Flower Power

Eine winzige Wüstenpflanze und Umweltschützer bedrohten eine Lithium-Mine in Nevada, die genug von dem wichtigen Mineral fördern sollte, um 50 Millionen Elektrofahrzeuge zu versorgen. Dann entdeckten die Gründer, dass der beste Weg, die „grüne Bande“ zu schlagen, darin bestand, sich ihr anzuschliessen.

„Rhyolite Ridge ist eine erstaunliche Lagerstätte. So etwas gibt es auf der Welt nicht noch einmal“, staunte Bernard Rowe, Geologe und CEO des australischen Bergbauunternehmens Ioneer. Der 56-Jährige war nach Nevada gekommen, um nach Gold und Kupfer zu suchen, und war von der Ridge, ­einem vulkanischen Felsvorsprung im ­Südwesten des Bundesstaats, beeindruckt. Er sammelte Erzproben, die hohe Konzentrationen an Lithium und Bor aufwiesen.

Diese Entdeckung veranlasste ihn, seinen Freund James Calaway anzurufen, einen ­Texaner, der in Argentinien eine der grössten Lithium­minen der Welt entwickelt hatte. Nach einer Due-Diligence-Prüfung sicherten sie sich 2017 im Esmeralda County in Nevada genügend Schürfrechte, um potenziell mehr als 100.000 Tonnen Lithium pro Jahr zu produzieren – genug, um Batterien für Milliarden von iPhones und Millionen von Elektroautos herzustellen. Jetzt müssen sie nur noch anfangen zu graben.

Rhyolite Ridge befindet sich rechtlich auf Bundesebene und erfordert eine Genehmigung des Bureau of Land Management des US-Innen­ministeriums. Angesichts der Dominanz ­Chinas bei Lithium (das Land hat 75 % der weltweiten Produktion von einer Million Tonnen im Jahr 2023 veredelt) glaubte Calaway, der Vorsitzende von Ioneer, dass sein Projekt politisch begünstigt ­werden würde – immerhin produzieren die USA derzeit nur 7.000 Tonnen jährlich. Es gab aber eine Komplikation: eine sechs Zentimeter hohe Wüstenblume mit gelben Blüten namens Tiehms Buchweizen (Eriogonum tiehmii).

Das Herz des 900 Hektar grossen Ver­breitungsgebiets dieser seltenen Staude liegt genau dort, wo Ioneer abbauen wollte. ­Daher ­arbeitete das Unternehmen zusammen mit Wüsten­botanikern, darunter auch Forschern der ­Universität von Nevada, einen Plan aus, um ­Tausende von Pflanzen auszugraben und in ein ähnliches ­Gebiet in der Nähe zu „translozieren“. „Unsere Analyse zeigte, dass dies funktionieren sollte“, sagt ­Calaway. Er hatte aber bislang noch nicht die Gelegenheit, es zu versuchen.

Nachdem 40 % der einheimischen Population, etwa 17.000 Pflanzen, im Sommer 2020 auf mysteriöse Weise abgestorben waren, beantragten Umweltschützer die Einstufung der Pflanze als gefährdete Art. Unbeeindruckt davon legte ­Ioneer Anfang 2022 seine überarbeiteten Ab­baupläne vor. Monate später erklärte der U.S. Fish & Wildlife Service Tiehms Buchweizen offiziell als gefährdet.

Calaways Wüstenblüten-Dilemma ­erwies sich als kritische Herausforderung für poli­tische Entscheidungsträger – wer setzt sich im Kampf „Grün gegen Grün“ durch, wenn ein ­Umweltanliegen mit einem anderen in Konflikt gerät? Ist es die Gewinnung von Mineralien wie Lithium, Neodym und Dysprosium für die ­Umstellung auf Elektrofahrzeuge wert, 44.000 kleine Pflanzen mitten in der Wüste von Nevada zu ­vernichten? Sollten wir Offshore-Wind­tur­binen errichten, wenn sie Wale und ­Seevögel ­töten? Und wenn ja, wie viele tote Wale sind zu viel?

„Alle wollten, dass es funktioniert, zum Wohle der Welt“, sagt Calaway. Das gilt auch für die Regierung Biden, die 2023 ankündigte, Ioneer 700 Mio. US-$ für das Projekt bereitzustellen, wenn die Genehmigungen erteilt würden.

