LEBENDIGE UND SMARTE GEBÄUDE

Fast die Hälfte der globalen CO2-Emissionen entfällt auf den Bau und Betrieb von Gebäuden – genau das sieht der irisch-amerikanische Konzern Johnson Controls als grosse Chance. Mit den Kernthemen Digitalisierung und Nachhaltigkeit will Tomas Brannemo, verantwortlich für Europa, den Nahen Osten, Afrika und Lateinamerika, die 135-jährige Erfolgsgeschichte des Unternehmens fortsetzen.

Satte 40 % aller CO2-Emissionen weltweit gehen auf Gebäude zurück. Davon entfallen 28 % auf den Be­trieb von Gebäuden (Heizung, Strom etc.), 12 % auf die Materialien sowie Bauarbeiten – und daran wird sich so schnell nichts ändern, denn laut Daten der Internationalen Energieagentur (IEA) werden zwei Drittel der Gebäudefläche, die heute existiert, auch 2040 noch ­vorhanden sein. Laut den Vereinten Nationen werden im Jahr 2050 70 % aller Menschen in Städten leben – was noch mehr Flächen bedeutet.

Dass bei solchen Dimensionen auch ordentlich Geld zu verdienen ist, liegt auf der Hand. Unter an­derem beschäftigt sich der aus den USA stammende und in Irland ansässige Konzern Johnson Controls Inter­national (JCI) mit den Herausforderungen, die rund um die ver­besserungswürdige Nachhaltig­keit und Effizienz von Gebäuden vorliegen. Denn JCI hat es sich zur Aufgabe gemacht, Gebäude weltweit mithilfe von Technologie nach­haltiger, effizienter und gesünder zu gestalten. „Die Energieeffizienz von Gebäuden ist bei weitem noch nicht dort, wo sie sein könnte. Und das bietet uns viel Potenzial,“ sagt Tomas Brannemo, VP & President Building Solutions für Europa, Afrika, Mittlerer Osten und Südamerika bei Johnson Controls. Kurz gesagt: „Wir fokussieren uns auf das, was Gebäude smart macht“, sagt Brannemo.

Dabei greift die Definition von smarten Gebäuden bei JCI jedoch deutlich weiter als eine einfache Digitalisierung von bestehenden Strukturen. Neben Heiz- und Kühlsystemen sowie Anwendungen im Bereich der Automatisierung bietet das Unternehmen unter anderem auch Lösungen hinsichtlich Sicherheit, Brandprävention oder Energieversorgung. „Die Motivation für smarte Gebäude sind Nachhaltigkeit, Qualität der Innenraumluft, die User Experience sowie die Sicherheit und Gesundheit der Gebäude und ihrer Bewohner. All diese Themen gehen Hand in Hand“, so Brannemo.

Und so hat JCI für die Zukunft auch zwei Megatrends identifiziert, die das eigene Handeln leiten und den Erfolg weiterhin sichern sollen: Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Im Zentrum der Strategie steht mit Openblue eine digitale Plattform, die an der Schnittstelle zwischen JCI, den Gebäudebesitzern bzw. -ver­waltern sowie den Bewohnern oder Benutzern aktiv ist. Doch was macht JCI besser als die Konkurrenz? Und wie will das 135-jährige Traditionsunternehmen seinen Erfolg in Zu­kunft sichern?

Der heutige Fokus bei JCI auf Lösungen im Bereich Gebäude­technologie ist zwar ein Phänomen der jüngeren Zeit, das Kernthema der effizienten Nutzung von Gebäuden zieht sich aber wie ein roter Faden durch das 1885 als Johnson Electric Service Company gegrün­dete Unternehmen.

Bereits zwei Jahre zuvor, 1883, hatte Gründer Warren Johnson ein Patent für ein elektrisches „Tele-Thermoskop“ angemeldet, mithilfe dessen die Temperatur von Ge­bäuden gemessen werden sollte. Gemeinsam mit einem Geldgeber, William Plankinton, startete er wenig später das Unternehmen, das sich schnell auf die Regulierung von Raumtemperatur über Thermostate fokussierte.

