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An der Universität St. Gallen bringt die Schweizerin Patricia Widmer „Women Back to Business“.
Vor 15 Jahren war die Welt noch anders – oder? Patricia Widmer leitet heute den Weiterbildungslehrgang „Women Back to Business“ an der Universität St. Gallen. Ein Job wie gemacht für die Schweizer Ex-Bankerin, die für ihren beruflichen Wiedereinstieg hart gekämpft hat. Denn was zunächst den Anschein einer „glatten“ Karriere hatte, nahm letztlich zahlreiche Umwege.
Zurück zum Anfang: Patricia Widmer wurde nach ihrem BWL-Studium mit Schwerpunkt Banking und Finance an der Universität Zürich sowie einem Traineeship im Private-Banking-Sektor einer Schweizer Grossbank zum Associate Director befördert. Ihre Karriere hätte auch nach der Geburt ihres ersten Kindes so weitergehen können, sagt sie heute. Beim Wiedereinstieg hatte man aber unterschiedliche Meinungen. „Zum einen habe ich mir damals nicht vorstellen können, dass schwanger zu sein ein Problem sein könnte. Zum anderen hätte ich mir einen graduellen Wiedereinstieg mit entsprechender Flexibilität gewünscht.“ Die Bank sah das anders.
So blieb auch die Frage des ehemaligen Arbeitgebers, ob sie denn damit leben könne, dass für ihren graduellen Wiedereinstieg ihre Kollegen im Team mehr arbeiten müssten, unbeantwortet. Denn Widmer beschloss, mit ihrem Mann in die USA zu gehen, der in Michigan einen MBA absolvieren wollte. „Ein gemeinsames Abenteuer“, strahlt sie, offenbar noch immer begeistert von ihrer Entscheidung. Aus den zunächst zwei geplanten Jahren für die Ausbildung wurden letztlich vier. Widmers Mann heuerte gleich nach der Ausbildung beim Strategieberater McKinsey an – und das zweite Kind des Paares war auf dem Weg.
Ohne Arbeitserlaubnis für die USA verlegte sich die Ex-Bankerin auf Freiwilligenarbeit – war unter anderem als Leiterin eines Familienprogramms jener Uni, an der ihr Mann studierte, tätig. Später war Widmer im Fundraising für die American Cancer Society aktiv. „Ich habe viele dieser Tätigkeiten wahrgenommen – und dabei viel gelernt. Zudem war es mir immer schon wichtig, Input zu bekommen. Weil ich persönlich davon überzeugt bin, eine bessere Mutter zu sein, wenn ich diesen Ausgleich habe“, sagt sie. Und selbst, wenn Aussagen dieser Art mancherorts einfach nicht gut ankommen, irgendwann – und da bricht sie fast in lautes Gelächter aus – komme man an einen Punkt, an dem man genug Karten gespielt und gebastelt hat. „Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich liebe meine Kinder.“
Nach vier Jahren in den USA ging es für weitere drei Jahre nach Frankfurt – ein weiterer Neustart in einem Umfeld ohne Netzwerk, Familie und Freunde. „Ich wollte beruflich wieder Fuss fassen, muss aber gestehen, dass mich die Realität damals eingeholt hat.“ Trotz Unterstützung ihres Mannes, der beruflich voll eingespannt war, entwickelte sich zwischen dem Paar fast automatisch eine traditionelle Rollenaufteilung – bis die Familie wieder in die Schweiz zurückkehrte, wo Widmer zur Kenntnis nehmen musste, dass mit all der unbezahlten Arbeit für die gute Sache beruflich in der Schweiz kein Fortkommen war. „Ich gebe zu, das war frustrierend.“
Mehr durch Zufall fiel damals ihre Aufmerksamkeit auf das „Women Back to Business“-Programm der Uni St. Gallen. „Ich habe mich sofort wiedergefunden und kurzentschlossen mitgemacht“, erzählt sie. Wenngleich sie anfangs Bedenken gehabt hätte, in dieser General-Management-Weiterbildung als Betriebswirtin einige Déjà-vus zu erleben. Gedanken, die sie sich, wegen der bunt gemischten Gruppe der Teilnehmerinnen – „wir hatten alles dabei, von der Naturwissenschafterin bis zur Konzertpianistin“ – nicht hätte machen müssen. „Unter BWL-ern pflegt man immer die gleiche Herangehensweise an Problemlösungen. Wenn eine Kulturwissenschafterin auf einen Case blickt, kommen Fragen zutage, auf die wäre ich nicht gekommen.
