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Der ehemalige Schwergewichts-Champion, der zuletzt mit ohrenförmigen Gummibärchen zum Cannabis-Mogul aufstieg, spricht darüber, wie „Pot“ sein Leben verändert hat – und wie diese Geheimwaffe ihm dabei helfen wird, den Youtuber Jake Paul im bevorstehenden Kampf „in der Pfeife zu rauchen“.
Als Mike Tyson, der ehemalige unangefochtene Weltmeister im Schwergewichtsboxen, am 20. April über den New Yorker Times Square lief, brach buchstäblich die Hölle los. Ein Taxifahrer hielt kreischend an, faltete die Hände wie zum Gebet und rief: „Ich liebe dich, Mike! Gott segne dich.“ Eine Gruppe von Touristen erhaschte einen Blick auf den 57-jährigen Boxer und jagte ihm hinterher wie ein Schwarm Fische. Sogar die stets viel beschäftigten New Yorker blieben stehen und schrien: „Das ist Iron Mike!“ Als Tyson hinter einen Metallzaun an der Ecke 7th Avenue und 43rd Street trat, hielt eine Mutter ihm ihr Kleinkind hin, in der Hoffnung, er möge das Kind segnen. Der Ex-Champ hat immer noch Macht über seine Anhänger.
Tyson, der einst „böseste Mann auf dem Planeten“, ist aber nicht in New York, um zu kämpfen. Vielmehr ist der Junge aus dem Stadtteil Brownsville in Brooklyn hier, um „420“, den Cannabis-High-Feiertag, einzuläuten und für die Verbreitung seiner Cannabis-Marke Tyson 2.0 in seiner Heimatstadt zu werben – sowie für eine neue Zusammenarbeit mit der Marihuana-Samenbank Royal Queen Seeds.
„Der Himmel ist die Grenze“, sagt Tyson, Mitbegründer und Chief Brand Officer der in Las Vegas ansässigen Grasmarke. „Ich war der Weltmeister im Boxen, und jetzt bin ich der Weltmeister im Cannabisbereich. Wir werden die Welt erobern. Wir wollen in jedem Land der Erde vertreten sein.“
Während „Iron Mike“ als Kämpfer dazu neigte, sein eigener „Hype Man“ zu sein, liegt er mit seinen Behauptungen über sein aufstrebendes Cannabis-Unternehmen nicht weit dahinter. Tyson 2.0 verkauft Marihuanaprodukte in 20 Bundesstaaten der USA sowie in Amsterdam, Barcelona und Thailand– darunter Blüten, Vapes und Esswaren in der Form von Evander Holyfields Ohr, von dem Tyson während eines Boxkampfs im Jahr 1997 bekanntermassen ein Stück herausgebissen hat. Durch eine Partnerschaft mit Phcann International in Mazedonien ist das Unternehmen nun dabei, in Deutschlands neu legalisiertem Markt für Erwachsenenkonsum sowie in der äusserst restriktiven medizinischen Marihuana-Industrie im Vereinigten Königreich Fuss zu fassen.
Tyson 2.0 arbeitet dabei nach einem Lizenzmodell und schliesst Verträge mit Franchisenehmern ab, die seine Marken-Cannabisprodukte anbauen, herstellen und verkaufen. Forbes schätzt, dass die Marke im Jahr 2023 einen Umsatz von 150 Mio. US-$ erwirtschaftete, wobei etwa 30 % aus Cannabisverkäufen und der Rest aus Zubehör, CBD, Nikotinverdampfern und anderen Produkten stammte.
Die Produkte von Tyson 2.0 tragen Namen, die aus seiner legendären Boxkarriere stammen, darunter Dynamite Cookies (sein erster Spitzname war Kid Dynamite) und Knockout OG (Tyson errang 44 der 50 Siege seiner Boxkarriere durch K. o.). Aber das Flaggschiffprodukt des Unternehmens, die Mike Bites – das essbare Gummibonbon in Form von Holyfields halb abgebissenem Ohr –, wurde von Tysons Frau Kiki entwickelt. „Meine Frau ist verrückt, aber sie ist brillant“, sagt Tyson liebevoll. „Und eines Tages sagte sie zu mir: ‚Warum nutzt du nicht das Ohr?‘“ Zuerst habe er die Idee gehasst, sagt er: „‚Komm mir nicht damit!‘“, erinnert er sich an seine Antwort damals. „Ich war ein wenig verbittert, weil mir das Ohr grosse Schwierigkeiten bereitet hatte.“ Aber dann wurde ihm klar, dass Kiki etwas Gutem auf der Spur war.
