Keine grüne, sondern blaue Revolution

Spätestens seit Greta Thunberg – aber nicht nur durch sie – ist die Frage der globalen Dekarbonisierung von der PR-Peripherie ins Zentrum gerückt, meinen Matthias und Tristan Horx vom Zukunftsinstitut.

Können Sie sich noch an die Zeiten erinnern, in denen das wundersame Wort Nachhaltigkeit in jedem Firmenbericht auftauchte? Es klang einfach gut und hatte nur wenige Konsequenzen. Da konnte man nachhaltige Riesenautos im Sinne ­eines nachhaltigen Geschäftsergebnisses bauen, und auf Pressekonferenzen waren die Journalisten vor lauter Nachhaltigkeit so reizüberflutet, dass sie einfach aufgaben und die Pressemitteilung abschrieben. Das ist vorbei. Spätestens seit Greta Thunberg – aber nicht nur durch sie – ist die Frage der globalen Dekarbonisierung von der PR-Peripherie ins Zentrum gerückt. Die Strategie von ein biss­chen Filtereinbau hier und ein wenig grüne Tünche dort ist vorbei. Jetzt wird es ernst – der CO2-Umbau wird im kommenden Jahrzehnt sogar die gloriose Digitalisierung in den Hintergrund drängen.

Besonders das Silicon-Valley-Geld strömt mit aller Macht in den grünen Sektor. Bill Joy, der mit Sun Microsystems Milliarden verdiente, finanzierte den neuen Liebling der Wall Street, Beyond Meat, und investierte in Solidia Tech, eine Firma, die 70 % CO2-Reduktion in der Zementproduktion anstrebt – bei den ungeheuren Mengen von Zement, die jedes Jahr auf dem Planeten verbaut werden, ein zukunftsentscheidendes Vorhaben. Bill Gates setzte auf Carbon Engineering, eine Firma, die aus CO2 Treibstoffe produziert. Sein neues „Breakthrough Energy Ventures“-Portfolio investierte in Boston Metal, das sich die Dekarbonisierung der Stahlproduktion vorgenommen hat, und Ionic Materials, das Poly­mere für eine neue Generation von Energiespeichern entwickelt– das Magazin Wired spricht von der „Jesus-Batterie“.

Matthias Horx (rechts)
... ist Autor sowie Gründer des Zukunftsinstituts mit Hauptsitz in Frankfurt und
Wien.

Sein Sohn Tristan Horx
... studierte Sozial- und Kulturanthropologie und beschäftigt sich beim Zukunfts­institut vor allem mit den Themen Generationen und Digitalisierung.

Denselben Trend – big money goes green – gibt es auch in China: Wang Chuanfu, ein stein­reicher Öko-Unternehmer, eröffnete einen gigantischen Campus zur Entwicklung postfossiler Energien. Und so geht es weiter: Unternehmen wie Volkswagen, Zara, Blackrock, Amazon, Google, Lego, KLM, BHP und sogar Harley-Davidson wollen Klimaschutz künftig zum Kern der Unternehmenspolitik machen.

Natürlich kann man all das immer noch unter der Rubrik „Greenwashing“ verbuchen. Aber es ist viel mehr. Man kann solche strategischen Wenden nicht nur simulieren, und man kann sie auch nicht mehr ungestraft zurücknehmen. Und es geht längst nicht mehr um Umweltschutz allein. Was die grüne Revolution von einer blauen unterscheidet, ist der generelle Ansatz: Grün steht für eine verschämte Umweltschutzlogik, bei der – vielleicht – ein bisschen gespart wird, verschämte Geschäftspolitik mit schlechtem Gewissen. Blau hingegen steht für ökotechnische Innovationen, die tatsächlich und ganzheitlich innovativ sind und ganze Märkte umkrempeln können. Man denke an Tesla. „Blau“ ist ein Unternehmen, wenn es sich direkt mit dem Planeten und den neuen Horizonten einer karbonfreien Zukunft verbindet, in der Produkte ungleich eleganter und zunehmend ökologisch sexy sind. Das erfordert und erzwingt ein anderes Denken, Handeln und Fühlen. Eine neue, jüngere Generation von Managern, die versteht, worum es geht, und nicht herumdruckst wie die Bosse der „old industry“, wird es richten.

 

Gastkommentar: Matthias Horx, Tristan Horx

Der Gastkommentar ist in unserer Januar-Ausgabe 2020 „Radical Change“ erschienen.

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