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Künstliche Intelligenz ist dafür bekannt, dazuzulernen – aber auch die klugen Köpfe, die hinter der Entwicklung stecken, können davon profitieren, sich untereinander auszutauschen. Das erkannte auch Janette Wiget, CFO von Merantix, dem weltweit einzigen KI-Company-Builder, als sie in Berlin den AI Campus als grössten KI-Co-Working- und Innovationshub mitgründete.
Die Aussenfassade besteht aus grossen Glasfenstern, die bis zum Boden reichen. Im Gebäude selbst betritt man zunächst einen grossflächigen, hohen, modernen weissen Raum. Inmitten des Raums stehen grosse Pflanzen und gegenüber der Eingangstür befinden sich Fahrstühle. Vor einem sitzt ein junger Herr am Empfangstisch, der erklärt, dass sich alle Leute, die hier ein- und ausgehen, registrieren müssen – auch wir. Es dauert nicht lange, bis wir von einer jungen, gut gelaunten Dame abgeholt werden: Janette Wiget, CFO von Merantix, dem weltweit einzigen KI-Company-Builder, und Mitgründerin des AI Campus, eines Non-Profit-Space in Berlin, in dem Unternehmen zu finden sind, die an Projekten der künstlichen Intelligenz arbeiten.
Die gebürtige Schweizerin ist im Jahr 2018 eher unerwartet in Berlin bei Merantix gelandet, wie sie sagt. Das 2016 gegründete Unternehmen hat sich auf die Ausgründung und Förderung von Start-ups im Bereich künstliche Intelligenz spezialisiert. Noch während ihres BWL-Studiums lernte Wiget an der Universität in St. Gallen Merantix-Gründer Adrian Locher kennen; er coachte sie und andere Studenten für ein Projekt. Sie sei ein absoluter Innovations-Fan, sagt Wiget, und so hat es sie – als erste Frau des damals noch 20-köpfigen Merantix-Teams – nach Berlin verschlagen. „Heute sind es 170 Leute und auch sehr viel mehr Frauen“, sagt Wiget lachend und führt fort: „Das Unternehmen hat sich weiterentwickelt, ich habe mich weiterentwickelt, und jetzt bin ich seit zwei Jahren bei Merantix als CFO tätig.“
In dieser Funktion hat sie einen Fonds aufgesetzt, der wie ein Venture-Capital-Fonds strukturiert ist. VC-Fonds sind Investmentfonds, die auf die Beteiligung an jungen Unternehmen spezialisiert sind. „Der von mir federführend aufgesetzte Merantix-Fonds umfasst 30,5 Millionen €. International tätige Kapitalgeber wie Softbank, die Robert Wood Johnson Foundation oder die W. K. Kellogg Foundation sind in unseren Fonds investiert“, sagt Wiget, die darüber hinaus auch für alle Investments des Unternehmens zuständig ist. Als Teil des Management-Boards ist sie darauf bedacht, Merantix weiter auszubauen.
Insgesamt hat Merantix bereits sieben Venture-Capital-Unternehmen gebaut und in diese investiert. Eines darunter ist das Start-up für Brustkrebsfrüherkennung Vara, eines der ältesten Ventures von Merantix, gegründet von „Under 30 2022“-Listmaker Jonas Muff.
Vara hat es sich zur Aufgabe gemacht, jeden ansonsten tödlichen Brustkrebs im Frühstadium zu entdecken – denn mit der frühzeitigen Entdeckung der Krebserkrankung steigen die Überlebensraten um mehr als 60 Prozent. Kürzlich kündigte Vara zwei wichtige Partnerschaften in Griechenland und Mexiko an, durch die die Technologie nun über 30 Millionen Frauen zur Verfügung stehen wird. In einer Series-A-Runde konnte Vara elf Mio. € an Investment einholen.
Diese Ventures brauchten einen Platz zum Wachsen; der AI Campus sollte alle beherbergen. Die konkrete Idee dahinter: „Der AI Campus ist der grösste AI-Co-Working- und Innovationshub in Europa und somit Ort des Austauschs und der Kollaboration für sämtliche Anspruchsgruppen, die am Transfer von KI und an ihrer Anwendung arbeiten“, sagt Wiget, die massgeblich an der Konzeption und Planung des Campus beteiligt war. Erst letztes Jahr wurde er fertiggestellt. Bereits davor hat Merantix mit seinen Ventures unter einem Dach zusammengearbeitet, wo man beobachten konnte, wie sich die Teams intensiv untereinander austauschen – ob bei der Kaffeemaschine am Morgen oder durch organisierte Meetings. Zusätzlich vergrösserte sich Merantix auch stetig, und so sagte Wiget: „Lasst uns das einfach zehnmal grösser denken und diese Kultur auf sämtliche unserer Anspruchsgruppen ausweiten.“
Der AI Campus ist der grösste AI-Co-Working- und Innovationshub in Europa und somit Ort des Austauschs und der Kollaboration für sämtliche Anspruchsgruppen, die am Transfer von KI und an ihrer Anwendung arbeiten.
