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Die Welt ist mit billigen Antibiotika überflutet – warum versucht Bob Duggan, CEO des britischen Pharmaunternehmens Summit Therapeutics, also, ein neues zu entwickeln – und wie wird er damit Geld verdienen?
Bob Duggan hätte seine Karriere ruhig beenden können, nachdem er 2015 seine Biotech-Firma für Krebsmedikamente, Pharmacyclics, an das amerikanische Biotechnologie- und Pharmaunternehmen Abb Vie verkauft hatte. Zu der Zeit war er 71 Jahre alt und besass ein Gesamtvermögen von drei Milliarden US-$. Er hätte in sein Haus in Costa Rica, das mit einem riesigen grünäugigen Jaguar bemalt ist, zurückkehren und dort den Rest seines Lebens verbringen können – am Strand, beim Surfen und beim Lesen von Büchern über Scientology. Jedoch wies der heute 76-jährige Duggan die Idee, in den Ruhestand zu gehen, zurück: „Der Wunsch, einen Unterschied zu machen und die eigenen Fähigkeiten zum Tragen zu bringen, ist in jeder Person verankert“, sagt er. „Das hat nichts mit dem Alter zu tun.“
Im April wurde Duggan zum CEO des in Abingdon, Grossbritannien, sitzenden Pharmaunternehmens Summit Therapeutics, als er mehr als 60 % der an der Nasdaq gelisteten Firma für rund 63 Millionen US-$ kaufte. Summit Therapeutics, 2003 gegründet, hat noch keine bedeutsamen Gewinne erzielen können, entwickelt jedoch ein neues Antibiotikum für die weitverbreitete und gefährliche Infektion mit Clostridioides difficile (C. diff.), die sich durch Fäkalien verbreitet und oft in Spitälern sowie Altersheimen zum Problem werden kann. C. diff. löst Durchfall und in akuten Fällen Organversagen aus und kann zum Tod führen. Jährlich werden rund 250.000 Amerikaner mit dem Keim infiziert – davon sterben 13.000.
Bob Duggan
... absolvierte ein Business-Administration-Studium an der UCLA; bereits mit 20 Jahren hatte er seine ersten Investments getätigt. 2008 wurde er CEO des Biotech-Unternehmens Pharmacyclics, 2020 folgt der Wechsel zum Pharmaunternehmen Summit Therapeutics, wo er auch CEO ist.
Duggans Vorhaben ist ehrenwert, aber schwierig. Es ist allgemein bekannt, dass Antibiotika eine der grössten Errungenschaften des 20. Jahrhunderts sind – bevor 1928 Penicillin entdeckt wurde, waren infektiöse Krankheiten die häufigste Todesursache in Amerika, die Lebenserwartung lag bei nur 58 Jahren. Antibiotika haben das verändert: Mit günstigen Behandlungen, die für die meisten zugänglich sind, beträgt die Lebenserwartung eines Kindes, das heutzutage zum Beispiel in Cleveland geboren wird, 80 Jahre.
Es gibt jedoch zwei Probleme, wenn es um Antibiotika geht. Erstens die wirtschaftliche Seite: Es gibt schon sehr viele Antibiotika auf dem Markt, die meisten davon sind günstige Generika. Amoxicillin wurde zum Beispiel 1973 entwickelt und ist heute eines der meistverschriebenen Antibiotika der Welt.
Ohne Patent kostet es weniger als 1 US-$ pro Pille und ist dafür höchst effektiv. Die Kosten, um ein neues Medikament zu entwickeln, liegen jedoch bei rund 1,3 Milliarden US-$ – nicht weiter verwunderlich, dass heutzutage fast niemand mehr versucht, ein neues Antibiotikum zu entwickeln. Es gibt keinen einfachen Weg, die hohen Ausgaben wieder hereinzuholen.
Dazu kommt noch die wissenschaftliche Seite: Bakterien mutieren und entwickeln sich ständig weiter. Das führt dazu, dass widerstandsfähige Bakterienstämme überleben und sich weiter verbreiten. Patienten, die mit resistenten Bakterien infiziert sind, müssen ein anderes Antibiotikum erhalten. Daher werden neu entwickelte Antibiotika von „Ärzten für sehr ernst zu nehmende Fälle aufbewahrt werden“, erklärt Samir Devani, Gründer von Rx Securities, einer wissenschaftlich orientierten Bank in London. „Kommerziell heisst das konkret, dass neue Antibiotika auf die Seite gelegt und nicht verwendet werden“, so Devani.
