Kochen für die Likes

Mit 15 Jahren veröffentlichte Maya Leinenbach ihre ersten veganen Rezepte auf Instagram, fünf Jahre später folgen ihr in den sozialen Medien mehr als 6,6 Millionen Menschen. Jetzt hat Deutschlands erfolgreichste vegane Foodbloggerin ein Unternehmen gegründet – und geht gleich mal auf Kochtour.

In einer hell beleuchteten Küche grinst eine junge Dame in die Kamera. „I really gotta use up those wraps …“, sagt sie und schaut durch ­einen Stapel Wraps, aus denen wohl für ein anderes ­Gericht die Mitte herausgeschnitten wurde. Cut – das Video zeigt das fertige Gericht und die Stimme der Dame sagt: „… and Kottu Roti is perfect for that!“ In den nächsten 30 Sekunden erklärt Maya Leinenbach in einfachen Schritten, wie man das Gericht aus Sri Lanka vegan zubereiten kann. Auch im Post: viel Spass (in einer Szene ruft Leinenbach „Pow!“ und wirft die Pfanne von einer Hand in die andere); in der Beschreibung stehen die nötigen Zutaten. Das Video wurde auf Tiktok über 220.000 Mal angesehen, auf Instagram sammelte es mehr als 57.000 Likes.

Leinenbach ist 20 Jahre alt und Deutschlands erfolgreichste vegane Foodbloggerin. Vor fünf Jahren hat sie begonnen, vegane Rezepte auf Instagram hochzuladen – damals hat sie noch mit Bildern gearbeitet und das Rezept in die Bild­unterschrift geschrieben. Heute folgen ihrem ­Account „fitgreenmind“ 3,9 Millionen Menschen auf Instagram, fast 1,8 Millionen auf Tiktok und rund 960.000 auf Youtube.

Zum Vergleich: Der ORF, Österreichs öffentlich-rechtlicher Rundfunksender, hat 2023 eine Tagesreichweite von 3,589 Millionen Zu­sehern erreicht. Auf der ersten Forbes Top Creators List für die deutschsprachige Region hat Leinenbach Platz neun erklommen. Doch wie hat es ein Schulmädchen geschafft, sich in der Welt der Content Creators nach oben zu kämpfen? Und was plant die „Frau, die immer lacht“, wie Leinenbach im Zeit Magazin genannt wird, mit ihrer frisch gegründeten Fitgreenmind GmbH?

Leinenbach wuchs in Saarwellingen an der französischen Grenze auf. In der neunten Klasse (damals ist Leinenbach 15 Jahre alt) hält sie ein Referat über vegane Ernährung und setzt sich zum ersten Mal mit dem Umwelt-Fussabdruck ihres Essens auseinander. „Ich habe zum ersten Mal realisiert, welche Auswirkungen meine Ernährung auf das Klima hat – und dass ich durch vegane Ernährung einen Unterschied machen kann“, erzählt Leinenbach ihre Geschichte. Von nun an, beschliesst sie, ernährt sie sich ausschliesslich vegan. Wenig später beginnt die Schülerin, vegane Rezepte zu posten.

Dahinter steckt der Traum, ein eigenes veganes Kochbuch zu veröffentlichen – ein Traum, den sich die Influencerin mittlerweile erfüllen konnte. Schon seit ihrer Kindheit kocht Leinenbach gerne und oft mit ihren Eltern (ihr Vater ist Biologie- und Sportlehrer, ihre Mutter Grundschullehrerin). Als sie auf vegane Ernährung umsteigt, fängt sie an, alleine in der Küche zu experimentieren und die Gerichte ihrer Eltern zu „veganisieren“.

Aber Leinenbach weiss auch, dass nicht jeder einfach ein Kochbuch veröffentlichen kann. „Ich dachte mir damals“, sagt sie, „wenn ich jetzt ein Kochbuch schreibe, kauft es keiner, weil mich niemand kennt.“ Leinenbach möchte sich zuerst online eine Community aufbauen, einen konkreten Plan hat sie dafür aber nicht. „Ich habe vorher eigentlich nicht grossartig überlegt, wie ich das genau angehen soll. Ich hatte kein ­grosses Vor­wissen über Social Media, Fotografie oder Videografie; ich habe einfach angefangen und mich bei jedem Post gefragt: Was kann ich besser machen? Wie kann ich die Leute besser einfangen?“

Die ersten 60.000 Follower gehen schnell, aber dann stagniert das Wachstum. Leinenbach steigt auf das damals neue Videoformat Reels um – und die Followerzahlen gehen steil bergauf. Ihre Routine: samstags filmen, sonntags schneiden. „Das waren dann fünf, sechs Videos am Wochenende, so konnte ich mich unter der Woche auf die Schule konzentrieren.“ Auch heute noch, obwohl Leinenbach ein dreiköpfiges Team hat, ist die Contentproduktion allein ihre Sache.

