Eine sichere Frequenz

Der internationale Luftraum ist im Wandel. Während Europa versucht, Kurzstreckenflüge mit Nachtzügen
und Co zu ersetzen, boomen auf der anderen Seite Drohnen sowohl im Privat- als auch im industriellen Bereich. Das österreichische Hightech-Unternehmen Frequentis ist schon seit Jahren Weltmarktführer im Bereich Sicher-heitskommunikation in der Luftfahrt – wir sprachen mit Frequentis-Geschäftsführer Norbert Haslacher und gingen dem „Flughafen der Zukunft“ auf den Grund.

10. September 2022 am Flughafen Wien, 4.30 Uhr: Trotz der frühen Stunde tummeln sich die Taxis vor dem dritten Terminal, Menschen laufen in der Abflughalle zwischen den Check-in-Automaten umher. Der Sommer 2022 war für Flug­gesellschaften zumindest von aussen betrachtet ein chaotischer: Ver­lorene Koffer, lange Wartezeiten und zahllose Streiks stellten viele Reisende vor grosse Herausforderungen. Doch hinter den Kulissen, in der Flugsicherheit und der Kom­munikation, feierte das österreichische Hightech-Unternehmen Fre­quentis ein Rekordjahr. Schon seit Jahren hat Frequentis aus Österreich heraus die Flug­sicherheit glo­bal auf den neuesten Stand gebracht; hierbei spielen vor allem Digitalisierung und künstliche Intelligenz für Frequentis-CEO Norbert Haslacher eine grosse Rolle. Denn sowohl im Luftraum als auch am ­Boden kann Technologie eine grosse Hilfe für die Arbeitskräfte sein.

Die Digitalisierung auf Flug­häfen konnte schon lange Zeit von jedem beobachtet werden. Dabei sind die Self-Check-in-Automaten nur der Anfang. Die Gepäcksorientierung auf Flughäfen, sprich, wie die Koffer der Reisenden am besten und schnellsten ins Flugzeug gelangen, bleibt jedoch ein zentrales Element für die Effizienz von Flughäfen. So bietet beispielsweise das britische Start-up Airportr gemeinsam mit der Bodenabfertigungsfirma Swissport an, das Gepäck von Passagieren bereits von zu Hause abzuholen. Den Koffer sieht der Reisende dann erst am Zielort wieder. Dieses System wurde letztes Jahr in Zürich und Genf eingeführt; es wurde seither von Tausenden Passagieren genutzt. Darüber hinaus wird weiterhin an biometrischen Systemen gearbeitet – denn der internationale Verband der Flug­gesellschaften IATA hat sich zum Ziel gemacht, Tickets und Boardingpässe zu Relikten der Vergangenheit zu machen. Einzig ihr Gesicht soll den Passagieren vom Flughafen­eingang bis zum Sitzplatz im Flugzeug alle Türen öffnen.

Auch Frequentis sieht in der Digitalisierung von Prozessen die Zukunft des sicheren Luftverkehrs – wobei sich das Hightech-Unternehmen mehr auf die Luftfahrt und die sichere Kommunikation fokussiert hat als auf den reibungslosen Ablauf beim Bodenpersonal.

Die Aktie des börsennotierten Unternehmens hat in den letzten Monaten einen Rekordflug erlebt. So erreichte Frequentis im ersten Halbjahr 2022 ein Umsatzplus von 15,7 %. Grund dafür sind die hochgradig sicherheitsrelevanten Produkte des Unternehmens, von Systemen für die Luftraumsicherung von Drohnen bis hin zum Konzept eines Remote Towers, eines Flughafentowers, in dem keine Fluglotsen mehr sitzen, sondern bei dem die Arbeit remote erfolgt. Mit einem Marktanteil von 30 % ist die Gruppe schliesslich Weltmarktführer bei Sprachkommunikationssystemen für die Flugsicherung. Wir werfen einen Blick auf die zwei Flaggschiffsparten des Unternehmens: Drohnen und Remote Tower.

Ein Flughafentower durfte früher auf keinem Flughafen fehlen. Diese grossen Türme sollen den Fluglotsen einen grenzenlosen Blick über die Landebahnen bieten, wodurch sie den Abflug und Lande­vorgang der Flugzeuge problemlos koordinieren können. Heute müssen die Mitarbeiter dafür nicht mehr unbedingt im Tower sitzen – mit dem Remote-Tower-System von Frequentis hat es 2018 der Flug­hafen von Saarbrücken erstmals geschafft, mit einem menschen­leeren Flughafen­tower zu operieren. Die Lotsen für Saarbrücken sitzen 500 Kilometer entfernt in Leipzig; über Kameramasten können die Mitarbeiter in Leipzig das Geschehen in Saar­brücken einfach und sicher über­wachen.