Das Resultat: Für grosse Pharmakonzerne lohnt es sich schlichtweg nicht, neue Antibiotika zu entwickeln, und für die kleinen Firmen, die es tun, ist es eine grosse Herausforderung. Zwei Firmen, die ähnlich wie Summit Therapeutics aufgestellt waren, Achaogen und Melinta Therapeutics, gingen in den letzten 18 Monaten in Konkurs. In den letzten 20 Jahren wurden nur 25 neue Antibiotika zugelassen, viele davon waren Derivate bestehender Medikamente. Vor alldem hat der überzeugte Scientologe Duggan jedoch keine Angst – er hat schon öfters in Aussenseiter investiert und davon profitiert.
KOSTEN UND NUTZEN
(Quelle: Forbes US)
Mit seinen Investments hat Duggan begonnen, als er rund 20 Jahre alt war und Business Administration an der UCLA studierte. „Meine Investmentkarriere startete ich mit 5.000 US-$“, sagt er, „innerhalb von anderthalb Jahren hatte ich schon eine halbe Million US-$.“ Eine der ersten Firmen, in die er investierte, war Sunset Designs, der Produzent der „Jiffy Stitchery“-Stick-Kits, der in den 80ern um 15 Millionen US-$ an die britische Reckitt Benckiser Group, Hersteller von Reinigungsprodukten und Haushaltswaren, verkauft wurde. Darauf folgten Investitionen in eine Bäckereikette, eine Ethernet-Firma (Ethernet spezifiziert die Hard- und Software für kabelgebundene Datennetze) und in ein Unternehmen, das robotergestützte chirurgische Instrumente konzipierte. 2008 wurde Duggan CEO des Biotech-Unternehmens Pharmacyclics. Schliesslich erreichte Duggan die Milliardenmarke: Das Medikament Imbruvica von Pharmacyclics stellte sich plötzlich als effektive Behandlung für B-Zell-Karzinome heraus, darunter die chronische lymphatische Leukämie (CLL), eine der häufigsten Formen von Leukämie bei Erwachsenen. Dies führte direkt dazu, dass Abb Vie die Firma um 21 Milliarden US-$ übernahm.
Wie bei Pharmacyclics hängt die Zukunft von Summit Therapeutics von einem einzigen Medikament ab: Ridinilazol, ein neues Antibiotikum gegen C. diff., das gerade getestet wird, um das Generikum Vancomycin zu ersetzen. In der klinischen Phase II hat sich Ridinilazol nicht nur als effektiver erwiesen, sondern auch als potenzieller Vorbeuger einer erneuten Infektion. Wenn Summit Therapeutics es schafft, zu beweisen, dass Ridinilazol die Krankheit nicht nur behandelt, sondern auch präventiv einsetzbar ist, könnten Spitäler dafür mehr verlangen.
Der Biotech-Analyst Alan Carr glaubt, dass Ridinilazol gute Chancen auf Erfolg hat. „Bei der Behandlung von C. diff. gibt es eine attraktive Marktchance“, sagt Carr und erläutert, dass der Preis von Ridinilazol wahrscheinlich höher liegen wird, da es sich um eine Pille und nicht um ein intravenös verabreichtes Medikament handelt, was bedeutet, dass es auch Patienten ausserhalb eines Krankenhauses verschrieben werden kann. Aber „ich glaube nicht, dass es ein Milliarden-US-$-Medikament ist", sagt Carr. Ich glaube, es könnte ein paar hundert Millionen einbringen, aber nicht mehr.“
Für Duggan läuft jedoch alles auf die einfachste Weisheit hinaus: „Wie kann man kein Geld verdienen, wenn man das liefert, was Patienten brauchen?“
Text: Leah Rosenbaum / Forbes US
Foto: Christian Peacock / Forbes US
Der Artikel erschien in unserer November/Dezember-Ausgabe 2020 „Security“.