Von Beginn an schreibt sie ihre Captions auf Deutsch und auf Englisch, um mehr Menschen erreichen zu können; heute sind zwischen 15 % und 20 % ihrer Follower aus Deutschland, der Rest kommt vor allem aus den USA und Gross­britannien. Der Erfolg in den sozialen Medien bescherte Leinenbach auch Angebote von mehreren Verlagen – im Herbst 2021 erschien ihr Kochbuch „Ach, das ist vegan?“ Bis heute hat es sich weltweit 60.000 Mal verkauft.

Gegen Ende ihrer Schulzeit beschliesst Leinenbach, die als Kind Fussballerin werden wollte, auch nach dem Abitur mit den Videos weiter­zumachen und Vollzeit-Content-Creator zu werden. „Ich dachte mir, das ist eine grosse Chance, die ich nutzen kann“, so Leinenbach, die um Fitgreenmind eine Marke aufbauen möchte. „Ich wollte mich selbstständig machen, etwas Eigenes schaffen. Für mich war ziemlich klar, dass ich die Zeit nach der Schule so aufziehen möchte.“ Obwohl mit so einem Karrierepfad viel Risiko verbunden ist, hat sie die volle Unterstützung ihrer Eltern – und ihrer Follower. „Ich habe gemerkt, dass ich einen grossen Rückhalt in der Community habe. Und ich mag es auch, Risiko einzugehen“, sagt Leinenbach mit ihrem ansteckenden Grinsen. „Denn wenn man Risiko eingeht, dann gibt es meistens auch mehr, das man erschaffen kann.“

Gemeinsam mit ihrer Managerin Jennifer Reinhard und Kristina Kull, die zuvor bei verschiedenen Marketingagenturen gearbeitet hat, gründet Leinenbach im März 2024 die Fitgreenmind GmbH. Das erste Projekt: eine Kochtour durch Deutschland. In Städten wie Berlin, München und Köln kocht Leinenbach vor einem Publikum von rund 400 Menschen. Ein Ticket kostet etwas mehr als 40 €, die meisten Zuschauer dürften die Köchin bereits aus den sozialen Medien kennen: „Der grösste Teil ist aus meiner Community“, sagt sie.

Leinenbach bestreitet, dass sie die Kochtour macht, um ihre Marke bekannter zu machen. „Das war etwas, das ich machen wollte“, sagt sie. „Eine Zahl – 3,9 Millionen Follower – ist nicht greifbar. Und ich merke, wie viel Spass es mir macht, meine Fans persönlich zu treffen und zu sehen, wer hinter dieser Zahl steckt.“

Trotzdem ist ihr klar, dass das Geld, das die Influencerin über ihre Social-Media-Kanäle einspielt, ihre Haupteinkommensquelle ist. Wie viel das genau ist, möchte Leinenbach nicht sagen; in einem Interview mit der Bild aus dem Dezember 2020 sagte Leinenbach, sie habe in einem Halbjahr 25.000 € verdient. Damals hatte sie 260.000 Follower. Heute dürfte die Summe deutlich darüber liegen: Laut „Money Calculators“ von Seiten wie The Leap und Influencer Marketing Hub verdienen Content Creators von Leinenbachs Grösse und mit ihren Engagement Rates zwischen 6.000 und 13.000 US-$ pro Instagram-Post und zwischen 2.000 und 8.000 US-$ pro Tiktok-­Video. Die Zahlen variieren unter anderem je nach Partner und Länge des Videos, so Leinenbach, die „maximal ein Kooperationsposting pro Woche“ veröffentlicht. Geht man davon aus, dass Leinenbach 52 Partner-Posts im Jahr veröffentlicht, lässt sich das Jahreseinkommen durch solche Posts konservativ auf 416.000 US-$ schätzen.

Ihre Partner müssen immer mit Leinenbachs Werten zusammenpassen, sprich: nachhaltig sein. Dass es besonders bei grossen Unternehmen schwierig ist, zu überprüfen, ob sie wirklich nachhaltig sind, weiss sie: „Wir recherchieren natürlich immer, aber je grösser die Marke, desto schwieriger ist es, transparent durchzublicken. Deshalb unterstützen wir besonders gerne kleinere Start-ups, auch wenn sie ein kleineres Budget haben.“ Sie hat etwa eine Kooperation mit dem Gewürzhändler Soulspice, der eine Gewürzmischung namens „Mayas Allrounder“ verkauft. Auf der Website des Händlers ist Leinenbach zu sehen, wie sie lächelnd einen Löffel der Gewürzmischung in die Kamera hält.

