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Die Reise- und Tourismusbranche wurde von der Pandemie getroffen wie kein anderer Sektor. Doch Corona scheint nun tatsächlich die Luft auszugehen – das gibt Aktien aus dem Bereich neue Kraft.
Die Krise liess kaum einen Bereich des Lebens und der Wirtschaft ungeschoren – doch ohne Frage traf es Tourismus und Reisen am härtesten. Ohne Staatshilfen wäre ein Grossteil des Sektors wohl ausradiert worden. Aktien von Airlines, Hotelbetreibern, Reiseunternehmen und deren Zulieferern wurden von Corona regelrecht ausgebombt. Und doch zeigte sich schon im Vorjahr nach jeder Positivmeldung über die Entwicklung neuer Impfstoffe, wie viel Kraft noch in diesem Bereich steckte. Innerhalb weniger Tage zogen die Kurse kräftig an – um dann mit Nachrichten über das Auftauchen neuer Mutationen wieder in die Knie zu gehen.
In den letzten Wochen ging aber die Post ab: Der Sektor der europäischen Reise- und Freizeitbranche hatte Mitte März ein Rekordhoch erreicht. Zuvor hatte er sich in einer monatelangen Aufholjagd vom Corona-Absturz (auf den tiefsten Stand seit Anfang 2012) erholt. Der STOXX 600 Travel & Leisure Index, der die 600 wichtigsten europäischen Aktien aus diesem Bereich abbildet, legte binnen Jahresfrist um mehr als 50 % zu (alle Zahlen, wenn nicht anders angegeben, Stand Redaktionsschluss).
Biontech verleiht Flügel: Mit steigenden Impfzahlen, konkreteren Bestimmungen über den Grünen Pass für Geimpfte und klaren Regelungen über das Reisen steigt die Stimmung in der Bevölkerung und steigert die Lust auf ebendieses nach schier endlosen Lockdowns.
Und so haben 33 % der Deutschen bereits konkrete Reisepläne für den Sommerurlaub: Jeweils 16 % unter ihnen wollen innerhalb Deutschlands oder innerhalb Europas verreisen, 5 % planen sogar eine interkontinentale Reise, wie eine Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsinstituts You Gov in Kooperation mit dem deutschen Onlineportal für Statistik Statista zum Thema Sommerurlaub zeigt. Vor diesem Hintergrund rücken Aktien aus der Branche in den Fokus der Anleger. Dazu gehört auch der deutsche Konzern TUI, der mit Reisebüros, Incoming-Agenturen, Hotels, Fluggesellschaften, Kreuzfahrtschiffen und Reiseveranstaltern das grösste Touristikunternehmen der Welt ist.
Mit mehr als 48.000 Mitarbeitern machte TUI mit Doppelsitz in Berlin und Hannover im Vorjahr 7,95 Milliarden € Umsatz. Im Vor-Corona-Jahr 2019 beschäftigte TUI noch mehr als 71.000 Mitarbeiter. Der deutsche Staat erhöhte wegen des brachliegenden Tourismusgeschäfts die Staatshilfen für TUI von 1,8 Milliarden um weitere 1,2 Milliarden €. Die Aktie des Konzerns litt und brach von einem Kurs von mehr als 7 € im November 2019 auf 1,8 € im September 2020 ein.
Seitdem geht es aber kräftig aufwärts: Zuletzt notierte TUI wieder bei knapp 5 € – hat damit aber noch genügend Luft zum All-Time-High von rund 12 € im Mai 2018. Trotzdem sind nicht alle Analysten begeistert von der Aktie: Die DZ Bank hat die Einstufung für TUI auf „Verkaufen“ (mit einem fairen Aktienwert von 2,60 €) belassen. Mit einer nachhaltigen Rückkehr in die Gewinnzone rechnet Analyst Herbert Sturm nämlich erst 2022/23. Auch die Nord LB hat ihr Votum weiter auf „Verkaufen“ (mit einem Kursziel von 3 €) gesetzt.
Doch nicht jeder sieht den Reisekonzern in dunklen Farben: Aktuell sei das TUI-Papier mit einem Kurs-Umsatz-Verhältnis von 0,67 immer noch günstig bewertet, meint Börsenexperte Christof Welzel von The Motley Fool Deutschland: „Aus dieser Perspektive besitzt sie weiteres Potenzial.“ Und: Der Konzern geht sogar davon aus, für die Sommersaison bereits wieder 75 % seiner Vorkrisenkapazität bereitstellen zu können. So haben sich die Buchungen seit April 2021 schon verdoppelt. Der deutsche Reiseriese hält deshalb ab dem vierten Quartal 2021 auch einen Gewinn wieder für möglich, so Welzel.
