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Kilian Kaminski und Peter Windischhofer schufen gemeinsam mit Jürgen Riedl binnen zwei Jahren den grössten Onlinemarktplatz für erneuerte elektronische Geräte in der DACH-Region.
Nachhaltigkeit und günstige Preise in Form von Produkten zu kombinieren könnte so manchem Kopfzerbrechen bereiten. Nicht so im Fall von Kilian Kaminski (rechts im Bild), Peter Windischhofer (links im Bild) und Jürgen Riedl: Ende 2016 kaufte sich Windischhofer auf einer Webseite für Gebrauchtwaren ein iPhone. Weil das Smartphone aber schnell kaputt ging und dafür keine Garantie bestand, musste er für den finanziellen Schaden selbst aufkommen. Als Lösung kam er im Jänner 2017 auf die Idee, gebrauchte Elektronikprodukte von Händlern erneuern zu lassen und dann über eine Plattform an Konsumenten zum Verkauf anzubieten. Von da an ging alles Schlag auf Schlag.
„Nachdem ich nur eine Woche recherchiert hatte, habe ich bereits die Domain gekauft. Auch im Unternehmen sind wir sehr stark testgetrieben. Bis zu einem gewissen Grad betreiben wir Research, um zu sehen, ob etwas Sinn macht – aber dann probieren wir einfach aus, wie es beim Kunden ankommt“, so Windischhofer. Im Februar 2017 erfolgte dann die Gründung des Start-ups Refurbed, einen Monat später wurde bereits das erste erneuerte Smartphone verkauft. Im Juli 2017 komplettierten Kaminski und Riedl aufgrund ihrer Expertise dann das Gründerteam.
Heute ist Refurbed einer der am schnellsten wachsenden Marktplätze für erneuerte Produkte in Europa. Einzig mit Back Market in Frankreich existiert eine weitere Plattform, die ein ähnliches Angebot aufweist. Was die Anzahl der Kunden angeht, haben die Franzosen laut dem Presseservice PresseBox mit einer Million Kunden die Nase vorn. Bei Refurbed beläuft sich die Kundenzahl derzeit auf mehr als 50.000 in Österreich, Deutschland, Polen und Italien. 2020 soll in neue Märkte expandiert werden. Rund 60 „Refurbisher“ – so werden die Händler, die die Erneuerung der Geräte übernehmen, genannt – sind an die Plattform angeschlossen. Das über die Onlineplattform transferierte Volumen bewegt sich im achtstelligen Eurobetrag.
Bereits ein halbes Jahr nach der Gründung bekam das Start-up das erste Investment über 250.000 € von den Venture Capital Funds Startup300 und Speedinvest sowie von Business Angels. Erst kürzlich folgte die nächste Finanzspritze mit mehr als zwei Millionen € – unter den Investoren befanden sich Inventure Partners sowie der Venture-Capital-Fonds Atomico Angel Fund, initiiert vom Skype-Gründer Niklas Zennström.
Doch mit ihrem bisherigen Erfolg geben sich die Gründer nicht zufrieden: „Wir haben zwei Ziele: Einerseits wollen wir der grösste Marktplatz für Refurbished-Produkte in Europa werden. Die Vision ist, dass in jedem europäischen Haushalt mindestens ein Refurbed-Elektronikgerät steht und diese zu Alltagsgegenständen werden. Zweitens wollen wir einen nachhaltigen Beitrag für die nächste Generation leisten, indem wir den Anreiz setzen, erneuerte Produkte zu kaufen“, sagt Kaminski.
Kilian Kaminski (li.), Jürgen Riedl und Peter Windischhofer (re.)
... gründeten im Februar 2017 Refurbed, einen Onlinemarktplatz für erneuerte Produkte. Refurbed hat mittlerweile mehr als 50.000 Kunden.
Um das zu erreichen, müssen die Gründer aber vor allem eines: noch mehr Kunden auf ihre Plattform bringen. „Ein Mittel zum Erfolg war, dass wir von Beginn an ganz klar gesagt haben: Wir sind anders als gebraucht und neu“, so Windischhofer. Dementsprechend müssen Konsumenten (weiterhin) von der „dritten Zustandskategorie“ überzeugt werden, wie Kaminski und Windischhofer es nennen: Denn bei ihren Elektronikgeräten wie Smartphones, Laptops oder iPads handelt es sich weder um Neu- noch Gebrauchtwarenprodukte – vielmehr werden gebrauchte Waren von ausgewählten Händlern entsprechend erneuert, kaputte Teile durch neue ersetzt, die Geräte getestet sowie sämtliche Daten gelöscht. Im Endeffekt sehen die Produkte optisch wie neu aus und funktionieren einwandfrei. Mittlerweile bietet Refurbed etwa auch Haushalts- und Küchengeräte oder E-Bikes an. So wie für die Reparatur sind die Händler auch für den Versand zuständig und bestimmen den Preis für die Waren. Refurbed agiert somit lediglich als Vermittler zwischen den „Refurbishern“ und den Konsumenten. Direkten Einfluss auf die Preise hat Refurbed den zwei Gründern zufolge nicht.