Aber der Chor der Minengegner, ­darunter das in Tucson, Arizona, ansässige Center for Biological Diversity, war zu laut, um ignoriert zu werden. „Es war zu riskant für die Regierung, das Projekt zu genehmigen“, beklagt Calaway. „Ich entwickelte eine ablehnende Haltung gegenüber dieser Anlage.“

Calaway, 66, ist nicht der typische ­liberale Energiemanager aus Texas. Obwohl sein ­Vater im konservativen Ölgeschäft tätig war, war er ­lebenslanges Mitglied der NAACP (­National ­Association for the Advancement of Colored ­People) und Vorsitzender des Kuratoriums des linksgerichteten Aspen Institute.

Calaway schloss 1981 ein Wirtschafts­studium an der UT Austin ab und erwarb einen ­Master in Philosophie in Oxford, bevor er eine Führungslaufbahn bei verschiedenen Bergbau- und Windenergieunternehmen einschlug. Heute sagt er, dass die endgültige Lösung des Problems von Ioneer ein psychologisches Reframing erforderte. „Wir wechselten von der Feindseligkeit ­gegenüber dieser Sache, die uns im Wege stand, zur Umarmung der Pflanze als Symbol“, sagt er. „Wir beschlossen, dass wir für die Pflege dieses Buchweizens verantwortlich sein würden. Als das geschehen war, änderte sich alles.“

Wir wechselten von der Feindseligkeit, die uns im Wege stand, zur Umarmung dieser Pflanze als Symbol.

James Calaway

Ioneer gestaltete die Abbaugrube nach einem strikten Berührungsverbot um – mit einer Puffer­zone von mehreren Hundert Metern um alle Pflanzen herum. Anstatt eine Insel aus Tiehms-Buchweizen-Pflanzen zu belassen, die von einem offenen Steinbruch flankiert wird, verlagerte das Unternehmen einige Arbeiten eine halbe Meile weiter weg. Danach wurde das ehrgeizige Bio­logieprojekt in Angriff genommen.

Ausserhalb von Carson City, Nevada, betreibt Ioneer gemeinsam mit Botanikern ein 1.600 ­Quadratmeter grosses Gewächshaus, in dem Buchweizen angebaut, Samen gesammelt und da­rauf geachtet wird, dass die Pflanze in leicht ­alkalisch ­angereicherter Gartenerde gut ­gedeiht. Es stellte sich heraus, dass durstige Eichhörnchen für das grosse Pflanzensterben im Jahr 2020 verantwortlich waren: Sie hatten die ­Wurzeln wegen ihrer Feuchtigkeit ausgegraben.

Ioneer will die Pflanzen auf ähnlichen ­Böden in der Nähe aussäen und hat vorsorglich Tausende von Samen im Rae Selling Berry Seed Bank & Plant Conservation Program an der Portland State University in Oregon eingelagert. „Die besten Überlebenschancen haben die Pflanzen durch unsere Arbeit“, sagt Calaway.

Kritiker sind da anderer Meinung. Benjamin Grady, Präsident der Eriogonum Society und Professor am Ripon College in Wisconsin, befürchtet, dass die Genehmigung der Mine das Todesurteil für Tiehms Buchweizen bedeuten könnte, eine der wählerischsten der 250 bekannten ­Arten der Gattung: „Es gibt einen Grund, warum er nach unzähligen Generationen der Evolution nur unter diesen speziellen Bedingungen wächst“, so der Wissenschaftler.

Im Gegensatz zu den argentinischen Lithium­minen, bei denen es sich um riesige ­Soleverdunstungsbecken handelt, in denen das Lithium im Lauf der Zeit konzentriert wird, ­handelt es sich bei Rhyolite Ridge um eine sogenannte Hartgesteinmine; Ioneer beabsichtigt also, Megatonnen von Material zu sprengen, zu pulverisieren und zu sieben. Das ist ein teurer Prozess, aber das Vorhandensein von Borverbindungen (die zur Verstärkung von Isolierungen, Kunststoffen und Glas verwendet werden) mache ihn wirtschaftlich, sagt Thomas Chandler, Lithiumanalyst bei SFA, einem Metallberatungsunternehmen in Oxford, England. Er rechnet vor, dass der Verkauf von Borsäure die Kosten von ­Ioneer von 9.000 US-$ pro Tonne ­Lithiumkonzentrat auf 2.500 US-$ ­senken würde – eine ­beachtliche Gewinnspanne angesichts des derzeitigen Marktpreises von 14.000 US-$ pro Tonne.

