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Die Bauwirtschaft in der Ukraine boomt. Der landesweit erste Industriepark für die Herstellung von Flachglas (Forbes DACH berichtete) ist nur eines von vielen Projekten, die das deutlich zeigen. Insbesondere die Entwicklung von Wohn- und Mehrzweckobjekten stösst bei Investoren auf viel Anklang – denn die Bauten bringen nicht nur eine ordentliche Rendite, sondern setzen auch Standards hinsichtlich städtebaulicher Trends.
50 Milliarden US-$ – es ist eine ordentliche Summe, die Valery Kodetsky, Gründer und Präsident von City One Development, nennt, wenn man ihn auf das Potenzial der Baubranche in der Ukraine anspricht. (Um das besser greifbar zu machen: 50 Milliarden US-$ ist das ungefähre Bruttoinlandsprodukt von Volkswirtschaften wie Serbien oder Slowenien.)
Das liegt unter anderem an der attraktiven Rendite: Rund 30 % können Investoren mit guten Projekten erzielen. Diese Rendite ist jedoch keineswegs garantiert – zahlreiche Bauobjekte machen Verluste. Sofern der jeweilige Entwickler aber neue Standards beim Bauen der Objekte setzt und die nötigen finanziellen Mittel hat, sind solche Zahlen durchaus realistisch. Denn trotz der steigenden Bau-, Material- und Lohnkosten in der Ukraine scheint die Branche weiterhin hochprofitabel zu sein – die ukrainischen Immobilienentwickler spüren bisher noch keine Auswirkungen der erhöhten Preise.
Das liegt auch an der Nachfrage: Qualitativer, aber leistbarer Wohnbau ist enorm gefragt. Alleine in der ukrainischen Hauptstadt Kiew stiegen die Immobilienpreise in den letzten zwölf Monaten im Schnitt um 12 % (gerechnet in US-$; der Anstieg in ukrainischer Hrywnia betrug sogar 30 %). In anderen Regionen fiel der Anstieg etwas niedriger aus, aber auch in ländlichen Regionen gab es Preissteigerungen zwischen 5 und 10 %. Dass die Ukrainer ihr Geld zudem am allerliebsten in Immobilien investieren, gibt dem Aufschwung in der Branche zusätzlichen Aufwind.
Valery Kodetsky
...hat 2010 City One Development gegründet. Heute ist das Unternehmen einer der grössten Immobilienentwickler der Ukraine.
Für Investoren scheinen neue Bauprojekte tatsächlich äusserst attraktiv zu sein: Der ROI (Return on Investment) für eine neu gebaute Wohnung mit zwei oder mehr Zimmern liegt bei rund 12 % pro Jahr. Kleinere Wohnungen, also solche mit nur einem Zimmer, erzielen manchmal sogar einen ROI von 13 bis 14 %. Doch auch gewerbliche Immobilien bieten Potenzial: 12 % Rendite pro Jahr lassen sich mit langfristigen Mietverträgen in beliebten Gegenden erzielen.
Doch ganz so einfach geht es dann doch nicht. „Man muss beachten, dass eine Internal Rate of Return (IRR, Anm.) von über 25 % nur dann zu erreichen ist, wenn die Projekte auch tatsächlich wettbewerbsfähig sind. Das bedeutet, dass sie aktuelle urbane Trends erkennen und nutzen und die Bedürfnisse von urban denkenden Menschen erfüllen“, so Kodetsky.
In der Immobilienbranche gibt es ein unumstössliches Prinzip: Location, Location, Location. Das heisst, dass der Ort, an dem eine Immobilie errichtet wird, letztendlich über deren Wert und Attraktivität entscheidet. Doch für ein Projekt, das nicht nur Wohnungen bieten, sondern Lebensraum bauen will, ist das nicht genug.