Laut dem Unternehmen werden die Refurbished-Produkte 10 bis 40 % unter dem aktuellen Neupreis verkauft. Refurbed selbst bekommt dabei üblicherweise eine Provision von 7 %. „Es sind meistens ein bis zwei Komponenten, die ausgetauscht werden müssen, der Grossteil bleibt in den Geräten. Deshalb sind diese auch so günstig und nachhaltig“, sagt Kaminski. Und: Die Händler unterbieten sich gegenseitig, dadurch verringert sich der Preis für die Kunden. So erhält man bei Refurbed derzeit ein iPhone 8 um 422,80 € statt 679 €. Darüber hinaus bekommen Konsumenten eine mindestens einjährige Garantie.
Refurbed profitiert insbesondere davon, dass erneuerte Produkte weltweit immer beliebter werden. Laut einem Bericht des Analyseunternehmens Counterpoint stieg alleine der Markt für generalüberholte Smartphones im Jahr 2017 um 13 % auf 140 Millionen Geräte. Gleichzeitig nimmt der Anteil an neu gekauften Handys weiterhin ab. So betrug das diesbezügliche Wachstum im selben Jahr nur 3 %.
Doch nicht nur Start-ups tummeln sich in dem wachsenden Markt, auch Tech-Riesen haben das Segment für sich entdeckt. Denn die erneuerten Produkte weisen für gewöhnlich höhere Margen als der Verkauf von neuen Geräten auf. Laut Counterpoint dominieren den weltweiten Mark für Refurbed-Smartphones zu 70 % Apple und Samsung. Generell lockt Apple bei all seinen Geräten (also auch Laptops etc.) mit bis zu 15 % günstigeren Preisen als bei Neuware. Auch Amazon hat mit „Amazon Renewed“ eine eigene Sparte für generalüberholte Produkte eingerichtet.
Kaminski war selbst knapp drei Jahre bei Amazon in München im Refurbished-Geschäft tätig. „Mich hat gestört, dass Amazon den Verkauf von Refurbished-Produkten nicht fördern will.“ So entschloss er sich, gemeinsam mit Windischhofer und Riedl an Refurbed zu arbeiten. Der gebürtige Hamburger hatte Windischhofer während des Studiums (Master in International Business) in Shanghai kennengelernt, für den Abschluss ging Windischhofer weiter nach San Francisco, Kaminski nach London. In Wien lernten sie später Riedl kennen, der an der TU Wien Informatik studiert hat und sich nun bei Refurbed um die IT kümmert. „Für alles, was mit Zahlen und Daten zu tun hat, sind Peter (Windischhofer, Anm.) und Jürgen (Riedl, Anm.) zuständig. Ich bin eher der Bauchmensch und schaue darauf, dass es im Team zwischenmenschlich passt“, so Kaminski. Mittlerweile hat Refurbed 30 Mitarbeiter. Windischhofer: „Wir ergänzen uns im Führungsteam sehr gut. Wir haben alle drei in unserem Bereich sehr viel Erfahrung.“
Eines war den drei Gründern von Beginn an wichtig: Produkte anzubieten, die nachhaltig sind. Laut dem Unternehmen reduzieren Refurbed-Produkte 70 % der CO2-Emissionen im Vergleich zur Produktion eines neuen Geräts. Dies wurde durch das Beratungsunternehmen Quantis im Zuge des von der EU geförderten Climate-KIC-Accelerators bestätigt, so Kaminski und Windischhofer. Die restlichen bei der Erneuerung der Refurbed-Produkte entstandenen Emissionen werden durch ein spezielles Programm neutralisiert: „Für jedes verkaufte Produkt pflanzen wir einen Baum in Haiti, Madagaskar oder Nepal an“, so Kaminski. Windischhofer ergänzt: „Mit dem Anpflanzen der Bäume schaffen wir es, CO2-positiv zu sein. Das bedeutet: Je mehr Umsatz wir machen, desto besser ist es für die Welt.“
Kilian Kaminski und Peter Windischhofer sind Mitglieder der Forbes DACH 30 Under 30-Liste 2019. Mehr über Kilian Kaminski und Peter Windischhofer lesen.
Der Artikel ist in unserer Juni-Ausgabe 2019 „30 Unter 30“ erschienen.