Jeder Wunsch beflügelt

Gemeinsam mit René Köhler gründete Philipp Schlüren 2017 Jet App mit dem Ziel, den Buchungsprozess von Privatflügen voll zu automatisieren. Seitdem ist er von diesem Ziel ein Stück weit zurückgetreten – immerhin ist die persönliche Interaktion zwischen Käufer und Verkäufer beim Chartern von Privatflügen mit ein Grund, warum seine Kunden sich so einen Service gönnen. Denn nur so kann ihnen der Flug so angenehm wie möglich gemacht werden.

Zu Beginn des Jahres verursachte die Sängerin Taylor Swift inter­nationalen Aufruhr – es ging dabei jedoch nicht um ein neues Album oder ausverkaufte Konzertkarten, sondern um einen Flug: Swifts Privatjet flog vom Spirit of Saint Louis Airport nach Cahokia Heights, Saint Louis; das gab der Tracking-Account @SwiftJetNextDay, hinter dem der Softwareentwickler Jack Sweeney steht, auf X bekannt. Demnach dauerte der Flug ganze 26 Minuten und kostete 844 US-$ an Treibstoff. Am selben Tag flog der Jet wieder zurück. Einige Tage später verkaufte Swift den anderen ihrer zwei Privatjets.

Es ist unklar, ob Swift an Bord der Flüge war – oft fliegen Privatjets nur sehr kurze Strecken, um an einem anderen Flughafen gewartet zu werden, Parkkosten zu sparen oder getestet zu werden. Und Swift ist bei Weitem nicht die einzige Berühmtheit, die mit dem Komfort einer privaten Maschine reist: Auch Ex-US-Präsident Donald Trump, Tesla-Milliardär Elon Musk oder Microsoft-Gründer Bill Gates fliegen jährlich Tausende Meilen mit ihren persönlichen Flugzeugen. Für manche ist der Privatjet ein normales Fortbewegungsmittel, für andere steht er für Verschwendung und Dekadenz. Dabei ist Komfort aber nicht der einzige Grund, warum sich manche einen Privatflug gönnen, sagt Philipp Schlüren, Gründer und CEO des Privatjet-Charterunternehmens Jet App: Eine Tournee wie Swifts „Eras Tour“ wäre mit Linienflügen schlichtweg unmöglich – und, wie unsere aktuelle Coverstory zeigt: Ihr Erfolg wird durch das private Fliegen nicht geschmälert.

Philipp Schlüren gründete Jet App im Jahr 2017, um den Buchungs­prozess von Privatflügen voll zu automatisieren. Dieser ist laut ihm stark fragmentiert: „Zuerst fragt man einen Flug an und be­kommt verschiedene Angebote, von denen man eines auswählt. Dann muss auf der anderen Seite geprüft werden, ob das Flugzeug noch verfügbar ist, denn zwischen dem Angebot und der Auswahl des Kunden vergehen – je nachdem, wie gross das Projekt ist – manchmal Wochen. Wir dachten uns: ‚Im 21. Jahrhundert muss das doch besser gehen.‘“

Mittlerweile organisiert Jet App 1.000 Charterflüge pro Jahr auf der ganzen Welt, vor allem aber in Westeuropa. Dabei fliegen rund die Hälfte seiner Kunden – von denen laut Schlüren ein paar auch schon am Forbes-Cover waren – für Business, die andere Hälfte „für Pleasure“. Fünf Mitarbeiter hat Schlüren fest angestellt, mit Free­lancern kommt er auf 25 bis 30 Vollzeitäquivalente. Das Ganze beschert seinem Unternehmen einen Jahresumsatz von rund zwölf bis 15 Mio. €.

Die Schlagzeilen rund um Taylor Swift zeigen, dass Schlürens Geschäft in der öffent­lichen Wahrnehmung sicher nicht mit offenen Armen empfangen wird – die CO2-Emissionen, die Privatflüge mit sich bringen, sorgen bei Klima­schützern für heftige Kritik. „Mit dem Privatjet zu fliegen ist das Schlechteste, was man der Umwelt antun kann“, sagte Andrew Murphy von der NGO Transport & Environment in einem Interview mit dem „Moment Magazin“ im Jahr 2022. Ganz kalt lassen solche Aussagen die Branche nicht, aber sie ist dennoch gut in Form. „Wir sind ein extremer Wachstumsmarkt“, sagt Schlüren. Sein Unternehmen sei seit der Gründung im Schnitt pro Jahr um 50 % gewachsen.

