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Mit Jean-Christophe Letellier führt seit Juli ein neues Gesicht die Geschäfte von L’Oréal DACH. Seit 30 Jahren im Unternehmen, kennt Letellier das Geschäft bestens, doch mit der DACH-Region übernimmt der Franzose den drittgrössten Markt des Kosmetikriesen – und muss sich überlegen, wie er die Vormachtstellung in diesem Teil Europas nicht nur beibehält, sondern ausbaut. Zum Glück hat das L’Oréal-Urgestein im Gepäck einige Ideen nach Düsseldorf gebracht.
Jean-Christophe Letellier war die letzten Monate viel unterwegs. Der Manager, der meist nur «JC» genannt wird, hat seine erste Zeit als CEO bei L’Oréal DACH vor allem auf Achse verbracht, denn der Franzose wollte keinesfalls in seinem neuen Hauptquartier in Düsseldorf sitzen und die Strategie aus der Distanz «diktieren», wie er sagt. Seine ersten Arbeitstage in der neuen Rolle verbrachte er beispielsweise in der Fabrik in Karlsruhe sowie im nahe gelegenen Distributionszentrum in Muggensturm. Einen Tag später war er in Frankfurt zu Gast, um mit L’Oréal-Friseuren über die Produktpalette zu sprechen und Verbraucher zu Hause zu besuchen – er wollte noch besser verstehen, wie Kosmetik im DACH-Markt genutzt wird. Später war Letellier auch in den Niederlassungen in Wien und Genf sowie dem Distributionszentrum in Mönchengladbach, um die dortigen Länderteams kennenzulernen.
Doch auch Düsseldorf, wo L’Oréal sein Hauptquartier in der DACH-Region hat, hat der Franzose kennen und lieben gelernt. «Ich war zuvor nur zweimal in der Stadt, einmal während des Karnevals und einmal am Japan-Tag (deutsch-japanisches Begegnungsfest, das jeweils im Mai stattfindet, Anm.). Ich habe die Stadt also von Anfang an als lebens- und farbenfroh erlebt, und so ist es geblieben.»
Im neuen Job ist der Franzose für rund 3.000 Mitarbeiter verantwortlich – und hat einen der wichtigsten Märkte bei L’Oréal übernommen. Denn Deutschland, Österreich und die Schweiz (DACH) sind als gemeinsame Region der drittgrösste Markt im Konzern, direkt nach den USA und China und noch vor dem Heimatmarkt Frankreich. Wie hoch der Umsatz in der Region genau ist, verrät Letellier nicht. Er sagt nur so viel: »Mehr als jeder fünfte Euro, der in der DACH-Region für Kosmetik ausgegeben wird, geht an eine unserer Marken.» Insgesamt sind das weltweit 37 Marken an der Zahl; darunter finden sich neben L’Oréal selbst etwa auch Kosmetikmarken wie Garnier, Maybelline, Lancôme, Kiehl’s oder Vichy.
Doch wie will Letellier einen Markt, in dem der Konzern heute bereits so präsent und dominant ist, noch weiter wachsen lassen? Er skizziert einige Ideen: «Auch mit einem Marktanteil von rund 20 % gibt es noch zahlreiche Möglichkeiten, das Geschäft weiter auszubauen», sagt er. So will er etwa neue Kundengruppen gewinnen – er nennt Männer, ältere Konsumenten oder Menschen mit Migrationshintergrund: «Es gibt noch viele Möglichkeiten im Markt», so Letellier.
Doch auch neue Produkte sollen das Wachstum stärken. Ein Beispiel ist die Einführung von preiswerten Produkten, die aus anderen Märkten übernommen werden, etwa «Color Sensation» von Garnier, das eine niederschwellige und günstige Alternative für Haarfärbemittel bietet. Die Ambitionen sind jedenfalls gross: «Ich möchte, dass wir nicht nur der grösste Markt in Europa bleiben, sondern auch ein Vorreiter in Sachen Innovation, Unternehmenskultur und Nachhaltigkeit», erklärt Letellier.
Auf die Frage, wie er zu seiner neuen Position kam, sagt Letellier, dass es bei L’Oréal oft eine Mischung aus Eigeninitiative und dem richtigen Moment sei. »In meinem Fall ergab sich die Möglichkeit, nach Düsseldorf zu gehen, durchaus überraschend – und ich habe sofort Ja gesagt.» Zuvor hatte er vor allem Herausforderungen in neuen Märkten angenommen, etwa in Indonesien, Singapur oder Indien. «Ich wollte damals unbedingt in aufstrebende Märkte, um Teil des Abenteuers zu sein», erinnert er sich. Erst später wechselte der Franzose dann als Verantwortlicher für die Nordics nach Dänemark und danach ins Hauptquartier in Paris, wo er unterschiedliche Führungsrollen für Europa bekleidete. Auf seine neue Rolle freut er sich: »Ich war jetzt fünf Jahre in Paris und hatte dort Verantwortung für das Geschäft der Konsumgüterdivision in Europa, was viele Reisen bedeutete. Nun wieder eine eigene Region, ein eigenes Team und direkten Impact zu haben ist grossartig.»
