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Die Luxusbranche fühlte sich lange wie ein Bollwerk unantastbarer Eleganz: Befeuert von rekordniedrigen Zinsen, einem Onlineshopping-Rausch während der Coronavirus-Pandemie und einem scheinbar nie enden wollenden Appetit nach Luxusgütern aus China hantelte sich die Branche von einem Rekord zum nächsten.
Ein Beispiel: Die LVMH-Aktie stieg von Anfang 2009 bis Mitte 2023 von 46 € auf 876 €. Das ist eine Steigerung um das 20-Fache – in etwas mehr als 14 Jahren. Bei Hermès ging der Preis im gleichen Zeitraum um den Faktor 21 nach oben, Richemont wuchs um Faktor 10, Kering um das 12-Fache. Zum Vergleich: Der US-Index S&P 500 wuchs in diesen rund 14 Jahren „nur“ um den Faktor 5 – und auch der hatte äusserst gute Jahre.
Doch 2024 bekam die globale Luxusbranche erstmals seit Langem wieder Gegenwind zu spüren: Der Kernmarkt der „Personal Luxury Goods“ schrumpfte um 2 % auf 363 Mrd. € (die erste echte Kontraktion seit 2008), und der Gesamtmarkt liegt weiterhin bei knapp 1,5 Bio. € – bei aktuellem Nullwachstum. Wer geglaubt hat, Luxus sei immun gegen weltpolitische oder technologische Turbulenzen, wird eines Besseren belehrt. Zwar können einzelne Marken von sich behaupten, weiterhin einen generellen Aufwärtstrend zu verspüren, doch die Branche als solche muss strampeln. Nachdem die Nachfrage aus dem chinesischen Markt 2024 um fast 20 % eingebrochen ist, merkt mancher Geschäftsführer, wie fragil das Fundament ist, auf dem er gebaut hat. Das vierte Quartal 2024 liess zahlreiche Beobachter zwar wieder leise hoffen, dass das Schlimmste überstanden sei – doch die Ankündigungen von US-Präsident Donald Trump rund um die Einführung massiver Zölle erstickten jegliche Aufbruchsstimmung schnell wieder im Keim.
Wenn die zwei wichtigsten Absatzmärkte für (europäische) Luxusgüter Unsicherheiten zeigen, bekommen selbst die erfahrensten Manager Sorgenfalten. Hinzu kommt: Künstliche Intelligenz ist nicht mehr Zukunftsmusik, sondern Arbeitsmittel. Ob Predictive Analytics für Trendscouting, smarte Supply-Chains oder AR-gestützte Anproben – wer hier schläft, verliert.
Den Kopf in den Sand stecken muss dennoch niemand, denn die Liebe zu und die Lust auf Luxusgüter und -services wird auch in Zukunft enorme Margen ermöglichen. Doch selbst exzellente Produkte werden es schwer haben, wenn Innovationskraft, Kundenverständnis und Technologieexpertise fehlen. Eine grosse Marke reicht in Zukunft nicht mehr – denn insbesondere KI ermöglicht es auch jungen, unerfahrenen Marken, in Nischen die Erwartungen zu übertreffen. Der Ökonom Joseph Schumpeter würde in diesem Zusammenhang von der Kraft der „schöpferischen Zerstörung“ sprechen – denn der Branche kann all das nur gut tun. Der Abschwung könnte nämlich wie ein Weckruf wirken: Nach Jahren scheinbarer Unantastbarkeit stehen Konsumenten wieder kritisch am Schaufenster – und überlegen sich insbesondere teure Käufe doppelt und dreifach.
Doch ich bin optimistisch: Das Zeitalter der digitalen Luxus-Renaissance hat erst begonnen. Wer aus der Komfortzone ausbricht, in Technologie investiert und dabei den Markenmythos mit modernen Erzählformen verknüpft, wird gestärkt aus der Krise hervorgehen. Die Zukunft gehört denen, die bereit sind, sich die Hände schmutzig zu machen – auch und vor allem in der Luxusbranche.