Neben den Remote Towers hat Frequentis auch viel Energie in Drohnenkommunikationssysteme gesteckt und ist Industriepartner beim Airlabs-Austria-Innovations­labor. Anfang 2023 soll eine Verkehrsmanagementlösung zur sicheren Integration von Drohnen in den österreichischen Luftraum in Betrieb gehen. Zusammen mit der Österreichischen Gesellschaft für Zivilluftfahrt, auch Austro Control genannt, will Frequentis mehr Sicherheit für bemannte und un­bemannte Luftfahrzeuge bieten ­können – denn die Anzahl an Drohnen steigt und die Flugfreigabe für diese war bisher langwierig.

Das will Norbert Haslacher, seit April 2018 Vorstandsvor­sitz­en­der der Frequentis Group, ändern. Zuvor war er im Vorstand für Sales und Marketing verantwort­lich, dort hat er im Jahr 2017 mit 288 Mio. € einen Höchststand an Auftragseingängen erzielt. Vor Frequentis war Haslacher mehr als 15 Jahre bei CSC (Computer Sciences Corporation), einem weltweit tätigen IT-Dienstleis­tungsunternehmen, das neben der Applikationsentwicklung hauptsächlich in den Bereichen System­integration, Outsourcing, Cloud, Big Data und Cybersecurity tätig ist. An Frequentis’ Spitze sitzt ein erfah­rener IT-Experte, der aber auch fundierte Erfahrung zu Sales und Marketing hat. Wir sprachen mit dem CEO über die bemannte und unbemannte Zukunft der Luftfahrt und gingen der neuen Remote-Tower-Technologie auf den Grund.

Der Luftraum sowie die Landebahnen werden stets mit Kameras überwacht.

Frequentis ist Weltmarktführer in der Kommunikation für Flug­sicherung. Was genau kann man sich darunter vorstellen?
Haslacher: Mittlerweile ist Frequentis durch viele Akquisitionen und auch durch verstärkte Investitionen in den letzten Jahren vom Portfolio her deutlich breiter geworden. Unser ursprüngliches Produkt, mit dem Frequentis auch gross geworden ist, lag in der Flugsicherung. Wir wollten das Problem lösen, das bei Lotsen früher aufgetreten ist, wenn Flugzeuge mehrere Sektoren überflogen haben. Jeder Lotse ist hierbei für einen Sektor zuständig; passiert ein Flugzeug einen Sektor, so wird die Frequenz bei den Lotsen verändert und die Kommunikation muss zwischen den Lotsen über­geben werden. Wir haben also Softwarepakete verkauft, die genau für diesen Fall einen Verlust der Kommunikation verhindern und eine reibungslose Übergabe zwischen den Lotsen garantieren.

Wie sehen die Projekte in der Sicherheitskommunikation mittlerweile aus?
Unsere Vision ist, die Nummer eins im Bereich Kommunikation für Leitzentralen oder Kontrollzentrum­einsätze zu werden. Was kann man sich darunter vorstellen? Operatoren bei der Feuerwehr oder Rettung sitzen meistens weit weg vom Ge­schehen und müssen mittels eines Anrufs dennoch die Lage einschätzen und die Fahrzeuge entsprechend managen können. Mittler­weile besteht hier die Möglichkeit, Drohnen hinzuschicken, um sich ein besseres Bild von der Lage zu machen. Diese Koordination von Drohnen ist unter anderem ein Zukunftsprojekt von Frequentis. Grundsätzlich sind wir aber in fünf Bereichen tätig: Flugsicherung, Public Safety, Public Transport, Maritime und der Bereich Defense.

Bezüglich Drohnen plant ­Fre­quentis, bis 2023 zusammen mit der Austro Control eine Ver­kehrsmanagementlösung für Drohnenflüge in Österreich zu etablieren. Warum ist das wichtig, und wie sah das Verkehrsmanagement von Drohnen bisher aus?
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen zwei verschiedenen Arten von Drohnenflügen: Visual-Line-of-Sight-Flüge, wenn der Drohnenpilot die Drohne während des gesamten Flugs sehen kann, und Beyond-­Visual-Line-of-Sight-Flüge, wenn der Pilot die Drohne nicht sehen kann. Bei Ersteren gibt es in Ös­terreich bereits Regulierungen – ab 250 Gramm muss eine Drohne registriert sein, als Pilot braucht man einen Drohnenführerschein. In Zukunft werden aber die Beyond-Visual-Line-of-Sight-Flüge eine immer grössere Rolle spielen. Für die würde es nämlich jetzt schon ein grosses Einsatzgebiet geben, wo aber leider das momentane Fehlen von Regelungen und technologischen Lösungen gegen einen effizienten Gebrauch spricht. Einsatzzentralen können, wie schon erwähnt, mit Drohnen eine Notfalllage besser überprüfen und einschätzen, aber auch im Bereich der Inspektions­flüge sollen Drohnen vielseitig eingesetzt werden. So können sie bei Stromleitungen etwa markieren, wo Bäume in Leitungen wachsen, oder bei Windkraftanlagen die Räder überprüfen. Auch bei Immobilien­inspektionen sollen Drohnen in Zukunft eingesetzt werden; also in allen Bereichen, die von Menschen nur schwer zu erreichen sind.

