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Mit Ehrgeiz, Disziplin und harter Arbeit schuf Dr. Saim Akagündüz eine erfolgreiche Rechtsanwaltskanzlei in Wien. Seine Spezialisierungen reichen von Liegenschafts- bis zu Fremdenrecht. Heute ist er Rechtsberater des türkischen Generalkonsulats in Wien und Anwalt der „Turkish Airlines" in Österreich.
Wo gingen Sie zur Schule?
Ich bin in der Türkei geboren und kam 1987 mit meiner Familie nach Österreich. Die erste Klasse Volksschule besuchte ich noch in der Türkei, in Österreich angekommen musste ich – aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse – die Klasse wiederholen. Nach der Volksschule folgten acht Jahre Gymnasium und dann das Magister- und Doktoratstudium (der Rechtswissenschaften, Anm.). Es war ein klassischer Werdegang. Allerdings spielte ich parallel Fussball und war eigentlich sehr gut. Wegen gesundheitlichen Gründen musste ich jedoch aufhören, obwohl ich am besten Weg zur Profikarriere war (Akagündüz spielte unter anderem bei der SV Ried, wo er auch einen Einsatz in der österreichischen Bundesliga hatte, Anm.). Ich habe mich aber vom Fussball nie abgewandt und spielte noch jahrelang erfolgreich im Amateurbereich und war zudem als Trainer tätig. Mein Bruder, Muhammet Akagündüz (ehemaliger österreichischer Fussballnationalspieler und Spieler u.a. von Rapid Wien) brachte es im Fussball weiter als ich. Fussball ist und bleibt neben Familie und Beruf meine grösste Leidenschaft.
Was taten Sie, als die Option mit Fussball ausschied?
Ich habe mich umorientiert, weil ich keine andere Wahl hatte. Mit 22 Jahren begann ich, Jus zu studieren. Mein Vater ist heute 71 Jahre alt, arbeitet immer noch in unserem Geschäft für Elektrowaren namens „akatronik”, das meinen drei Brüdern gehört. Schon früh meinte er, dass aus uns allen etwas werden muss, weil er selbst die Möglichkeiten für einen akademischen Werdegang in der Türkei nicht hatte und sehr früh als Jugendlicher zu arbeiten begann. Diesen Spirit trugen wir also alle in uns. Ausserdem sagte mein Vater, dass ich zu viel rede und sehr ehrgeizig bin – und daher der geborene Jurist. Durchschnittlich dauert ein Jus-Studium zwölf Semester – also sechs sechs Jahre. Ich habe es in drei Jahren abgeschlossen.
Aber warum entschieden Sie sich für die Rechtswissenschaften?
Da geht es um den Gerechtigkeitsgedanken. Als ich jünger war, etwa vor 25 Jahren, spielten wir mit Freunden fast täglich im Park Fussball. Dann kam eines Tages die Polizei und forderte uns auf, uns in eine Reihe zu stellen. Ohne irgendeine Begründung begannen die Beamten, uns zu fotografieren und fuhren wieder weg. Mich hat das ziemlich geärgert, solche Erfahrungen prägen einen. Wenn ich so etwas heute sehe, kämpfe ich dagegen sofort an. Damals konnte ich das nicht.
Wie ging es nach dem Studienabschluss weiter?
Ich wollte zuerst Richter werden und wäre damals der erste Richter in Österreich mit türkischem Migrationshintergrund gewesen. Mich warb dann aber die Wiener Rechtsanwaltskanzlei Karasek Wietrzyk ab. Ich bereue das nicht. Ich blieb dort vier Jahre und genoss eine sehr gute Ausbildung. Dann wechselte ich für zwei Jahre in die Rechtsanwaltskanzlei Lansky und Ganzger. 2012 dachte ich mir, ich gründe meine eigene Kanzlei, weil ich überzeugt war, selbst Mandanten akquirieren zu können.
Welche Klienten betreuen Sie denn?
Ich bin beispielsweise Rechtsberater des türkischen Generalkonsulats in Wien, aber auch Anwalt der Turkish Airlines in Österreich. Mit 300.000 Türken gibt es in Österreich ausreichend Potenzial. Es sind genug Mandate für jeden Anwaltskollegen da. Ich habe aber nicht nur türkische und österreichische Klienten, sondern vertrete auch internationale Mandanten, unter anderem aus China, Aserbaidschan und dem Iran in verschiedensten rechtlichen Angelegenheiten.
