Ein Unternehmer Im Beratergewand

Volker Struth gilt als Deutschlands erfolgreichster Spielerberater. Mit seinem Unternehmen Sports 360 beschreitet er neue Wege: weg von einmaligen Transaktionen, hin zu einer ganzheitlichen Betreuung. Doch nicht nur das Beratungsgeschäft verändert sich, sondern auch der Sport – und Struth selbst.

Direkt am Konrad-Adenauer-Ufer in Köln, mit Blick auf den Rhein, sitzt Volker Struth und macht sich Gedanken. Dabei beschäftigt den Spielerberater aber nicht unbedingt eine weitere Transaktion oder der nächste Shootingstar der Bundesliga, sondern etwas Grösseres: die Zukunft seines Unternehmens und die Transformation der Fussballbranche in ihrer Gesamtheit.

Die von Struth gegründete Agentur Sports 360 macht heute mit über 50 ­Mitarbeitern einen Jahresumsatz von rund 25 Mio. €, und ­obwohl sie zu den führenden Spielerberatungs­agenturen Deutschlands und Europas zählt ist das Unternehmen bis heute unabhängig ­geblieben. „Ich habe mich immer gegen Inves­toren gewehrt, weil ich glaube, dass Geld nicht die erste Geige spielen sollte“, so Struth.

Die „erste Geige“ spielen für den Unter­nehmer nämlich langfristige Beziehungen, ins­besondere zu seinen Klienten. Dazu gehören etwa Toni Kroos, der erfolgreichste deutsche Fussballer aller Zeiten, der aktuelle deutsche Teamchef Julian Nagelsmann, Nationalspieler Maximilian Mittelstädt sowie künftig auch einer der Hoffnungsträger des deutschen Fussballs, Angelo Stiller vom VfB Stuttgart. Ihnen will Sports 360 die bestmög­liche Betreuung bieten. Dabei ist das Kerngeschäft, in dem auch Struth seine Stärken voll und ganz ausspielen kann, weiterhin klar definiert: „Wir wollen Spieler in marktgerechte, zeitgerechte und leistungsgerechte Verträge vermitteln.“

Rundherum passiert aber vieles, was noch vor 15 Jahren niemanden interessiert hätte. „Full-Service-Management“ nennt sich das – oder auch 360-Grad-Betreuung, wie der Unternehmens­name schon andeutet. Das Ganze umfasst ein ­Angebot von der Beratung über individuelle ­Ernährungsberatung bis hin zu Mentalcoaching. „Wir beschäftigen bei uns sogar Köche, die unsere Spieler individuell betreuen. Das gab es in Deutschland so vorher nicht“, sagt Struth stolz. Auch ein eigenes Medienhaus existiert: Die 360 ­Media GmbH kümmert sich als 100-%-Tochter von Sports 360 um alles, was die Content­produktion der Athleten angeht. Und das ist so einiges, reicht von Social-Media-Kanälen über Werbe­kooperationen hin zu eigenen Formaten wie ­Podcasts. Zudem werden auch gänzlich neue ­Projekte umgesetzt, etwa die von Toni Kroos und Streamer Elias Nerlich initiierte Icon League, ein neuartiges Fussballformat, bei dem die 360 Media GmbH einer der Mitgesellschafter ist.

„Innovation bedeutet heute nicht nur neue Ideen, sondern auch den Mut, alte Prinzipien loszulassen“, sagt Struth. Inmitten all der Veränderung stellt sich der Unternehmer aber auch die Frage, wie seine eigene Rolle in Zukunft aus­sehen soll. Zwar ist er überzeugt, im Kerngeschäft – also der Spielerberatung – weiterhin „der Beste“ zu sein. Doch abseits davon sieht Struth durchaus, dass seine Mitarbeiter auch ohne ihn arbeiten können. Diese Veränderung zuzulassen sei nicht ganz einfach, so der 58-Jährige: „Die Kunst des Loslassens besteht darin, andere wachsen zu lassen und trotzdem selbst von ihrem Erfolg zu profitieren.“

Die Fussballbranche hat sich in den ­letzten Jahren stark verändert. Es ist mehr Geld im Spiel, vor allem sind aber die Geschwindigkeit und die Vielfalt der Aufgaben von Spielern, Trainern, ­Beratern und Vereinen enorm gestiegen. „Die Taktung ist viel schneller geworden, und das hat ganz klar mit Social Media zu tun“, sagt Struth. Wo früher persönliche Gespräche und lang­fristige Strategien dominierten, regieren heute Geschwindigkeit und digitale Präsenz. ­Spieler werden ständig bewertet – nicht nur auf dem Platz, sondern auch daneben.

