Ein „Europa-Preis“ für längere Zugreisen

„Wow, Zugtickets sind ja teuer, wenn man sie mit einem Flugzeugticket vergleicht!“ – das hört man oft. Obwohl auf vielen Strecken der Zug durchwegs kompetitive Preise zum Flugzeug bietet (z. B. auf Strecken wie Venedig – Palermo, weil Italiens Züge besonders billig sind), ist es auf ­vielen Strecken so, dass eine Zugreise deutlich teurer ist als eine Reise mit dem Flugzeug.

Warum ist das so? Zum einen wegen der ­ungleichen Besteuerung von Flugzeug und Zug. Aber dass Zugtickets auf längeren Strecken oft das Vielfache von Flugzeugtickets kosten, ist zum anderen der ungleichen Preisgestaltung von Flugzeug und Zug geschuldet. Während nämlich Fluglinien Verbindungen wie Wien – Valencia ­direkt anbieten und somit einen Gesamtpreis bieten können, muss man bei derselben Zugverbindung mehrere Einzeltickets kaufen. Das führt zu einem deutlich höheren Preis, weil viele Tickets von mehreren Anbietern gekauft werden müssen.

Problem eins ist also jenes von vielen Einzeltickets, Problem zwei das „Dynamic Pricing“, was bedeutet, dass billige Tickets zu Tagesrandzeiten erhältlich sind, es aber teuer ist, zu den beliebten Zeiten zu fahren. Reist man mehrere Stunden, z. B. bei einer Zugreise nach Valencia (gesamte Anreise 1,5 Tage mit einer Übernachtung und Tagesbesichtigungen), dann hat man diese zeitliche Flexibilität nicht, weil man sich an einen Fahrplan halten muss. Die Lösung für beide Probleme wäre ein billiger, nicht dynamisch bepreister „Europa-Preis“, der nur bei Strecken von über 1.000 km auf internationalen Eisenbahnrouten zur Anwendung kommen würde. Dieser müsste von allen Bahnfirmen angeboten werden. Anbieter von Langstrecken-Zugverbindungen wie Traivelling, Trainline, Rail Europe oder die Deutsche Bahn (über www.international-bahn.de) könnten diesen für längere Strecken anbieten, wenn über mehrere Zuganbieter gebucht werden muss.

Eine praktikable Alternative wäre Interrail, das heute für alle Altersstufen verfügbar ist und bei dem teils verpflichtende Sitzplatz­reservierungen einfach buchbar sind. Das Problem: Billig ist Interrail auch nicht. Der billigste Pass (vier Reisetage in ­einem Monat) kostet über 200 €. Zudem wurde vor wenigen Jahren der Pass für drei Reisetage in ­einem Monat gestrichen – das Angebot war zu ­attraktiv.

Um das Problem zusammenzufassen: Ohne „Europa-Preis“ oder billigere Interrail-Pässe findet auf längeren Strecken zwischen Flugzeug und Bahn kein Wettbewerb statt. Etwa auf der Strecke Wien – Valencia: Eine mögliche Zugroute wäre Wien – Paris – Barcelona – Valencia. Von Wien kommt man mit dem Nachtzug der ÖBB nach Paris. Dieser steht im Wettbewerb mit Direktflügen von Wien nach Paris. Dasselbe gilt für den TGV, der von SNCF betrieben wird, zwischen Paris und Barcelona. Dieser konkurriert mit den Flugzeugen auf derselben Strecke. Der IC-Zug des Betreibers Renfe zwischen Barcelona und Valencia steht wiederum in Konkurrenz zu ­anderen Betreibern auf dieser Strecke. Mit der ­direkten Flugverbindung Wien – Valencia konkurriert keine Bahn, denn die jeweiligen Bahnen sind immer nur daran interessiert, auf den jeweiligen Strecken, die sie mit ihren Zügen bedienen, an die Flugzeugpreise heranzukommen.

Lasst uns also einen „Europa-Preis“ ein­führen oder Interrail-Pässe massiv verbilligen, damit Zugreisen über längere Strecken endlich billiger werden!

Elias Bohun ist Gründer und Geschäftsführer der Traivelling GmbH, die derzeit an einer voll auto­matisierten Buchungsplattform für internationale Zugreisen arbeitet, die diesen Sommer live gehen soll.

Text: Elias Bohun
Illustration: Marlene Zumpf

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