team wollen jetzt nicht mehr „nur“ auf Kooperationen mit Bevölkerung und Vereinen vor Ort setzen, sondern auch auf finanzielle Innovationen.

Die Arbeit von Ames manifestiert sich auf verschiedene Weisen: Der Kern der Arbeit ist der Schutz von Lebensraum. „Der ganz grosse Hebel, das, was eigentlich am wichtigsten ist, ist, Lebensraum zu schützen“, sagt Henzgen. Ames kauft Land (10 % der aktuell ­geschützten Fläche gehören Ames), geht Co-Besitz-Modelle ein (20 %) oder schliesst Partnerschaften mit be­stehenden Landbesitzern (70 %).

Um den Lebensraum der Tiere besser zu schützen, setzt Ames Technologien ein. Dazu gehören etwa Drohnen, die ein sogenannter Guardian gespendet hat und deren Software von einem anderen ent­wickelt wurde – ein gutes Beispiel dafür, dass die Guardians auch eine Community sind, so Henzgen. Es gibt auch „Rewilding“-Projekte, bei denen bedrohte Tierarten wieder in die Wildnis integriert werden, wie etwa die Rotgesicht-Hornraben, von denen laut Wildlife Act in Südafrika nur noch rund 1.500 in der Wildnis existieren.

Ausserdem möchte Ames Geschäftsmodelle etablieren, die nachhaltig zur Profitabilität von Artenschutz führen: Mit dem kürzlich gestarteten Ames Habitat Fund will Henzgen nun im grossen Stil in Lebensraum investieren. Anders als bei Spenden können Investoren des Fonds auch monetäre Renditen erwarten. Die Idee: Wenn Natur profitabel wird, schützt man sie eher. Vor allem Ökotourismus soll die Einnahmequelle sein, aus der diese Renditen bezahlt werden. Daneben möchte Henzgen durch den Handel von CO2-Zertifikaten und ver­einzelt durch den Verkauf von ­Immobilien in Naturreservaten Geld für den Fonds verdienen.

Und: Ames möchte in den nächsten Jahren einen Markt für Biodiversitätszertifikate aufbauen. „Carbon Credits spiegeln im Endeffekt nur eine Komponente der Umwelt wider“, so Henzgen. Das Projekt stecke noch in den Kinderschuhen, doch Ames arbeite mit Partnern daran, und die Gründerin ist zuversichtlich: „Langfristig kann das auch für Versicherungen oder andere Finanzinstitute interessant sein.“

Aufgewachsen ist Henzgen auf einem Bauernhof in der Eifel. Schon als Kind ist sie viel mit Tieren in Kontakt gewesen. 2020, während ihres Masterstudiums in Management, gründete sie mit Freunden die Ames Foundation, zunächst als Neben­projekt. „Das ist dann sehr organisch gewachsen“, schildert Henzgen die ersten Jahre.

Heute spenden über 200 Guar­dians regelmässig an Ames, so die Gründerin, was zu jährlichen wiederkehrenden Einnahmen zwischen 800.000 und 900.000 € führt. Grundsätzlich versucht Henzgen den Guardians zu erklären, dass eine Non-Profit-­Organisation wie Ames nicht nur einmalige ­Spenden braucht, sondern vor allem auf ­regelmässiges Geld angewiesen ist. Einmalspenden seien aber auch möglich, „und falls jemand kleinere Summen spenden möchte, haben wir einen Spendenlink“, so die Gründerin. Über 85 % der Spenden fliessen direkt in Projekte in Afrika, sagt sie. „Es war uns von Anfang an enorm wichtig, dass wir keinen grossen Wasserkopf aufbauen“ – es soll möglichst wenig Geld in die Ad­ministration fliessen, damit mehr
für den Artenschutz übrig ist.

Lea Henzgen versucht, drei bis vier Monate im Jahr vor Ort in Afrika bei ihren Projekten mitzuhelfen.

Die Stiftung arbeitet mit einem Leadership-Team aus neun Personen, von denen sieben Mitgründer sind, die alle ehrenamtlich arbeiten. Dazu kommen zwei Angestellte. In Südafrika beschäftigt Ames 22 Mitarbeiter direkt, wie etwa die Anti-Wilderer-Einheiten. Hinzu ­kommen rund 30 ehrenamtliche „Junior ­Guardians“, die Ames teils vor Ort und teils remote unterstützen.

2024 gründete Henzgen ein weiteres Unternehmen, ­dessen Geschäft sich mit Ames über­schneidet: Wandlay ist eine Reiseagentur für nachhaltige Luxusreisen in ­Afrika. Das Unternehmen organisiert ­Safaris und Erlebnisreisen nach Süd­afrika, Namibia, Ruanda, Uganda und Mosambik – darunter auch Reisen zu Ames-Reservaten. „Wenn ich dafür sorge, dass wir mehr Gäste ins Ames-Reservat bringen, dann profitiert Wandlay davon, es profitiert Ames davon – und die Gäste profitieren auch, weil sie eine wirklich einzigartige Erfahrung haben“, so Henzgen.

Wandlay arbeitet mit ver­schiedenen Partnern zusammen, von denen sich viele für Naturschutz und Community-Arbeit einsetzen. Die Kunden bekommen exklusive Erlebnisse, gleichzeitig wird ein Teil der Einnahmen für diese Projekte verwendet. „Curated Luxury and Impact Travel“, beschreibt Henzgen das Konzept.

Für Henzgen ist die Kombination aus Ames und Wandlay der konsequente nächste Schritt. In den letzten Jahren hatte sie sich zunehmend zwischen ihrer Arbeit im Immobiliensektor (Henzgen gründete Ende 2021 auch die Immobilienfirma Falkenroth) und ihrem Engagement für Naturschutz zerrissen gefühlt. „Auf der einen Seite will ich Lebensraum schützen – und so gern ich auch Häuser gebaut habe: Damit habe ich Lebensraum verdichtet“, sagt sie.

Dass das Ziel von einer Million Hektar unter Schutz bis 2035 ambitioniert ist, weiss Henzgen. Doch sie ist überzeugt, dass ihr Ansatz funktionieren kann: „Ultimativ soll der Wert der Natur und der Bio­diversität erkannt werden, sodass Menschen in Natur investieren und davon auch Profit generieren können, anstatt immer nur Geld rein­­zuspenden, das versackt.“

Lea Henzgen studierte Business Administration und Management an der WHU – Otto Beisheim School of Management. 2020 gründete sie die Ames Foundation, 2021 folgte die Immobilienfirma Falkenroth, für die Henzgen nach Zürich übersiedelte, wo sie heute noch wohnt. 2024 kam mit Wandlay eine Reiseagentur dazu,
die nachhaltige Luxusreisen nach Afrika anbietet.

Fotos: Marios Michaelides, Jannik Gramm

Erik Fleischmann,
Redakteur

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