Schlüren spricht gerne über sein Geschäft, gute eineinhalb Stunden nimmt er sich für uns Zeit. Das ist kein Wunder, ist doch das Fliegen nicht nur sein Beruf, sondern auch seine Leidenschaft. Nach dem Abitur absolvierte der Stuttgarter die Ausbildung zum Berufspiloten und war seitdem immer im Markt für private Luftfahrt unterwegs. Auf einem seiner Flüge lernte er René Köhler kennen, den Gründer des E-Commerce-­Unternehmens Fahrrad.de. „René Köhler hatte sein Geschäft gerade an René Benko verkauft, und auf dem Rückflug hat er schon eine neue Herausforderung gesucht“, erzählt Schlüren die Gründungs­geschichte. Pilot und Fluggast kamen ins Gespräch, und da Köhler ebenfalls begeistert von der Business-Jet-Branche war, beschlossen die beiden, ihr eigenes Unter­nehmen zu gründen.

Nicht nur gemütlich, sondern auch effizient: Privatflüge passen sich an die Wünsche der Kunden an.

2017 entstand so die Jet App GmbH. Der Berufspilot Schlüren brachte die Flugerfahrung und die Marktkenntnis mit, Köhler stellte 2,5 Mio. € als Startkapital und seine Erfahrung als Geschäftsmann zur Verfügung. Die Unternehmens­anteile teilen sie laut Schlüren heute noch mit je 48,5 % untereinander gleich auf; die restlichen 3 % gehören internen Managern (zu Beginn war auch Schlürens Onkel, ebenfalls ein Pilot, dabei, seine Anteile wurden aber rausgekauft). Von Beginn an war das Angebot in sieben Ländern und in fünf Sprachen verfügbar.

Von der Mission, einen voll­automatischen Buchungsprozess für Privatflüge anzubieten, mussten die Gründer etwas zurücktreten. „Ganz ohne den Menschen wird es in ab­sehbarer Zeit nicht funktionieren“, sagt Schlüren. Nur ein Mensch könne auf die individuellen Kundenbedürfnisse eingehen, die Privatjet-Flüge so attraktiv machen.

Dennoch ist Jet Apps Ziel immer noch, den Buchungsprozess so automatisch wie möglich zu gestalten. Kunden können einen Flug auf der Website, per Telefon oder auf einer Nachrichtenplattform – egal ob Whatsapp, Signal oder Telegram – buchen. „Alles, was es gibt, decken wir ab“, so Schlüren. Ein Mensch überprüft anschliessend, ob zum gewünschten Datum ein Flugzeug verfügbar ist. „Über unser internes System sind wir an jedes kommerzielle Businessjet-Flugzeug der Welt angeschlossen“, so der Gründer. „Wir haben alle Parameter automatisch im Blick: Ist das Flugzeug verfügbar? Gibt es Folgeaufträge von diesem Flugzeug, die uns womöglich einen besseren Preis bei der Airline bringen könnten, weil wir es nach dem Flug nicht neu positionieren müssen? Passen die Wartungszyklen? Kann ich das Flugzeug dementsprechend dem Kunden anbieten?“ Dabei wird, wie auch bei anderen Anbietern von Privatflügen, Rücksicht auf spezielle Kundenwünsche genommen, egal ob diese eine bestimmte Mahlzeit an Bord essen oder mit ihrem Haustier am Schoss reisen wollen.

Neben der Gemütlichkeit ist vor allem die Effizienz ein Grund, warum Schlürens Kunden privat fliegen. „Privatflüge sind unheimlich effizient und gleichzeitig planungs­sicher“, sagt er. Der Kunde gibt den Zeitplan vor und muss sich nicht durch die normale Sicherheits­kontrolle eines Flughafens plagen; ausserdem sind kurzfristige Plan­änderungen kein Problem. Dazu kommt, dass Privatjets mehr Flughäfen anfliegen können als Linienflüge: Weltweit gibt es laut dem Gründer von Jet App 1.900 Verkehrsflughäfen – und zusätzlich 2.600 kleinere Flughäfen, auf denen private Maschinen landen können, nicht jedoch die Flugzeuge anderer Airlines. Zählt man Gras-, Sand- oder Schotterpisten – auf denen zugegebenermassen aber nur wenige Privat­jets landen können – dazu, gibt es laut Schlüren insgesamt 43.000 Landemöglichkeiten.