„Wettbewerbsfähige Projekte müssen die Bedürfnisse von Stadtbewohnern befriedigen. Diese Bedürfnisse sind nicht nur eine hohe Lebensqualität in normalen Zeiten, sondern auch während einer Quarantäne, wie wir sie während der Covid-19-Pandemie erlebten“, sagt Tatyana Kolchanova. Kolchanova weiss, wovon sie spricht: Sie ist Gründerin von Architecture of the Future, der grössten Architekturkonferenz in Osteuropa. „Den Bewohnern sollten nicht nur die eigenen vier Wände zur Verfügung stehen, sondern auch allgemeine Flächen im Gebäude. Das bedeutet, dass Entwickler eine entsprechende Infrastruktur schaffen müssen, die das bietet.“ Kolchanova spricht etwa von weitläufigen Grünflächen, autofreien Innenhöfen oder auch ganzen Parks, die in Wohnkomplexe integriert werden können. Auch Lounge Areas, Rad- und Laufwege oder Spielplätze für Kinder oder Haustiere sind laut der Expertin denkbar. „Der Trend in Richtung eines gesunden Lebensstils verstärkt sich: Sportflächen, aber auch Kindergärten und Schulen werden in Zukunft ein essenzieller Teil solcher Gebäude.“ Doch „Grün“ spielt nicht nur für die Bewohner eine grosse Rolle, denn auch hinsichtlich Nachhaltigkeit muss die Baubranche sich etwas einfallen lassen. Bewohner sind zunehmend interessiert an Themen wie Recycling oder einem schonenden Umgang mit Ressourcen. Die Lösung liegt etwa in der besseren Nutzung von Regenwasser für die Bepflanzung der Anlagen oder umweltfreundlichen Abfallsystemen in den Gebäudekomplexen.
„Moderne Bauprojekte müssen aktuelle urbane Trends erkennen und nutzen.“
Valery Kodetsky
Denn die Menschen wollen nicht nur gesund, sondern eben auch nachhaltig leben. Um ihre Wünsche besser verstehen und erfüllen zu können, werden Bewohner zunehmend in die Gestaltung der Bauprojekte eingebunden. Dieser Trend zeigt sich in der Ukraine deutlich. Was bei diesen Gesprächen immer wieder genannt wird, ist der Wunsch nach „Third Party Spaces“. Darunter versteht man Möglichkeiten, sich zwar ausserhalb der eigenen vier Wände, aber noch im eigenen Gebäude mit anderen Bewohnern oder Freunden zu treffen. Zu solchen Flächen zählen etwa Restaurants und Cafés, aber auch Co-Working-Spaces – die manchmal sogar von den Bewohnern selbst ins Leben gerufen werden.
Obwohl das alles wie ein grosses Wunschkonzert klingt, gibt es durchaus Projekte, die versuchen, diese Ambitionen zu erfüllen. Da ist etwa der Novopecherskie-Lipki-Komplex, den City One Development gemeinsam mit dem Co-Investor UDP inmitten von Kiew baute. Die Anlage schwimmt in gewisser Weise gegen den Strom – während der Grossteil der Wohnbauten geschlossen gestaltet wird, ist dieser Komplex offen angelegt. Die Sicherheit der Anlage wird durch ein Überwachungssystem gewährleistet, das rund um die Uhr läuft. Auch Zugang zu den Häusern kann man sich – trotz aller Offenheit – nicht ganz einfach verschaffen.
„Wir haben uns bewusst ein Projekt ausgesucht, das sich ganz natürlich in die Stadt und ihr Stadtbild integrieren lässt und keine Diskussionen unter den Bewohnern auslösen wird. Es soll ein Ort sein, an dem sich alle Bürger Kiews gemütlich aufhalten können“, so Kodetsky.
Rund ein Drittel der Projektfläche entfällt auf Parks und Grünflächen, hinzu kommen zahlreiche Cafés und Restaurants. Doch der Komplex bietet auch noch mehr als 100 Einrichtungen, darunter ein Spa, Fitnessklubs, Spielplätze, einen Fussballplatz, eine Bankfiliale sowie eine Apotheke. Auch zwei Schulen, ein Kindergarten und ein Tennisverein finden im Novopecherskie-Lipki-Komplex Platz.
