Keine Angst vor starken Frauen

Die Marken Women’s Best und Oner Active sind bei weiblichen Fitnessfans in den Vereinigten Staaten ein Renner. Was kaum jemand weiss: Hinter den Wachstumsunternehmen stecken drei junge Männer aus Innsbruck. Laut ihren Angaben haben sie dieses Jahr 130 Mio. € umgesetzt.

Es kommt nicht oft vor, dass ein Start-up aus Österreich in kürzester Zeit den amerikanischen Fitnessmarkt erobert – die Wahrscheinlichkeit, heute im Central Park in New York oder am Muscle Beach in Kalifornien an einer Sporttreibenden ein Kleidungsstück der Marken Women’s Best oder Oner Active zu entdecken, ist aber sehr hoch. Innerhalb von nur acht Jahren ist es den Brüdern Lukas (28) und David Kurzmann (31) sowie Mitgründer Thomas Mark (30), drei fitnessbegeisterten Innsbruckern, gelungen, aus einem Kinderzimmer-projekt einen E-Commerce-
Player für Sportkleidung und Nahrungsergänzungsmittel zu entwickeln. Die Frage, wie die jungen Geschäftsmänner auf die Idee kamen, ausgerechnet Frauenprodukte zu verkaufen, ist schnell beantwortet: Das Fitnessartikelangebot sei extrem männerlastig gewesen – sie hätten diese Nische entdeckt und erobert.

Die Sportbekleidung wird in verschiedenen Ländern hergestellt, etwa in der Türkei, Bangladesch und China. Besonderer Wert liegt nicht nur auf dem ästhetischen Erscheinungsbild. „Wir verwenden derzeit bewährte Materialien und Garne, die bei der Ausübung von Sportaktivitäten für optimale Performance sorgen“, sagt Lukas Kurzmann, der für das Produktmanagement der Kleidung und für Kommunikation zuständig ist. Produktionsskandale wie beim weltweit grössten Sportartikelhersteller Nike Anfang der 2000er--Jahre soll es bei Women's Best niemals geben. „Bei der Herstellung und Beschaffung unserer Produkte legen wir stets Wert auf Nachhaltigkeit und die Einhaltung ethischer Grundsätze.“

Mehr als die Hälfte des Exports wird in die Vereinigten Staaten versendet, etwa ein Viertel landet in Grossbritannien, der Rest grösstenteils in Festlandeuropa. Viele Menschen verorten aufgrund der Präsenz in den USA den Ursprung des Innsbrucker Jungunternehmens in Übersee. „Die Leute sind oft überrascht, wenn sie erfahren, dass wir aus Österreich kommen“, sagt Lukas Kurzmann lächelnd. Die drei Gründer nehmen solche Reaktionen mit Humor, sehen die falsche Annahme sogar als Kompliment: „Das ist schon witzig, wenn jemand sagt: ‚Das ist eine coole
Brand aus den USA – was machen die in Österreich?‘“, meint Thomas Mark. In der Gründungszeit sei der USA-Fokus noch viel extremer gewesen. Als die drei Unternehmer im Jahr 2015 starteten, war Instagram viel stärker in den Staaten verbreitet, knapp 90 % der Kunden hätten aus den USA bestellt. Die werbewirksame Nutzung der Social-Media-Plattform Instagram ist und war massgeblich für den Erfolgslauf verantwortlich. Beim sogenannten Influencer-Marketing wird ein Produkt, im konkreten Fall Sportbekleidung oder Nahrungsergänzungsmittel, durch direktes Platzieren oder indirektes Sponsoring in den Content einer reichweitenstarken Bloggerin integriert. Women's Best hat bereits in den Anfängen mit den reichweitenstärksten Fitness-Influencerinnen der Vereinigten Staaten zusammengearbeitet. Bereits im ersten Geschäftsjahr 2016 gelang der Sprung auf 10 Mio. € Umsatz – laut Unternehmensangaben. Der kometenhafte Aufstieg erfolgte erst im von der Coronapandemie geprägten Jahr 2020. „Es gab einen Work-out-Boom – während der Lockdowns wollte nahezu jeder Fitness machen“, erzählt David Kurzmann, der für Finanzen, Operations und Nutrition zuständig ist.

Women’s Best setzt sich zu gleichen Teilen aus Sportbekleidung und -nahrung zusammen, jeweils 50 %.