In ihren Videos scheint Leinenbachs fröh­liche Persönlichkeit durch. Auch im Gespräch mit Forbes hat sie fast durchgehend ein breites Lächeln im Gesicht. Auf die Frage, was sie tut, wenn sie mal einen schlechten Tag hat, antwortet die 20-Jährige fast schon zu enthusiastisch: „In meinen Videos bin ich einfach ich. Ich stelle mein Handy auf und filme. Und so, wie ich an dem Tag aussehe, so sehe ich eben aus. Ich setze nichts auf – und dadurch, dass ich ich bin, wird es nicht anstrengend.“ Ist sie mal müde „oder so etwas“, kann es auch sein, dass die Influencerin weniger postet.

Mit ihren veganen Rezepten trifft Leinenbach den Nerv der Zeit: Laut dem Institut für Demoskopie Allensbach ernähren sich in Deutschland rund 1,52 Millionen Menschen weitgehend vegan, 2015 waren es noch 0,85 Millionen. Die meisten davon – so auch Leinenbach, die bei ihrer Kleidung und bei Kosmetika ebenfalls versucht, vegan zu kaufen – machen es, um das Klima zu schützen. Laut Umweltbundesamt verursacht eine vegane Diät ca. 40 % weniger CO2 als eine omnivore. Der zweithäufigste Motiva­tionsfaktor ist, Tierleid zu vermeiden.

Leinenbach sieht ihre Mission aber nicht darin, Leute zu einer veganen Lebensweise zu überreden: „Ich möchte einfach jeden dazu inspirieren, ein bisschen mehr pflanzliche Lebensmittel in die Ernährung zu integrieren – und zeigen, dass das auch lecker schmecken kann.“ Offensichtlich nicht zum ersten Mal fügt sie hinzu: „Eher inspirieren statt missionieren.“

In Deutschland ist der Fleischkonsum in den letzten Jahren zwar nur leicht zurück­gegangen, gleichzeitig ist der Markt für Fleischersatzprodukte, die meistens auf Getreide oder Soja basieren, aber stark gewachsen. 2020 wurden weltweit 29,4 Mrd. US-$ mit pflanzenbasierten Ersatzprodukten umgesetzt, zeigt eine Statistik von Plant Based News, die sich auf Quellen von Bloomberg, der OECD, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Na­tionen und des Good Food Institute stützt. Bis zum Jahr 2030 soll der Umsatz auf knapp über 160 Mrd. US-$ steigen.

Leinenbach weiss, dass sie Werbung für ein boomendes Geschäft macht, und möchte das auch ausserhalb der sozialen Medien nutzen: „Lang­fristig haben wir das Ziel, aus Fitgreenmind eine selbstständig funktionierende Marke und Firma zu machen, die auch unabhängig von Social Media funktionieren kann. Das ist ein langer Weg, aber das ist das Ziel.“ Sie plant etwa, ein eigenes veganes Café oder ein veganes Restaurant zu eröffnen, wobei noch nicht klar ist, wo und wann. Und die Köchin möchte ihr Essen auch in den Supermarkt bringen, auch wenn sie hier mehr Ambitionen als konkrete Pläne zeigt: „Viele meiner Fans schreiben mir: ‚Deine Gerichte sehen voll lecker aus, aber ich habe einfach keine Zeit, zu kochen‘“, so Leinenbach. „Ich möchte ihnen diese Hürde nehmen. Jemand, der zum Beispiel meinen Buttertofu nicht selbst nachkochen möchte oder kann, soll ihn in Zukunft im Supermarkt kaufen können.“

Maya Leinenbach begann 2019, vegane Rezepte auf Instagram zu posten, heute gilt die 20-Jährige als die erfolgreichste vegane Foodbloggerin in Deutschland: Auf ihren Social-Media-Kanälen folgen ihr insgesamt mehr als 6,6 Millionen Menschen, ihr Kochbuch „Ach, das ist vegan?“ hat sich weltweit über 60.000 Mal verkauft.

Fotos: Sebastian Berger

Erik Fleischmann,
Redakteur

Up to Date

Mit dem FORBES-NEWSLETTER bekommen sie regelmässig die spannendsten Artikel sowie Eventankündigungen direkt in Ihr E-mail-Postfach geliefert.