Dieser Wandel hat auch die Arbeit der Spieler­berater beeinflusst. Das Geschäfts­modell als solches ist zwar weiterhin das Gleiche – in der Regel bekommen Berater oder Beratungs­agenturen 10 % des Jahresgehalts der Spieler, bei Transfers können sie zusätzlich profitieren. Laut der Liste „The Most Powerful Sports Agents“ verdiente Struth laut Forbes insgesamt über 40 Mio. US-$. Doch heute ergeben sich vor allem auch abseits des klassischen Fussballs zahlreiche neue Möglichkeiten. Das Beispiel Toni Kroos zeigt das anschaulich: Seine 34 Titel sind fussballerisch natürlich viel wert, doch Kroos hat seine Karriere im Sommer 2024 beendet. Der Medienwert, den Kroos heute hat, wirkt aber weiterhin – und vielleicht sogar noch intensiver als früher.

49 Millionen Menschen folgen Kroos auf Insta­gram, weitere 100.000 Follower hat er auf Linkedin. Der Fussballer ist damit der deutsche Sportler mit der grössten Reichweite auf Social Media. Diese Präsenz zeigt sich auch im erfolgreichen Podcastformat „Einfach mal Luppen“, das er mit seinem Bruder Felix Kroos – ebenfalls Ex-Fussballprofi – hostet. Was ein solches Format kann, zeigte sich kürzlich: Nach dem Bekanntwerden seines Engagements bei Red Bull gab ­Jürgen Klopp ein einziges Interview – im Podcast der Kroos-Brüder. Um einen solchen Sportler zu betreuen, braucht es mehr Expertise als reine Spielerberatung.

Kroos’ Reichweite ist auch für die Icon League hilfreich, die ähnlich dem Konkurrenten Baller League und nach dem Vorbild der Kings League von Gerard Piqué ein neues Format im Fussball etablieren will. In der Icon League sind etwa die Fussballprofis David Alaba, Robert Andrich, Antonio Rüdiger und Breel Embolo als „Manager“ aktiv; zudem sind die Rapper Ski Aggu und Luciano sowie der Youtuber Viscabarca dabei. Die Spiele finden ausschliesslich in der Halle statt; die Regeln wurden verändert, damit der Sport mehr Dynamik und Unterhaltung bietet als klassische Fussballspiele, die über 90 ­Minuten gehen und mit vergleichsweise wenigen Toren auskommen.

Auch Struth beobachtet diesen Trend: „Ich war überrascht, wie viele junge Menschen im Stadion mehr am Handy hängen als das Spiel zu verfolgen“, sagt er. Für die erste Ausgabe der Icon League kamen 20.000 Zuschauer in die ­Kölner Lanxess Arena, im Livestream waren 230.000 Menschen dabei – Zahlen, die zwar bei Weitem noch nicht an den traditionellen Fussball heranreichen, von denen andere Sport­arten aber nur träumen können. Diese Veränderung will Sports 360 nutzen: „Das Leben besteht aus ­Ereignissen und verpassten Ereignissen – man muss das Beste daraus machen“, so Struth.

„Als ich angefangen habe, war das Geschäft überschaubar – heute gibt es mehr Berater als Spieler.“Volker Struth

Der Erfolg von Sports 360 ist eng mit der Biografie des Gründers verknüpft. Struth wuchs in einfachen Verhältnissen bei seiner Grossmutter in Nordrhein-Westfalen auf. Seinen Vater lernte er kaum kennen, seine Mutter starb früh. Er begann eine Ausbildung als Zimmermann, Spass machte ihm die Arbeit aber nicht: „Ich bin in ­meinem ­Leben gefühlt nie zur Arbeit gegangen, ausser während meiner Ausbildung, als ich auf den Bau musste.“ Die harte körperliche Arbeit, die Kälte im Winter und das frühe Aufstehen ­waren für ihn eine Lektion: Er wollte mehr aus ­seinem ­Leben machen. „Ich habe als Jugendlicher gemerkt, dass ich Verantwortung übernehmen kann – und will“, erinnert sich Struth. Er liess sich zum Indus­trie­kaufmann ausbilden, machte sich aber schnell selbstständig. Sein erstes Unternehmen fokussierte sich auf Büromaterialien, später widmete sich der Unternehmer Merchandise-­Artikeln und Events, entwickelte etwa Motto-Schals und veranstaltete mit Partnern ein Oktoberfest in Köln. Zudem brachte Struth die Autoflaggen für die WM 2006 nach Deutschland. Er hätte es also nicht unbedingt nötig gehabt, die Branche zu wechseln – was er ursprünglich auch gar nicht tun wollte.

