Ladeinfrastruktur für E-Autos: Der Staat kann es nicht richten

Insgesamt 1.400 Ladepunkte für E-Autos besitzt Deutschlands Hauptstadt Berlin – bei einer Einwohnerzahl von 3,6 Millionen Menschen. Somit teilen sich knapp 2.500 Personen einen Ladepunkt.

Zwar ist die Flotte an E-Autos, trotz eines rasanten Zuwachses, im Vergleich zu den Verbrennern noch gering; 439.000 Stück waren es in Deutschland im Juli 2021. Und dennoch zeigen die Zahlen, dass der Ausbau der Ladeinfrastruktur deutlich zu langsam vonstattengeht.

Die Begründungen, warum das so ist, verwundern mich oft. Aus der Autoindustrie kommt der Ruf nach der Politik, um beim Ausbau Tempo aufzunehmen: Einer ihrer Vertreter, Volkswagen-CEO Herbert Diess, sagte etwa kürzlich, die Politik müsse eine echte Energie­wende forcieren und E-Autos (noch) stärker fördern. Diese Worte sind insofern eigenartig, als sie aus einer Branche stammen, die jahrzehntelang eine zu strenge Regulierung kritisierte. Erst 2019 sagte Diess in einem Interview mit der Welt, dass wir „nichts gewinnen, wenn wir alles in der Welt übermässig regulieren“. Man bekommt das Gefühl, dass staatliche Interventionen von Managern nur gefordert werden, wenn eine Krise stattfindet – oder um eigene Fehler zu korrigieren. Das zeigte sich auch in der Luftfahrt, die jahrelang Fehl­entscheidungen traf, um dann in der Krise nach dem Staat zu rufen. Auch die Medienlandschaft kaschiert fehlende Innovationen durch Staats­gelder.

Zur Verteidigung von Diess muss gesagt werden, dass er nur einer von mehreren Vertretern der Autobranche ist – und dass die Volks­wagen-Gruppe durchaus an einer eigenen Infrastruktur
in diesem Bereich arbeitet: Europaweit sollen bis 2025 36.000 Ladepunkte gebaut werden. Doch das ist zu wenig. Alleine in Deutschland sollen laut Plan der Bundesregierung bis 2030 eine Million Ladepunkte vorhanden sein. Wenn so viele Mil­li­arden in diese Transforma­tion investiert wer­den – warum wird auf ein solch essenzielles Thema nicht viel mehr Augenmerk gelegt? Daimler, BMW, auch die japanischen Hersteller – sie alle kämpfen mit ähnlichen Problemen.

Doch die Politik fördert den Kauf von E-Autos bereits massiv. Das kann man mit der Bekämpfung der Klimakrise argumentieren. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur ist aber wirklich kein Feld, in dem ein Marktversagen herrscht, dass der Staat beheben muss. Unsere Coverstory rund um Wirelane-Gründer Constantin Schwaab zeigt, dass sich hier gutes Geld verdienen lässt. Und auch Ionity, ein Ladeinfrastrukturanbieter, der aus einem Zusammenschluss mehrerer Autokonzerne (darunter auch die Volkswagen-Töchter Audi und Porsche sowie BMW und Hyundai) entstanden ist, zeigt, dass es durchaus sinnvolle Lösungen gibt.

Welche Logik hat es, dass das Tankstellennetz vollständig privat betrieben wird, die Individualmobilität der Zukunft aber vom Staat kontrolliert werden soll? Zudem zeigt sich die fehlende Eignung der Politik nicht nur in der mangelnden Fähigkeit, den Ausbau voranzutreiben, sondern auch in Widersprüchlichkeiten. Welchen Sinn hat es, E-Autos zu fördern, wenn Deutschland fast ein Viertel seiner Energie aus Braunkohle erzeugt? Manager sollten sich im Klaren sein, dass Staatseingriffe in manchen Bereichen sinnvoll, in ganz vielen aber nicht zielführend sind. Das gilt für Krisenzeiten genauso wie für Boomphasen. Denn egal, wann: Die eigenen Fehler sollten wir alle schon selbst korrigieren.

Text: Klaus Fiala

Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 7–21 zum Thema „Smart Cities“.

Klaus Fiala,
Chefredakteur

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