Gleichzeitig schossen auch die Klickzahlen der Social-Media-Kanäle ihrer Markenbotschafterinnen in die Höhe. Es sei der perfekte Zeitpunkt für eine neue Marketingoffensive gewesen, um diesen Trend zu nutzen. In diesem wegweisenden Jahr gründeten sie mit Oner Active eine weitere Marke, die gezielt auf Sportbekleidung für Krafttraining spezialisiert ist. Auch nach der Lockdown-Phase konnte der immense Anstieg der Einnahmen fortgesetzt werden. Nach eigenen Angaben erwirtschaftete die Gruppe (Women’s Best und Oner Active) 2023 einen Umsatz von mehr als 130 Mio. €. Die rasante Zunahme an Paketversendungen hatte eine Professionalisierung der Logistik dringend notwendig gemacht. Das Absenden der Pakete via DHL oder Fedex von Deutschland in die USA, wobei der Verkäufer die Versandkosten übernahm, erschien nicht mehr zeitgemäss. Thomas Mark, der den Verantwortungsbereich Logistik innehat, forcierte den Aufbau von Lagern, um effizienter in die Zielregionen liefern zu können. Seit diesem Jahr bestehen neben dem Hauptlager in München drei weitere Warehouses in den USA, Grossbritannien sowie in Dubai.

Auch die eigenen Social-Media-Kanäle erfuhren durch die Etablierung der beiden Marken in den Onlineauftritten bekannter Athletinnen und Fitness-Influencerinnen beeindruckende Reichweitenzuwächse: Women’s Best hat heute 3,2 Millionen und Oner Active 635.000 Follower (Stand Dezember 2023). Fotobeiträge auf Instagram-Seiten der Unternehmen werden von Zigtausenden Fans geliked. „Wir legen grossen Wert darauf, dass unsere 600 Markenbotschafter authentisch hinter den Produkten stehen; sie müssen sich wohlfühlen. Sie haben die Freiheit, aus dem gesamten Produktspektrum zu entscheiden, was sie bewerben möchten“, stellt Lukas Kurzmann klar. Die Auswahl der Influencer erfolgt gezielt und soll nicht nur auf Reichweite basieren, sondern auf einer inhaltlichen Übereinstimmung mit der Markenphilosophie. „Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die Influencer die gleichen Werte vertreten wie die Marken selbst“, so Lukas Kurzmann weiter. Besonders Women’s Best soll als mehr als nur eine reine Fitnessmarke verstanden werden, die Leggings, Sport-BHs und Proteinpulver anbietet. Die Vision der Gründer ist es, Frauen – insbesondere im Sport – zu stärken und ihr Selbstbewusstsein aufzubauen.  Kundinnen sollen sich in der Kleidung wohlfühlen und dadurch im Fitnessstudio ein gesteigertes Selbstbewusstsein erleben. In Zukunft soll die Nahrungsergänzungsmittelsparte stärker ausgebaut werden. „Die Richtlinien der Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelbehörde der Vereinigten Staaten (FDA, Anm.) sind sehr streng. Am Anfang hat uns das vor grosse Probleme gestellt, aber über die Jahre haben wir gelernt, wie wir diese effizienter erfüllen“, sagt David Kurzmann. Der Fokus liegt auf speziellen Bedürfnissen von Frauen: „Eisenmangel ist einer der grössten Ernährungs-mängel der Welt.“ 75 % aller Frauen seien davon betroffen.

Ein neues Eisenpräparat steht daher kurz vor dem Produktlaunch. „Vielen Frauen wird von Eisenpräparaten schlecht, deswegen haben wir jetzt über eineinhalb Jahre an einem Präparat gearbeitet, das aus verschiedenen Eisenquellen besteht.“ Das Produkt wurde durch interne Studien mit eigenen Mitarbeitern intensiv getestet und soll zu einem erschwinglichen Preis angeboten werden. „Der Fokus liegt darauf, Gesundheit für jede Frau zugänglich zu machen, ohne eine preisliche Zwei-Klassen-Gesellschaft zu schaffen“, so David Kurzmann. Im Jahr 2024 wollen die Unternehmer noch mehr Gewicht auf Bildung legen: „Die Sensibilisierung für psychische Gesundheit, Depressionen und Stress ist uns ein zentrales Anliegen.“ Auch das langfristige Ziel ist klar definiert: „Wir wollen die weltweit führende Marke in Bezug auf Frauen und Fitness werden.“

Lukas Kurzmann (28) und Thomas Mark (30) haben es dieses Jahr gemeinsam auf die „Under 30“-Liste von Forbes geschafft. 2015 starteten sie gemeinsam mit David Kurzmann (31) die Fitness-marke Women’s Best, 2020 gründete das Führungstrio die Sportbekleidungs-Brand Oner Active.

Foto: Dominique Huter

Paul Resetarits,
Redakteur

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