Die letzten Jahre waren nicht nur für Schlüren, sondern für die gesamte Business-Jet-Branche profitabel. Die Covid-Pandemie legte Linienflüge lahm; Privatflüge waren ebenfalls eingeschränkt, konnten aber zumindest in geringerem Umfang stattfinden. Einen grösseren Schub gab es für Jet App dann nach der Pandemie, als Reisebeschränkungen aufgehoben wurden, kommer­zielle Fluggesellschaften aber (unter anderem aufgrund von Personal­mangel) die Nachfrage nicht bedienen konnten. „Es hat circa eineinhalb Jahre gedauert, bis die Airlines das Streckennetz nach Corona wieder etablieren konnten“, so Schlüren. Das be­scherte seinem Unternehmen viele Neukunden, von denen einige beim privaten Fliegen geblieben sind. Zum Teil sind die Umsätze des Unternehmens während der Pandemie um 80 % gestiegen.

Für Schlürens Kunden (er fliegt übrigens nur selten privat) mag das Reisen mit Privat­flügen zwar schnell und gemütlich sein, das Klima leidet jedoch darunter, auch wenn Privatflüge nur rund 2 % der Luftfahrt ausmachen. Schlüren weist darauf hin, dass die meisten Privatflugzeuge kleiner und neuer sind als die Maschinen kommerzieller Flug­linien und somit weniger Treibstoff verbrauchen, zumindest in absoluten Zahlen. Pro Person stösst ein Privatflug aber rund 14 Mal so viel CO2 aus wie ein Linienflug, hat das Momentum Institut berechnet. Dazu kommt, dass die meisten Privatflüge nur kurze Distanzen zurücklegen: Laut Greenpeace sind fast 40 % der europäischen Privatflüge Ultrakurzstrecken-Flüge, die weniger als 500 km zurücklegen. Weil Start und Landung am meisten Treibstoff verbrauchen, sind solche Flüge ineffizienter.

Auch dafür wurde Swift Anfang des Jahres kritisiert. Gemeinsam mit Trump, Musk und Gates hat sie laut Jack Sweeney allein im Januar 533 Tonnen CO2 durch Privatflüge verbraucht. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Fussabdruck eines Deutschen beträgt laut dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz 10,5 Tonnen CO2-Äquivalente im Jahr. Zugegeben hinkt der Vergleich etwas, weil die vier Berühmtheiten vor allem in den USA unterwegs sind, wo auch Züge im Schnitt mehr CO2 emittieren als hierzulande – die Differenz ist trotz­dem enorm.

Bei Jet App können Kunden, ähnlich wie bei vielen Linienflügen, gegen einen Aufpreis die CO2-Emissionen ihres Flugs begleichen lassen; ein Angebot, das laut Schlüren „ex­trem viele“ nutzen. In Zusammen­arbeit mit der Non-Profit-Organi­sation Atmosfair investiert Jet App das zusätzliche Einkommen in Klimaschutzprojekte. Ausserdem ­finanziere Jet App zusätzliche klimafreundliche Projekte, sagt der Gründer. Und weil immer mehr Menschen Wert auf Klimaschutz legen, sei die ganze Branche „auf Nachhaltigkeit getrimmt“: Die Ent­wicklung hin zu effizienteren An­trieben sei bei privaten Maschinen deutlich schneller als bei normalen Flugzeugen.

Trotz der Klima-Kritik ist Schlüren deshalb optimistisch, dass sich die Branche und sein Unter­nehmen in eine positive Richtung entwickeln. Die Nachfrage nach Privatflügen ist einfach da – und die steigende Anzahl an Superreichen wird die Branche laut mehreren Berichten von Unternehmens­beratungen auch längerfristig beflügeln. Schlüren: „Menschen gehen gerne auf ein Taylor-Swift-Konzert, aber wie soll sie eine weltweite Tournee schaffen, wenn nicht mit einem Privatjet? Ich habe keine Angst vor der Zukunft.“

Philipp Schlüren absolvierte nach der Matura die Ausbildung zum Piloten und ist seitdem in der Business-Jet-Branche tätig. 2017 gründete er gemeinsam mit René Köhler Jet App.

Fotos: Jet App

Erik Fleischmann,
Redakteur

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