Doch sein langjähriger Bekannter Reiner Calmund, selbst ein Vierteljahrhundert für Bayer Leverkusen tätig und eine Institution im deutschen Fussball, überredete ihn 2007, Spieler­berater zu werden. „Als ich angefangen habe, war das Geschäft überschaubar – heute gibt es mehr Berater als Spieler“, so Struth. Die Lizenz, um als Berater arbeiten zu können, schaffte die Fifa 2015 ab – der Markt ist also völlig unreguliert, der Wettbewerb um die besten Spieler entsprechend hart. Doch Struth hatte eine Vision: Er wollte nicht nur Spieler betreuen, sondern sie als Persönlichkeiten fördern.

Sports 360 wuchs schnell und Struth konnte auch selbst davon profitieren – das stand für ihn aber nie im Vordergrund. „Ich habe ein Schweine­geld verdient, aber das war nie meine Motivation“, betont er. Für ihn ging es ­immer ­darum, einen Mehrwert zu schaffen; für seine Spieler, sein Team und die Branche. Doch der Weg war nicht ohne Herausforderungen: Struth erinnert sich an eine Zeit, in der Spieler­berater oft nur als Vermittler gesehen wurden. „Es war nicht immer einfach, den Wert unserer ­Arbeit zu erklären. Aber mit der Zeit haben wir gezeigt, dass wir mehr sind als nur Berater – wir sind Partner, Informationslieferanten und ­Mentoren.“ Überhaupt bezeichnet sich Struth nicht als Spielerberater, sondern stets als Unter­nehmer; und er vertritt durchaus ungewöhn­liche Prinzipien: So hat Struth etwa nur Verträge mit ­seinen Spielern, wenn das strikt vorgegeben ist, etwa in der englischen Premier League. Ansonsten verzichtet er darauf vollständig und verlässt sich auf ­Handschlagqualität – und Vertrauen.

Dieses Selbstverständnis half ihm, Sports 360 von einer kleinen Agentur in Köln zu einem internationalen Akteur zu entwickeln. Der Fokus auf Deutschland ist zwar gegeben, doch Sports 360 betreut heute knapp 170 Athleten, vorrangig Fussballer – und zwar in allen Ligen Europas sowie in den USA. Die regionale Expansion ist ein grosses Thema: Nach erfolgreichen Akquisitionen in Italien und Argentinien richtet sich der Blick nun auf die USA. „Wir führen Gespräche mit einer kleinen Agentur in den Vereinigten Staaten. Die Chancen sind riesig, vor allem im Hinblick auf die kommende Weltmeisterschaft und die Olympischen Spiele“, sagt Struth. Ziel ist es, in den nächsten Jahren eine feste Präsenz in Nordamerika aufzubauen. Doch damit nicht genug: Sports 360 expandiert auch in andere Sportarten, darunter Skifahren und Handball; und auch der Frauenfussball spielt eine immer wichtigere Rolle. „Das ist ein Wachstumsmarkt und ein Zeichen der Zeit“, erklärt Struth. Auch wenn dieser Bereich im Vergleich zum Männersport noch nicht die grossen Gewinne erwirtschaftet, sieht Struth ihn als langfristige Investition – wirtschaftlich und gesellschaftlich.

Ein weiterer grosser Fokus liegt auf men­taler Gesundheit. „Viele unserer Spieler sind ­bereits in einer Art mentalem Coaching. Das Thema wird immer wichtiger“, sagt Struth. Die Be­lastung im Profisport sei heute grösser denn je. „Es ist unsere Aufgabe, Spieler nicht nur physisch, sondern auch mental zu stärken“, erklärt er. Sports 360 plant, in diesem Bereich eigene Programme zu entwickeln, die weit über das ­hinausgehen, was die Branche bisher kennt – denn auch Struth selbst weiss aus eigener Erfahrung, ­welche Rolle der Kopf spielt: „Die Qualität deiner ­Gedanken bestimmt die Qualität deines Lebens“, sagt Struth; es klingt fast wie ein Mantra für den ­eigenen geschäftlichen Erfolg.

Wie seine Rolle in Zukunft aussieht, ist bis zu einem gewissen Grad noch offen. Natürlich fusst aber alles, was rundherum passiert, auch wenn Struth nicht direkt involviert ist, auf seinem Netzwerk, das er über die letzten Jahre aufgebaut hat. Das ist auch gut so, denn Sports 360 ist für den Kölner mehr als nur ein ­Unternehmen – es ist sein Lebenswerk. Und dieses Werk soll nicht nur weiter wachsen, sondern auch ohne Struth funktionieren, der heute insgesamt sieben Stents am Herzen hat. „Ich stelle das Unternehmen so auf, dass es auch ohne mich erfolgreich ist“, erklärt er.

Fotos: Robert Eikelpoth

Klaus Fiala,
Chefredakteur

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