Das Problem ist, so Rowe, „dass es kein Rezept für Lithium-Bor-Lagerstätten gibt. Wenn man Gold oder Kupfer abbaut, gibt es unzählige Bücher darüber.“ Also musste Ioneer selbst ­herausfinden, wie der Abbau am besten klappt.

Make love, not war: Wie die Minenbetreiber von Ioneer lernten, den Buchweizen zu lieben, und hoffen, bis 2026 mit der Lithiumproduktion beginnen zu können.

Calaway unterbricht sein Mittagessen in Houstons italienischem Restaurant „Johnny ­Carrabba’s“, um ein Diagramm seiner zukünftigen Lithiumanlage hochzuhalten, die von Fluor Corporation und ABB entwickelt und von ­einer 20-Mio.-US-$-­Pilotanlage, die 2019 gebaut wurde, aufgestockt wurde. Sie wird wenig Wasser verbrauchen und den gesamten benötigten Dampf und Strom durch chemische Reaktionen erzeugen. In der ersten Phase werden 22.000 Tonnen Lithium­carbonatpulver und etwa 175.000 Tonnen Borsäure pro Jahr produziert.

Mit der Zeit plant Ioneer, mehrere identische Anlagen vor Ort zu errichten. „Wichtig ist, dass die USA dadurch weniger abhängig vom Rest der Welt werden“, sagt Calaway und spielt damit offensichtlich auf China an. Im Endausbau wäre Rhyolite Ridge eine der grössten Lithium­minen der Welt, aber immer noch nur ein Tropfen auf den heissen Stein. SFA geht davon aus, dass sich die Lithiumnachfrage bis 2030 auf 2,8 Millionen Tonnen pro Jahr fast ­verdreifachen wird.

Wie andere junge Bergbauunternehmen ist auch Ioneer eine volatile Microcap-Aktie. Das Unternehmen wurde erstmals 2007 an der australischen Wertpapierbörse notiert und ist jetzt als amerikanischer Hinterlegungsschein erhältlich. Laut SEC-Angaben verfügt das Unternehmen über 50 Mio. US-$ an Barmitteln, hat keine Schulden und wird im Jahr 2023 40 Mio. US-$ verbrauchen. Seine Marktkapitalisierung von 300 Mio. US-$ ist seit Mitte 2022 um 80 % gesunken. John Arnold, ein milliardenschwerer Energiehändler, besitzt 13 % der Aktien, und das Unternehmen hat bereits eine Finanzierungs­zusage über 500 Mio. US-$ von Sibanye-Still­water, einem südafrikanischen Bergbaugiganten, erhalten. Wenn das Bureau of Land Management Rhyolite Ridge genehmigt (eine ­Entscheidung wird bis Mitte 2024 erwartet), wäre dies die erste neue Mine auf Bundesgebiet, die ­unter der Biden-Regierung genehmigt wird. Ioneer hofft, bis Ende 2026 mit der Lithiumproduktion beginnen zu können. Käufer, darunter Ford und ­Toyota, stehen bereits Schlange. „Ich wünschte, wir hätten früher angefangen“, sagt Rowe.

HOW TO PLAY IT

Die Risiken der Bergbauindustrie lassen sich in drei grosse Kategorien einteilen: Grundstücke, Förderung und Preise. Kleinere Bergbauunternehmen sind in der Regel an allen drei Fronten mit Risiken konfrontiert; mit reichlich nachgewiesenen Reserven auf mehreren Grundstücken und Kompetenz in der Veredelung machen sich grössere Unternehmen in der Regel nur Sorgen um den Preis. Die Lithiumpreise werden derzeit durch das begrenzte Angebot und die unaufhaltsame Nachfrage nach diesem Metall gestützt. Die Albemarle Corp. mit Sitz in Charlotte, North Carolina, gehört mit Minen und Raffinerien in Australien, Chile und den USA zu den grössten Lithium­produzenten der Welt und hat in den letzten zwölf Monaten bei einem Umsatz von 9,9 Mrd. US-$ rund 3,3 Mrd. US-$ verdient. Die Aktie bietet eine Rendite von 1,3 % und wird zum Elffachen der erwarteten Gewinne gehandelt. Für ein diversifiziertes Lithium-Engagement empfiehlt sich der ETF Global X Lithium & Battery Tech; Albemarle ist mit einer Gewichtung von 9 % die grösste Position.

Autor: John Dobosz, Forbes Dividend Investor, Forbes Billionaire Investor und Forbes Premium Income Report

Text: Chris Helman, Forbes US
Fotos: Patrick Donnelly/Center for Biological Diversity, Trevor Paulhus for Forbes

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