«Die grosse Frage ist: Wie können wir relevant bleiben und die Zukunft gestalten?»
Jean-Christophe Letellier
Bei der neuen Aufgabe stehen für Letellier aber nicht nur quantitative Ziele im Vordergrund – wobei er natürlich zugibt, dass die Zahlen wichtig sind –, vielmehr will er eine neue Denkweise etablieren. Mehrmals im Gespräch spricht er vom «infinite mindset» und davon, dass er das Team zukunftsfit machen will: «Ich habe in Asien gelernt, Risiken als Chancen zu betrachten – diese Denkweise möchte ich mit meinen DACH-Teams teilen.»
Das neue Mindset hängt auch mit einer grösseren Transformation im Konzern zusammen, die seit Längerem stattfindet – denn L’Oréal sieht sich nicht (mehr) als grössten Kosmetikkonzern der Welt, sondern als Beauty-Tech-Unternehmen, das seinen Kunden mithilfe von Technologie bessere, nachhaltige und individuellere Angebote machen will. Letellier: «Unsere Teams leben und lieben Innovation. Wir haben zum Beispiel unser eigenes L’Oréal GPT entwickelt, das unseren Mitarbeitern hilft, Daten sicher zu nutzen und in einem geschützten Umfeld von den Möglichkeiten künstlicher Intelligenz zu profitieren», sagt er. Diese Technologie habe in nur einem Jahr bereits einen spürbaren Unterschied im Arbeiten gemacht.
Auch in der Interaktion mit den Konsumenten ist Technologie von zentraler Bedeutung. «Ganz neu ist der L’Oréal Beauty Genius – das KI-Tool bietet personalisierte Beautytipps und eine virtuelle Beratung rund um die Uhr. Es ist faszinierend, wie weit wir hier schon gekommen sind.» Doch nicht nur die Technologie entwickelt sich weiter, auch das Marketing hat sich gewandelt: «Es geht nicht mehr nur darum, Konsumenten in einem 30-sekündigen TV-Spot die Welt zu erklären. Wir müssen die richtige Balance zwischen Unterhaltung, Bildung und Vertrauen finden; und das in den richtigen Kanälen. Auch sind Influencer immer wichtiger geworden. Die Veränderungen im Marketing sind enorm.»
Und genau wie beim Thema Technologie wirkt auch in Sachen Nachhaltigkeit der grosse Fokus der Gruppe auf die DACH-Region ein. Dabei ist es für Letellier ein glücklicher Zufall, dass eines der jüngst von Bold, dem Venture-Capital-Arm der L’Oréal-Gruppe, akquirierten Start-ups, just in seiner Region sitzt: Gjosa, ein Start-up aus Biel, stellt Handbrausen her, die den Wasser- und Energieverbrauch gegenüber der Konkurrenz um bis zu 70 % reduzieren sollen. Ein grosser Rollout in der DACH-Region war damit naheliegend: «Wir haben bereits mehr als 1.000 Friseursalons mit dem ‹WaterSaver› ausgestattet und so über 56 Millionen Liter Wasser gespart. Genau solche Innovationen sind es, die den Unterschied machen.»
Die grössere Transformation im Konzern diktiert somit bis zu einem gewissen Grad auch die Zielsetzung in der DACH-Region. Doch Letellier hat Ziele, die über Lippenbekenntnisse hinausgehen: «Ich möchte nicht nur das Geschäft weiterentwickeln und neue Konsumentengruppen ansprechen, sondern auch einen bleibenden gesellschaftlichen Beitrag leisten. Unsere Verpflichtung zu Nachhaltigkeit, CO2-Reduktion und Inklusion steht im Vordergrund.»
Jean-Christophe Letellier ist seit 1994 für L’Oréal tätig. Er war Managing Director in Indonesien, Singapur, Indien und den Nordics und zuletzt im Hauptquartier in Paris als Managing Director Europe Zone Consumer Products Division tätig. Seit Juli 2024 ist er CEO bei L’Oréal DACH.
Fotos: Kilian J. Kessler, Svitlana Mazina