Auch wenn die Entscheidung der Legalisierung von Cannabis umstritten ist, hat sie sich für viele ausgezahlt – allerdings nicht so sehr für die Promis: Auf dem hart umkämpften 28-Mrd.-US-$-Markt für legales Cannabis schneiden die von Prominenten unterstützten Marken normalerweise nicht besonders gut ab. Laut dem Cannabis-Datenunternehmen Headset geniesst Tyson 2.0 jedoch die Position als meistverkaufte VIP-Marke der Branche.
„Weisst du, was lustig ist?“, fragt „Iron Mike“. „Als ich Holyfield ins Ohr gebissen habe, haben sie mir drei Mio. US-$ abgenommen“, sagt er und erklärt, dass der Vorfall mit dem Ohr den tiefsten Punkt seiner Karriere markierte. „Ich habe aber viel Geld mit Fotos gemacht, in denen ich anderen Menschen in die Ohren gebissen habe. Ich und Holyfield sind die Einzigen, die mit diesem Kampf von vor 30 Jahren noch immer Geld verdienen!“
Tyson 2.0 wurde 2021 gegründet und ist zu 100 % im Besitz der in Las Vegas ansässigen Carma Holdco Inc., die Tyson gemeinsam mit dem Private-Equity- und Cannabis-Unternehmer Adam Wilks gegründet hat. Tyson ist einer der grössten Anteilseigner des Unternehmens, zu dem auch die Cannabismarke der Wrestling-Legende Ric Flair – Ric Flair Drip – und die Graslinie Evol des mit einem Grammy ausgezeichneten Hip-Hop-Künstlers Future gehören.
Gras ist ein Teil von Tysons Leben – seit seiner Kindheit in Brownsville, wo seine Mutter Sexarbeiterin war, oder wie er sagt, „eine Dame der Nacht“. Er weiss immer noch nicht genau, wer sein Vater ist, aber als er aufwuchs, wurde ihm erzählt, dass ein Zuhälter namens Curly Kirkpatrick sein Vater gewesen sei. Seine ersten Erfahrungen mit Marihuana machte er bereits als kleiner Junge, sagt er. „Ich weinte und die Freundin meiner Mutter sagte: ‚Hey, ich gebe ihm etwas‘. Sie liess mich damals rauchen“, erinnert er sich, „und ich habe nie damit aufgehört.“
Tyson wuchs mit Verbrechen auf und steckte ständig in Schwierigkeiten – bis zu seinem zwölften Lebensjahr sei er, wie er selbst sagt, bereits 38-mal verhaftet worden. Als er daraufhin in eine Besserungsschule im Bundesstaat New York geschickt wurde, erregte er dort die Aufmerksamkeit von Cus D’Amato, einem legendären Trainer, der ihm half, mit 20 Jahren der jüngste Schwergewichtsmeister aller Zeiten zu werden. Kid Dynamite vernichtete seine Konkurrenten – er gewann seine ersten 37 Kämpfe fast alle durch Knock-outs. Im Jahr 1992 wurde er in Indiana wegen Vergewaltigung verhaftet und verurteilt; er verbüsste eine dreijährige Haftstrafe. Die Anschuldigungen bestreitet er bis heute.
Und auch weitere schwere Schicksalsschläge blieben nicht aus: Im Jahr 2009 starb seine vierjährige Tochter bei einem Unfall und er kämpfte mit Kokainsucht. In dieser Zeit entwickelte sich Tyson vom Boxhelden weg und hin zum streitbaren Bösewicht.