Wenn es um Reisen und Airlines geht, führt natürlich kein Weg an der Lufthansa vorbei. Die „Kranich-Airline“ – nach dem Vogel im Logo, gegründet 1926 in Berlin und 1953 neu aus der Taufe gehoben – ist Gründungsmitglied der grössten Luftfahrtallianz Star Alliance und gehört zur Lufthansa Group, dem grössten Luftverkehrskonzern Europas. Auch Swiss, Brussels Airlines und Austrian Arlines (AUA) sind Töchter der Lufthansa.
2019 erwirtschafteten noch mehr als 138.000 Mitarbeiter weltweit 42,6 Milliarden € mit einem Gewinn von mehr als einer Milliarde € – rund 13,6 Milliarden € waren es im Jahr 2020. Das bedeutet einen herben Umsatzverlust von rund 23 Milliarden € in nur einem Jahr – Corona lässt grüssen. Die Folge war ein Rekordverlust von 6,7 Milliarden €. Deutschland, Österreich, Belgien und die Schweiz hatten dem Konzern wegen des Geschäftseinbruchs durch die Pandemie im vergangenen Jahr neun Milliarden € Staatshilfen zugesagt – das sollte den Kranich in der Luft halten. Dividenden an die Aktionäre, so ein Teil des Deals, darf Lufthansa übrigens erst nach einem Ausstieg der Staaten wieder ausschütten. Sparmassnahmen wie die Einschränkung der Gratissnacks oder ein heftiger Mitarbeiterabbau sollen für Auftrieb unter den Flügeln sorgen.
Die Aktie der deutschen Airline hatte jedoch schon vor der Pandemie ordentlich geschwächelt und war von ihrem Höchstflug bei mehr als 30 € Anfang 2018 weit entfernt. Ihren Boden fand sie Anfang Oktober 2020 bei rund 7 €. Der Kursgewinn liegt zum Stand von zuletzt 10 € in den letzten zwölf Monaten bei knapp 25 %.
Doch allen harten Einsparungen zum Trotz wollen die Börsianer nicht so recht anbeissen: Die Schweizer Bank Credit Suisse hat zum Beispiel das Kursziel für Lufthansa nach Quartalszahlen von 4,60 auf 4,47 € gesenkt und die Einstufung auf „Underperform“ belassen. In Reaktion auf die Kennziffern der Fluggesellschaft habe er seine Ergebnisprognose für das Gesamtjahr 2021 reduziert, meinte Analyst Neil Glynn. Positiver sieht man die Lage beim US-Analysehaus Bernstein Research: Dort blieb das Votum für Lufthansa auf „Market-Perform“, mit einem Kursziel von saftigen 11 € – die europäischen Fluggesellschaften hätten sich von der Hoffnung auf eine Erholung der Nachfrage im zweiten Quartal mittlerweile weitgehend verabschiedet, im Sommer könne diese dank der Impfungen gegen die Infektionskrankheit Covid-19 aber einsetzen. Bei der Lufthansa stehe auch eine weitere Kapitalerhöhung ins Haus, meinen die Bernstein-Analysten.
Ein Unternehmen, das nicht nur vom Reisegeschäft, sondern auch von der Formel 1 profitiert, ist die österreichische Do & Co. Der 1981 vom türkischstämmigen Unternehmer Attila Doğudan gegründete Caterer stieg 1987 mit der Lauda Air ins Luftfahrtgeschäft ein. Corona traf die weltweit aktiven Österreicher hart: In den ersten drei Quartalen 2020/21 kam es zu einem Umsatzeinbruch von 75 % auf 189,9 Millionen € und einem Netto-verlust von fast 36 Millionen €. Der Mitarbeiterstand schrumpfte um rund 3.000 Personen.
Die Do-&-Co-Aktie hat von dem harten Sparprogramm und den Post-Corona-Hoffnungen profitiert: Sie stieg in den letzten zwölf Monaten um mehr als 75 % auf 77 € – und das liegt sicher nicht nur an den feinen Delikatessen, die auf den Hauptversammlungen kredenzt werden. Das Analysehaus Kepler Cheuvreux hatte die Aktie schon im Januar 2021 zum Kauf empfohlen; inzwischen beflügelten weitere positive Nachrichten den Kurs: Der Caterer bleibt bis 2027 Partner der österreichischen Lufthansa-Tochter AUA. Der Vertrag sei vorzeitig verlängert worden und deckt alle kostenpflichtigen Bordessen ab.
Text: Reinhard Krémer
Illustration: Valentin Berger
Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 5–21 zum Thema „Travel & Tourism“.