Die Situation war paradox. Ich war bei der Zertifikatsverleihung von „Women Back to Business“ wieder ohne Job.
Und mit dem Job ging’s bergauf: Widmer fand rasch den Wiedereinstieg im Private Banking. „Die Bank musste aber wegen regulatorischer Hindernisse schliessen, weshalb es zu der paradoxen Situation kam, dass ich bei der Zertifikatsverleihung wieder ohne Job war“, blickt Widmer auf ihre damals gemischten Gefühle zurück. Lange habe es allerdings nicht gedauert, bis Gudrun Sander, die Gründerin des Programms „Women Back to Business“, das damals nur in deutscher Sprache angeboten wurde, Widmer anfragte, dieses in englischer Sprache aufzusetzen und auch gleich zu leiten. Nach kurzer Zeit übernahm Widmer dann auch die Leitung des deutschsprachigen Programms und ist heute für beide Kurse verantwortlich.
Die Zielgruppen? Grundsätzlich richte sich das Programm an gut qualifizierte Frauen mit einem Universitäts- oder Fachhochschulabschluss. Insbesondere im englischen Programm können drei Untergruppen unterschieden werden, sagt sie. Zur ersten, die Schweizerinnen, die im Ausland gelebt haben, zurückkommen und von ihrem internationalen Schwung profitieren bzw. im internationalen Umfeld weiterarbeiten wollen, zählt sich Widmer selbst. Zur zweiten gehören „klassische Expat-Familien, die zwei bis drei Jahre in der Schweiz sind – und natürlich auch oft hier hängenbleiben“, so Widmer weiter. Oft entstehe in dieser Gruppe das Problem, dass sie sich – mit nur zwei Jahren zeitlicher Perspektive – nicht wirklich auf das Leben in der Schweiz einlassen. „Und dann sind sie plötzlich sechs Jahre hier – und haben sich nicht ausreichend integriert.“ Die dritte Gruppe setzt sich aus Ausländerinnen zusammen, die aus anderen Gründen in die Schweiz gekommen sind. „Diese Frauen haben einen Schweizer als Ehemann oder ein internationales Assignment in der Schweiz.“ Die Netzwerke aus Absolventinnen und deren Partnern seien, neben den freundschaftlichen Verbindungen, die entstehen, vor allem auch beruflich gewinnbringend. „Immer wieder haben Partner der Teilnehmerinnen anderen den Wiedereinstieg ermöglicht“, so Widmer. Für diejenigen, die das Fortbildungsbudget von 24.000 CHF für die anderthalbjährige Weiterbildung nicht ganz aufbringen können, steht ein Fonds bereit, der indirekt aus Sponsorengeldern der Partnerunternehmen von „Women Back to Business“ ausgestattet wird. Eine Förderung ist allerdings einkommensabhängig.
Wie geht es weiter? Anlässlich des 10-Jahres-Jubiläums wurde in diesem Jahr eine Evaluation unter Absolventinnen durchgeführt, die potenzielle Wege in die Zukunft weist, so Widmer erfreut. „Spannend an den Ergebnissen war, herauszufinden, dass immer mehr Teilnehmerinnen Umsteigerinnen sind. Fast 40 Prozent gehen in eine andere Branche oder an eine höherqualifizierte Stelle“, so Widmer. Interessant sei das insofern, als auch zahlreiche Studien zu Erwerbsbiografien mehrere Jobwechsel aufweisen und künftig auch aufweisen werden. „Es macht Sinn, sich auf den Umstieg und die Umpositionierung zu fokussieren.“ Ein weiteres Asset der aktuellen Weiterbildung werde in Zukunft schlagend sein, so Widmer weiter. „Das Begleitprogramm – das Coaching und Mentoring, die Auftrittskompetenz und vieles mehr, das in den Bereich der Softskills fällt. In einer zunehmend komplexen Welt suchen Menschen nach individualisiertem Coaching, nach Orientierung, die auf sie zugeschnitten ist. Das kann ein Mehrwert sein.“ Und auch eine Zukunft.
Dieser Artikel ist in unserer Juli-Ausgabe 2018 „Wettbewerb“ erschienen.