Für Jason Wild, Präsident und Chief Investment Officer des Cannabis-Hedgefonds JW Asset Management, war die Investition in Tyson aber dennoch eine Selbstverständlichkeit. Die meisten Promi-Cannabismarken plätschern ein wenig auf dem Markt dahin – das Cannabis-Unternehmen des Hip-Hop-Künstlers Snoop Dogg gibt es beispielsweise gar nicht mehr –, aber es gebe etwas an
Tyson und seiner Geschichte, das bei den Verbrauchern Anklang finde, sagt der Investmentprofi. „Er ist offen gegenüber allem, er teilt seinen Kampf – er hatte gute Tage, er hat Grosses erreicht, und er hatte schlechte Tage“, so Wild. „Diese unbestreitbare Authentizität findet bei den Menschen Anklang.“
Tyson sagt, er fühle sich gesegnet, in seinem Leben so weit gekommen zu sein – von Brownsville über den Weltmeistertitel bis hin zum Mitbegründer der leistungsstärksten Promi-Marke der Cannabisbranche –, und fragt: „Warum hat Gott das alles geschaffen, und warum bin ich das Gesicht davon? Ein ungebildeter Typ – warum bin ich, Mike Tyson, das Gesicht von Cannabis und Psychedelika? Ich kann Cannabis und Psychedelika nicht einmal buchstabieren.“
Er sei sehr dankbar für all das – und er wird sogar bald wieder in den Ring zurückkehren. Sein letzter Kampf fand 2020 gegen Roy Jones Jr. statt, wo er ein Unentschieden errang. Tyson wird am 20. Juli 58 Jahre alt sein, wenn er gegen Jake Paul, einen 27-jährigen Youtube-Influencer, in einem nicht genehmigten Schaukampf im AT&T Stadium in Arlington, Texas, antreten wird. Kolportiert werden Preise für Sitzplätze am Boxring um 60.000 US-$; Normalsterbliche kommen mit Ticketpreisen von rund 140 US-$ weg.
Tyson sagt, er nehme seinen Gegner ernst, und er trainiert dreimal am Tag. Er hat auch seine Lieblingslaster aufgegeben: „Im Moment lebe ich mein Leben diszipliniert. Es ist sechs Wochen her, dass ich high war und Sex hatte“, sagt er. „So eine Phase habe ich seit meiner frühesten Jugend nicht mehr gehabt. Ich hasse es, nicht rauchen zu können“, fährt Tyson fort, „ich hasse es, nicht mit meiner Frau schlafen zu können, aber ich mache es für etwas, das für mich zu den liebsten Dingen zählt.“
Neben seiner jahrzehntelangen Erfahrung als Profiboxer verfügt Tyson über eine Geheimwaffe, über die sich Jake Paul Sorgen machen sollte: Tyson, der für seine Vorliebe für Psychedelika bekannt ist, sagt, dass er, während er im Trainingslager auf das Rauchen von Gras verzichtet, immer noch seine „Krötenmedizin“ einnimmt, eine Anspielung auf DMT (Dimethyltryptamin, ein halluzinogenes Tryptamin-Alkaloid), das aus einer in der Sonora-Wüste lebenden Kröte gewonnen wird. Er sagt, dass er einmal nach der Einnahme Gott gesehen habe, der ihm seinen Lebenszweck offenbarte: „Ich bin dazu geboren, die Welt zu erobern“, sagt Tyson. „Egal, was auch immer ich dafür ertragen muss – genau dafür bin ich hier.“
Michael Gerard „Mike“ Tyson, geboren 1966, ist ein ehemaliger Schwergewichts-Boxchampion und war im Alter von 20 Jahren der bislang jüngste Boxer, der einen Weltmeistertitel im Schwergewicht gewinnen konnte. Bis heute legendär ist sein Kampf gegen Evander Holyfield im Juni 1997, bei dem der unterlegene Tyson seinem Gegner ein Stück des Ohrs abbiss und disqualifiziert wurde. Tyson ist aktuell in dritter Ehe mit Lakiha Spicer verheiratet und hat sechs Kinder aus verschiedenen Beziehungen.
Text: Will Yakowicz, Forbes US
Fotos: Aaron Rapoport/Corbis/Getty Images