Janette Wiget
Heute ist der AI Campus das Zuhause von Merantix und von unzähligen weiteren KI-Teams. Insgesamt sind es über 80 Stakeholder, die hier ansässig sind, darunter auch das bereits erwähnte Venture Vara: „Ich schätze es, ständig von bahnbrechenden Innovatoren und Unternehmern umgeben zu sein und im Zentrum der wichtigsten R&D-Entwicklungen im Bereich der KI zu stehen. Das ist ein unglaublicher Vorteil für Vara und mein Team“, so der Schweizer Listmaker und Vara-Gründer Jonas Muff. Ob KI-Start-ups von Unicorns, andere frühphasige Start-ups aus dem Silicon Valley oder AI-Teams von Corporates und KMUs wie TÜV Nord, TÜV Süd oder Cariad (Volkswagen) – alle möglichen Unternehmungen sind hier zu finden; aber auch Investoren wie HV Capital, Index Ventures oder Firstminute Capital sowie Regulatoren des Gov Tech Campus, einer Initiative des Bundesinnenministeriums, um Bund, Länder und Kommunen mit den innovativsten Akteuren der Tech-Szene, der Zivilgesellschaft, der Open-Source-Community und der angewandten Forschung zu vernetzen. Die Mission von Gov Tech Campus ist es, Deutschland zum Vorreiter bei der Entwicklung und Anwendung digitaler Technologien und Lösungen für den öffentlichen Sektor (Government Technology) zu machen – auch dafür bietet der AI Campus Platz, so Muff.
„Ja, das hier ist ihr Werk“, sagt eine Kollegin von Wiget und zeigt mit dem Finger auf sie. „Sie stand selbst mit einem gelben Helm auf der AI-Campus-Baustelle und gab den Bauarbeitern Anweisungen.“ Wiget sagt dazu: „Ja, ich habe von Anfang an die Planung übernommen und kenne mittlerweile jede Steckdose.“ Letztendlich hat Merantix mehrere Millionen in den Aufbau des AI Campus investiert – den genauen Betrag verrät Wiget nicht, nur, dass das alles nicht nur über den Fonds finanziert wurde, sondern durch Merantix selbst.
Das Gebäude selbst wurde nach den New-Work-Prinzipien geplant. Ein Ort des modernen Arbeitens soll es sein; das bedeutet, nicht acht Stunden konzentriert am Schreibtisch zu arbeiten, sondern sich mit anderen auszutauschen und voneinander zu lernen. Darum gibt es neben den verglasten Büro- und Meetingräumen auch grosse Gemeinschaftszonen. Über 1.000 Menschen haben hier Platz, 525 finden einen Sitzplatz.
Während uns Wiget durch den Campus führt und uns dabei jede Tür per App auf ihrem Handy öffnet, können wir uns einen eigenen Eindruck verschaffen. Wir gehen einen Flur entlang, an dem sich rechts und links verglaste Büro- und Meetingräume befinden; mittendrin ein gemütlicher offener Platz, an dem Leute mit ihren Laptops in bunten Stühlen sitzen, die an der Decke angebracht sind. Einen Stock tiefer gelangen wir in einen grossen Gemeinschaftsraum – eine Mischung aus Speisesaal, Meetingraum und Büro. Teilweise sind die Raumelemente durch hohe grüne Pflanzen getrennt; der Raum ist gut gefüllt mit jungen Leuten, denn es ist gerade Mittagszeit.
Einmal um die Ecke steht man an einer Küchentheke, angrenzend daran sieht man einen Greifarm hinter einer Scheibe. Man kann beobachten, wie der Kochroboter Aitme in verschiedenen Schalen Essen zubereitet. Das Endprodukt kommt verzehrbereit in einer Pappschüssel im Nebenfach an. Jüngst hat Merantix eine Partnerschaft mit Aitme gestartet – Mitarbeiter am Campus können so per App jederzeit Essen bestellen, das der Roboter anschliessend zubereitet. Aitme profitiert auch: Das Unternehmen nutzt den AI-Campus-Speisesaal als Showroom für potenzielle Kunden und Investoren.
Neben dem Kochroboter sind einige weitere KI-Produkte am AI Campus zu finden, wie z. B. ein Putzroboter, der gerade im Gemeinschaftsraum fleissig ist. Es sei wichtig, dass KI-Produkte am Campus eine praxisnahe Anwendung finden, das fördere nämlich den Austausch zwischen den Start-ups, Kunden und Investoren, erklärt Wiget.
In Zukunft wird sich durch KI einiges in unserem täglichen Leben ändern. „Bestimmte Tätigkeiten, die zuvor Menschen gemacht haben, werden automatisiert werden können“, erklärt Wiget – man denke beispielsweise an einen Haushaltsroboter, der keine menschliche Anweisung beim Putzen benötigt. „Ich glaube, im Zusammenhang mit Innovation ist es oft so, dass sich auch die Gesellschaft und das Berufsleben ändern und sich damit neue Chancen und Möglichkeiten ergeben, und man kann sich auf Dinge konzentrieren, für die man bislang weniger Zeit hatte oder worin man besser ist“, so Wiget und nennt als Beispiel die Automatisierung des Vertriebs: „Da werden so viele E-Mails geschrieben, die eine KI in Zukunft auch gut schreiben kann. Ich als Mensch kann mich dann darauf konzentrieren, Beziehungen aufzubauen und Empathie gegenüber Kunden zu zeigen, ohne dass es mir dort, wo meine Kompetenzen nicht gebraucht werden, langweilig wird.“
Janette Wigets Ziel ist es, eine starke europäische KI-Community aufzubauen, die von gemeinsamer Arbeit geprägt ist. Das schafft sie, indem sie als CFO von Merantix, dem weltweit einzigen KI-Company-Builder, und Mitgründerin des AI Campus Berlin, eines Co-Working-&-Collaboration-Hubs für KI, Deeptech-Investments nach Europa bringt, um dadurch global führende Ventures in verschiedenen Sektoren hochzuziehen.
Fotos: Peter Rigaud
Datenrecherche: Magdalena Frei
Infografik: Valentin Berger
Quellen: zew.de, enlite.ai, investmentmonitor.ai, hai.stanford.edu, information-age.com, digitalaustria.gv.at, Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, Roland Berger: „The Road to AI“, datamation.com