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Ausser ihm hat sich bisher kein Deutscher so weit ins Silicon Valley vorgewagt: Richard Socher gilt als „German Wunderkind“ und Hoffnungsträger der hiesigen KI-Industrie. Der ehemalige Chefwissenschaftler von Salesforce hat 2020 die KI-basierte Suchmaschine You.com entwickelt, mit der er nun Google den Kampf ansagen will.
Richard Socher schätzt die Ruhe in seinem Büro mitten in der kalifornischen Bay Area, eine halbe Stunde entfernt vom Silicon Valley mit seinen sterilen Start-up-Fabriken und Bürokomplexen und schillernden wie weltberühmten CEOs. Socher gehört nicht dazu: Er ist promovierter Informatiker und wirkt sehr bodenständig; sein Arbeitsgewand sind T-Shirt und Jeans. Obwohl er ein viel beschäftigter Mensch ist, schaut er während des Zoom-Interviews mit Forbes nicht einmal auf sein Handy. Wenn sich Socher einer Sache widmet, dann voll und ganz.
2014 gründete er Metamind, ein Start-up für künstliche Intelligenz: „Ich wollte, dass KI nicht nur in der Forschung, sondern auch im Leben der Menschen einen Platz bekommt“, sagt Socher. 2016 kaufte der Computersoftware-Riese Salesforce das Unternehmen und ernannte ihn zum Chefwissenschaftler. Damals war Socher gerade einmal 33 Jahre alt. „Gerade in meinen Zwanzigern habe ich eigentlich nur gearbeitet“, sagt er.
Heute ist er nicht mehr bei Salesforce tätig, stattdessen hat er wieder etwas Eigenes gebaut: Mit seiner KI-basierten Suchmaschine „You.com“ will er die Websuche revolutionieren. „Unser Ziel ist es, die beste Chat-Suchmaschine der Welt zu entwickeln“, erklärt Socher stolz. You.com arbeitet mit Chatbot, einer KI, die auf menschliche Anfrage die aktuellsten Daten aus dem Internet extrahiert und die wahrscheinlichste Antwort evaluiert.
Mittlerweile hat You.com laut Forbes US weit über eine Million aktiv suchende Nutzer erreicht. Als Startkapital erhielt
You.com 20 Mio. US-$ von Salesforce-Gründer Mark Benioff; eine überschaubare Summe im Vergleich zu den zehn Mrd. US-$, die Alphabet in sein KI-Start-up Anthropic investierte. Der Tech-Gigant lancierte mit dem 2021 gegründeten Unternehmen ebenfalls eine Chatbot-basierte Internetsuche – prominente Konkurrenz also für Socher. Der aber ziert sich nicht und greift Alphabet trotzdem an, und er gibt sich zuversichtlich: „Die Konsumenten sind selbst kritischer geworden und wollen das Geschäftsmodell von Google nicht mehr unterstützen.“
Den typischen kalifornischen Machtwillen teilt er nicht. Socher will, so sagt er, aus den Fehlern vergangener Konzerne lernen und sich von Anlegern nicht unter Druck setzen lassen. Aber auch Socher muss Geld verdienen, wenn er die Welt verändern will; ein Werbemodell schliesst er nicht aus: Demnächst wird ein You.com-Premium-Abonnement Nutzern ermöglichen, werbefrei zu surfen. Damit soll die Suchmaschine endlich konkurrenzfähig werden und schwarze Zahlen einfahren.
Darüber hinaus haben Nutzer von You.com auch Zugriff auf diverse Features wie etwa ein integriertes Schreibprogramm, das Texte in erstaunlicher Qualität erzeugt und in der Lage ist, kohärente Essays zu verfassen. Socher ist sich bewusst, dass viele Menschen eine so fähige KI fürchten oder ihr misstrauen. Doch er beruhigt: „Zu Zeiten der industriellen Revolution hatten die Leute auch Angst, durch Maschinen ersetzt zu werden. Jetzt ist man froh, nicht mehr auf Feldern schuften zu müssen.“
Socher schuftet zwar nicht auf Feldern, aber trotzdem hart. Sogar nachts nimmt er sich Zeit für Interviews und Pressetermine mit Reportern aus Europa. Mittlerweile versucht er aber auch, mit seiner Frau abends zu essen und sich seinem grössten Hobby, dem Gleitschirmfliegen, zu widmen. Socher: „Man bekommt ganz neue Eindrücke von der Welt, und durch die Fotografie kann ich diese Blickwinkel auf die Welt mit anderen Menschen teilen.“
Noch ist er kein KI-Missionar wie Elon Musk, aber wenn Socher spricht, dann hört die Tech-Welt hin. Seine publizierten Forschungsarbeiten gehören zu den meistzitierten Werken der Tech-Branche. Dieses Jahr trat er als Speaker auf dem OMR Festival auf und referierte vor Zehntausenden Menschen. Er begegnet gravierenden Problemen wie dem Klimawandel oder Armut mit alternativen Lösungen.
Sochers Lebensweg hat ihn auf drei Kontinente geführt: 1983 in Dresden als Sohn eines Wissenschaftlers und einer Ingenieurin geboren verbrachte er den Grossteil seiner Jugend in Äthiopien. Nach seinem Informatikstudium in Saarbrücken zog es ihn zur Promotion nach Stanford, in die akademische Vorstadt des Silicon Valley. Dort verliess er als Jahrgangsbester das Feld und bekam einen Lehrauftrag an der Princeton University. Doch Socher tauschte die Ivy League gegen das Silicon Valley und gründete 2014 Metamind, ein Start-up für künstliche Intelligenz: „Ich wollte, dass KI nicht nur in der Forschung, sondern auch im Leben der Menschen einen Platz bekommt.“
Richard Socher ist eine der prominentesten deutschen Stimmen, wenn es um KI geht. Ehemals Chefwissenschaftler bei Salesforce und CEO von Metamind, hat er mit You.com eine Suchmaschine entwickelt, die bereits eine Million Nutzer zählt.
Text: Helene Hohenwarter
Infografik: Emin Hamdi
Foto: Eric Millette