Dr. Mehmet Saim Akagündüz
studierte Jus in Wien. Nach mehreren Jobs bei renommierten Arbeitgebern im Rechtsbereich, gründete er 2012 seine eigene Rechtsanwaltskanzlei.
Worauf haben Sie sich spezialisiert?
Gesellschaftsrecht, Fremdenrecht, Liegenschaftsrecht, Reiserecht, Schadenersatzrecht, Arbeitsrecht, Familienrecht und natürlich Vertragsgestaltung. Mein grösster Fokus liegt im Immobilienrecht und Fremdenrecht. Die Erfahrung in diesen Gebieten sammelte ich als Rechtsanwaltsanwärter in meinen Ausbildungskanzleien. Im Staatsbürgerschaftsrecht gewann ich zuletzt mit zwei anderen Rechtsanwaltskollegen einen bekannten Fall, bei dem die Behörden Bürgern mit türkischer Migrationsgeschichte wegen angeblicher Doppelstaatsbürgerschaft die österreichische Staatsbürgerschaft aberkennen wollten.
Was macht Ihnen in Ihrem Beruf besonders Spass?
Das Prozessieren, da man viel für den Klienten herausholen kann. Ausserdem lege ich sehr viel Wert auf die gründliche Prozessvorbereitung. Im Übrigen machen mir Immobilientransaktionen viel Spass. Ich bin glücklich, wenn mir Mandanten das Vertrauen schenken und ich sie beim Erwerb oder dem Verkauf ihrer Traumimmobilie rechtlich unterstützen kann.
Wie baut man sich denn ein Geschäft in dieser Branche auf?
Mundpropaganda. Wenn man gut und erfolgreich ist, wird man weiterempfohlen. Ausserdem habe ich mit meinem Nachnamen und aufgrund der Fussballvergangenheit unserer Familie einen Vorteil. Unseren Nachnamen kennen nämlich nicht nur Türken, sondern auch Österreicher.
Wie viel Akten bearbeiten Sie im Jahr?
Ca. 250 bis 300 Akten – oftmals sogar noch mehr. Klienten und Arbeit habe ich jedenfalls genug.
Und wie viele Mitarbeiter haben Sie?
Vier. Zwei weitere würde ich vielleicht noch einstellen, aber grösser als sechs Mitarbeiter wollen wir als Kanzlei nicht wachsen. Das will ich auch nicht, weil wir ein sehr familiäres Umfeld haben und einen dementsprechenden Umgang miteinander pflegen. Diese kleine Struktur gefällt mir. Da fühle ich mich und fühlen sich meine Mitarbeiter wohl. Alles, was grösser wird, ist unüberschaubar. Als Anwalt muss man aber alles überschauen können, denn man trägt letztlich die Verantwortung.
Was war denn Ihr spannendster Fall?
In meinen Anfangsjahren, im Jahr 2013, ging es in einem Fall um einen Streitwert von einer halben Million € – also sehr viel Geld. Ein in der Türkei ansässiges Unternehmen wurde von einem österreichischen Unternehmen in Österreich geklagt. Ich habe, mit sehr guter Vorbereitung, zwei Verfahren mit zahlreichen Verhandlungen geführt und die Klageabweisung erwirkt. Ich konnte das Gericht davon überzeugen, dass nicht die österreichischen, sondern die türkischen Gerichte zuständig sind.
Was ist denn das Wichtigste, das Sie in diesem Geschäft gelernt haben?
Verantwortung. Sie tragen für den Menschen, den Sie vertreten, Verantwortung. Mein Job ist es, meinen Mandanten nach bestem Wissen und Gewissen zu beraten und zu vertreten. In unserem Beruf müssen wir ausserdem sehr gründlich und penibel arbeiten und auf jedes geschriebene Wort und dessen Bedeutung achten. Ein einziger Fehler oder eine falsche Formulierung in einem Vertrag kann für den vertragserrichtenden Anwalt böse enden und eine Haftung in Millionenhöhe nach sich ziehen. Ein Fehler kann für den Anwalt also böse enden.
Text: Muamer Bećirović
Foto: David Višnjić
Diese Advoice erschien in unserer türkischen Forbes Daily Ausgabe zum Thema „Wiener Wirtschaft“.