Dabei war der Anfang kein leichter. 2008 wurde der erste Teil des Objekts fertiggestellt, auf dem Höhepunkt der globalen Finanzkrise. Doch City One Development nahm das Risiko auf sich – es sollte sich auszahlen. Denn der Komplex war der einzige seiner Art in der Ukraine, das Interesse der Käufer war enorm.
Ein weiteres Projekt, das City One Development aktuell umsetzt, ist „The Light“. Das multifunktionale Objekt in Kiews historischem Stadtkern umfasst eine Gesamtfläche von 177.000 Quadratmetern. Auffallend an dem Projekt ist eine offene Galerie, die Umweltfreundlichkeit mit Freizeitmöglichkeiten verbindet. In der Idee von Mikrorayons soll diese Fläche es dabei Bewohnern alleine ermöglichen, ein komfortables und erfülltes Leben zu führen. City One Development will das Projekt bereits 2022 angehen – und investiert dabei insgesamt rund 100 Millionen US-$.
Auch das Lipki Island City Resort soll neue Standards setzen. Das Sanierungsprojekt soll ein ehemals leer stehendes Industriegrundstück mit einer Grösse von 40 Hektar wiederbeleben. Auch dieses Projekt liegt mitten in Kiew – und zwar auf der Rybalsky-Halbinsel. Die Halbinsel wird vom umliegenden Fluss Dnepr begrenzt, was Erholungsflächen direkt am Wasser gewährleistet. Kodetsky: „Bei diesem Projekt haben wir ein in der Ukraine ganz neues Konzept entwickelt: das City Resort. Unser Fokus liegt auf der Sicherheit und der Privatsphäre der Bewohner, genauso wie auf Erholungsmöglichkeiten und der Umweltverträglichkeit des Gebäudes.“
Das Lipki Island City Resort ist ein multifunktionaler Komplex, der neben Erholungsflächen auch soziale Infrastruktur und Geschäfte bietet. Das Vorhaben wurde 2019 bei der MIPIM (Marché International des Professionnels de l’immobilier, der bekannten Messe für Wohn- und Gewerbeimmobilien sowie Betriebsansiedlung in Cannes) vorgestellt. Über 5.000 Familien sollen in Zukunft auf dem Areal leben. Kodetsky sieht das Resort als nachhaltiges Projekt an, das moderne Trends in sich vereint und auf die Menschen fokussierte Flächen schafft. Auch hier ist dem Unternehmer wichtig, dass sich das Projekt organisch in die Struktur der Stadt einfügt.
So grosse Versprechungen ziehen natürlich auch Geld an: Rund 600 Millionen US-$ werden insgesamt in das Resort investiert, alleine 100 Millionen US-$ von City One Development. Nach dem Abschluss der ersten Phase ist eine Revitalisierung eines grossen Damms an der Hauptwasserroute von Kiew – dem Dnepr – geplant. Der Damm soll aber nicht leer bleiben, sondern einen Yachtklub beheimaten. Die Umsetzung beginnt bereits 2022.
Wolfgang Gomernik, Miteigentümer der österreichischen Delta-Gruppe, sagt zu den Plänen: „Die Zukunft der Stadtentwicklung liegt in ebensolchen nachhaltigen, multifunktionalen Projekten. Diese müssen aktuelle Trends, darunter Zugänglichkeit, Sicherheit und einen Fokus auf die Menschen, erkennen und nutzen. Es ist spannend, zu sehen, dass die Errichtung solcher Projekte auf solch grosse Nachfrage stösst. Doch man sollte bei aller Euphorie nie vergessen, dass solche Grossprojekte am besten von Immobilienentwicklern durchgeführt werden, die ausreichend Erfahrung sowie finanzielle Mittel haben.“
Text: Forbes-Redaktion
Fotos: City One Development
Diese Advoice erschien in unserer Ausgabe 7–21 zum Thema „Smart Cities“.