„In zehn Jahren wird es, denke ich, mehr Drohnen als Flugzeuge geben“, so Frequentis-CEO Norbert Haslacher.

Warum können Drohnen in diesen Bereichen heute noch nicht zum Einsatz kommen?
Ein Grund ist vor allem, dass die Freigabe der Flüge so lange dauert. Die Austro Control bekommt rund 150 Anrufe pro Tag für Drohnenfluganfragen und weiss dement­sprechend auch gar nicht, wie sie mit dieser Menge klarkommen soll. Wir wollen mit unserem digitalen System die Flugfreigabe auf vier Sekunden reduzieren.

Neben Drohnen ist Frequentis auch stark im Bereich Remote Tower tätig. Warum entscheiden sich Flughäfen, auf ein Remote-Tower-System umzusteigen?
Das hat viele unterschiedliche Gründe. Bei unserem ersten Remote Tower in Saarbrücken war die Intention tatsächlich Mitarbeitermangel: Es gab und gibt einfach zu wenige Menschen, die Fluglotsen werden wollen. Durch dieses Projekt in Deutschland wurden Kunden auf der ganzen Welt auf die Remote-Tower-Technologie aufmerksam – denn wenn die Deutschen mal ein Produkt zulassen, dann kann man davon ausgehen, dass es funktioniert. Und sicher ist, dass dieser quasi inoffizielle Qua­litätsstempel der Deutschen im Ausland auch in der Flugsicherung gilt. Somit bauen wir jetzt fast überall auf der Welt aus unterschiedlichen Gründen Remote Tower. Meistens ist der Grund – wie bereits erwähnt – Mitarbeiter­mangel, oft ist aber auch ein Grund, vor allem in Südamerika, dass die Flughäfen einfach wahnsinnig ab­gelegen sind. Kaum ein Fluglotse will sein ganzes Leben mitten im Nirgendwo in irgendeinem Dschungel sitzen. Auf der anderen Seite gibt es aber durchaus finanzielle Vor­teile – so ein regulärer Tower ist sehr teuer und muss regelmässig renoviert und gewartet werden. Viele dieser Kosten lassen sich mit Remote Tower auf ein Mini­mum reduzieren.

Auch bemannte Drohnen werden den Luftraum der Zukunft erobern.

Sind Remote Tower eher für kleinere Flughäfen geeignet?
Ja und nein. Grössere Flughäfen verwenden unsere Remote-Tower-Technologie meist als Zusatz­funktion. Sie werden nicht ein­gesetzt, um Lotsen zu ersetzen, sondern um ihnen zu helfen. Die installierten Kameras haben beispielsweise in der Nacht eine viel bessere Sicht und können auch Orte sehen, wo es vielleicht vom Tower aus einen toten Winkel gibt.

Norbert Haslacher ist seit 2018 CEO von Frequentis. Zuvor war er im Vorstand für Sales und Marketing zuständig.

Wie sieht die Zukunft von ­Frequentis aus?
Wir bei Frequentis folgen eigentlich drei Megatrends: Das ist zum einen das Mobilitätsverhalten von Menschen und Waren – in diesem Bereich gibt es viel Wachstums­potenzial in Asien, Afrika und zum Teil auch in Südamerika. Darüber hinaus gehen wir davon aus, dass sich der Bereich der Mobilität weiter verändern wird – ich schätze, dass es in zehn Jahren mehr Drohnen als Flugzeuge geben wird. Ein weiterer Trend ist Sicherheit. Vor allem in Grossstädten wollen die Menschen mehr Sicherheit, um Vorfälle wie beispielsweise im November 2020 in Wien gut managen zu können. Der dritte Trend ist die Technologie selbst. In unserem Bereich der Flugsicherung ist die Zulassung neuer Technologien aufgrund des Einsatzgebiets langsam. Klar, es muss ja viel getestet werden, da geht Sicherheit vor Schnelligkeit. Wenn eine Bank oder ein Automobilkonzern neue Technologien implementiert hat, kommen sie erst zehn oder 15 Jahre später in unseren Bereich. Das macht die Industrie langsamer. Dennoch glaube ich, dass es diese neuen Technologien brauchen wird. Ich bin überzeugt, dass noch jahrelang weiterhin geflogen und mit dem Schiff gefahren wird und Rettung, Feuerwehr und Polizei noch weiter im Einsatz bleiben werden. Für all diese langlebigen Bereiche werden wir bei Frequentis auch in Zukunft Technologie liefern, denn die wird es brauchen.

Fotos: Frequentis

Lela Thun,
Redakteurin

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