Das Unternehmen stattete das US-Kapitol wie auch das erste Hochhaus in New York mit Thermo­s­taten aus, während es sich auch in die Automobilproduktion wagte, etwa bei der Herstellung von Auto­batterien. Einen zusätz­lichen Turbo erhielt die Entwicklung von JCI, als das Unternehmen Klima­anlagen für sich entdeckte: John­son Controls stattete damit unter anderem den 1949 fertig­gestellten Hauptsitz der Vereinten Nationen in New York aus. Über Zukäufe wuchs das Unternehmen konsequent und weitete sich stärker in die drei Segmente Building Efficiency, Automotive und Power Solutions aus. 2016 wurde das Automobil­geschäft unter dem neuen Namen Adient ausge­gliedert, die Ausgliederung der Bleiakku­mulatorensparte von Varta (Power Solu­tions) folgte 2019. Heute ist JCI in mehr als 150 Ländern aktiv, machte im Vorjahr 22 Milliarden US-$ Umsatz und hat eine Marktkapitalisierung von rund 55 Milliarden US-$. Das Ziel hat sich jedoch laut Brannemo seit den Ursprüngen des Unter­nehmens nicht grossartig geändert: „Unser Ziel ist es auch in Zukunft einer der Weltmarktführer für smarte, nachhaltige und gesunde Gebäude zu bleiben. Das machen wir bereits seit 136 Jahren.“

Mit Openblue verspricht sich JCI, diesen Status als Welt­markt­führer zu untermauern. Vor rund einem Jahr erstmals präsentiert, wird die Plattform auf der Unternehmenswebsite so beschrieben: „Durch die systematische Nutzung von Daten interner Ge­bäudesysteme wie auch externer Quellen können Gebäude jetzt effizient verwaltet und an die besonderen Bedürfnisse ihrer Nutzer angepasst werden. Openblue ist ein dynamischer neuer Raum von Johnson Controls. So werden Gebäude lebendig.“

Dabei spielen auch die veränderten Anforderungen an Gebäude (egal, ob Wohn- oder Büroflächen), die die Covid-19-Pandemie mit sich brachte, eine Rolle. Denn plötzlich müssen sich Facility Manager Fragen stellen, über die sie sich zuvor nie Gedanken machen mussten: „„Es ist wichtig zu wissen, wann, wie und wie viele Menschen zu einem Zeitpunkt das Gebäude betreten; wir müssen uns verstärkt über Raumbuchungen Gedanken machen oder im Rahmen eines Contact Tracing nachverfolgen können, wo im Gebäude die Menschen sich bewegt haben“, so Brannemo.

Er beschreibt Openblue als offene Plattform, deren Erfolg vor allem davon abhängen wird, wie gut man externe Lösungen und Anwendungen integrieren kann: „Andere Subsysteme lassen sich mit Openblue verbinden. Neben der Ver­waltung von Gebäuden kann man innerhalb des Programms etwa auch einen Tisch für sein Mittag­essen reservieren.“ Während die Pandemie JCI also durchaus vor Schwierigkeiten stellte – der Jahresumsatz 2020 lag mit 22 Milliarden US-$ rund 7 % unter dem des Vorjahres –, sieht Brannemo in der aktuellen Situation auch einen Beschleuniger für die Digi­talisierung von Gebäuden: „Und das Thema Nachhaltigkeit wird ebenso Veränderungen bewirken.“

Angaben zu den Entwick­lungskosten der Plattform will das Unternehmen nicht machen; einzig, dass über die letzten fünf Jahre drei Milliarden US-$ in Forschung und Entwicklung investiert wurden und ein signifikanter Teil davon auf Openblue entfallen ist, wird gesagt. In Zukunft fliesst die F&E-Leistung aber auch und vorrangig in Bereiche, die JCI als „climate-related“ bezeichnet: 75 % aller neuen Produktentwicklungen im F&E-­Segment sollen einen Bezug zu Nachhaltigkeit und Klima haben. Denn geht es nach JCI, müs­sen Gebäude, die smart sind, auch nachhaltig sein. Und da gibt es ganz offensichtlich noch ausreichend zu tun.

Text: Klaus Fiala
Fotos: Johnson Controls International

Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 9–21 zum Thema „Handel“.

Klaus Fiala,
Chefredakteur

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