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André Schürrle beendete seine Fussballkarriere mit 29. Mittlerweile sucht er seine Grenzen im Ausdauersport – und neuerdings auch im Unternehmertum. Mit seinem Start-up Dryll will der ehemalige Weltmeister nun im Milliardenmarkt für Hydration abliefern.
Frühmorgens in einem ruhigen Café in Berlin sitzt André Schürrle bereits am Tisch – in Hemd und Anzughose. Es ist ein ungewohntes Bild für jemanden, den Millionen Menschen nahezu ausschliesslich in Sportkleidung kennen. Denn wer seinen Namen hört, denkt unweigerlich an Schürrles erfolgreiche Fussballkarriere, die neben Stationen bei Mainz, Leverkusen, Chelsea oder Borussia Dortmund auch den Weltmeistertitel mit der deutschen Nationalmannschaft 2014 umfasst.
Doch Schürrle war nie ein gewöhnlicher Fussballprofi, was sich umso stärker gegen Ende seiner Karriere zeigte. Mit nur 29 Jahren erklärte er 2020 seinen Rücktritt und begründete den Schritt unter anderem auch mit dem enormen Druck, der im Fussballgeschäft herrsche. Nach seiner „ersten“ Karriere und einer längeren Pause meldete sich Schürrle ab 2023 zurück, und zwar in neuer Rolle. Seit einigen Jahren tritt er in der Öffentlichkeit – auf Instagram folgen ihm 5,2 Mio. Menschen – vorrangig als Ausdauer- und Extremsportler auf. Da absolviert der Deutsche etwa Marathons, Ultramarathons, Trail-Läufe oder Triathlons; doch Schürrle geht noch weiter. Teilweise erklimmt er, nur in Badehose, Handschuhen und Mütze bekleidet, bei Minusgraden auch Berggipfel.

„Es ist nicht die Sucht nach einem Rennen, sondern die Sucht danach, besser zu werden – nach dem Finden des ehrlichen Ichs in den härtesten Momenten“, sagt Schürrle im Interview mit Forbes. Er, der schon in seiner Zeit als Fussballer an seine Grenzen gehen musste, testet diese heute vermutlich noch stärker aus als früher. Doch der Sport allein reicht Schürrle nicht. Denn aktuell fliesst der Grossteil seiner Zeit nicht ins Training für den nächsten Wettkampf, sondern in sein neu gegründetes Unternehmen. Unter der Marke „Dryll“ startet Schürrle, gemeinsam mit seinem Mitgründer David Rost (Gründer & CEO des Agenturnetzwerks Myty) eine „performanceorientierte Hydration Brand“.
Dryll, sagt Schürrle, ist für ihn mehr als nur eine Geschäftsidee: Es ist ein Projekt, das aus seiner eigenen Erfahrung geboren wurde. Dryll ist, wie Schürrle erzählt, ein „High Salt, High Performance“-Getränk. Denn insbesondere im Ausdauersport ist die Zufuhr von Salzen und Elektrolyten essentiell, um Top-Leistungen zu bringen. Und Schürrle ist der perfekte Markenbotschafter für Dryll. Denn in seiner Wahrnehmung verbinden ihn mittlerweile die Hälfte der Menschen vorrangig mit Endurance-Sport, die andere Hälfte weiterhin mit seiner Karriere im Fussball. Ihm war wichtig, ein Produkt zu kreieren, dass er auch selbst nutzen will. „Ich habe letztes Wochenende einen 70-Kilometer-Ultra-Trail gemacht und dabei rund acht Liter Dryll getrunken. Das zeigt, wie sehr ich selbst an das Produkt glaube.“ Genauso geht er auch die Konzeption der Marke und des Produkts an. „Alles, was ich hier mache, wird zu 100% authentisch sein, weil ich dieses Produkt liebe. Dryll ist kein Business, das ich nebenbei mache – es ist fast wie ein Teil von mir.“

Für Schürrle fühlt sich die Rolle als Unternehmer noch ungewohnt an. „Die bisher grösste Lektion für mich war: schnelle Entscheidungen treffen, auch wenn man nicht zu 100 % sicher ist.“ Man sei gerade mitten im Aufbau, wo viel direkter Austausch über Whatsapp stattfindet und ständig neue Entscheidungen getroffen werden müssen.
Zum Launch geht Dryll mit Pulver-Sticks in fünf Geschmacksrichtungen an den Start (Salty Cucumber, Salty Peach, Cherry, Raspberry und Unflavored). Hinzu kommt die Richtung „Salty Watermelon“, die in Form einer Dose über den Fachhandel sowie auch den eigenen Onlineshop an die Kunden gelangen soll. Das Pulver wird von einem Partner in Österreich produziert, die Dose wiederum in Deutschland. Design und Marke kamen über Rost, der durch seine Tätigkeit bei Myty den richtigen Zugang zu Design-, Branding- und Marketingexperten hat. Bei den Inhaltsstoffen war es dem Team wichtig, Qualität zu liefern. „Wir wollten keinen Bullshit. In all unseren Getränken haben wir keine Farbstoffe, keine künstlichen Süssungsmittel – nur das, was wirklich gebraucht wird“, so Schürrle.
Auch mit ersten potenziellen Markenpartnern ist Dryll bereits im Gespräch, wobei Schürrle im Interview noch nicht zu viel verraten möchte. Erwartungsgemäss sollen diese aber zum Markenkern von Dryll passen und damit im Bereich Sport und Ausdauer stattfinden – oder Performance allgemein.

Denn Dryll soll nicht ausschliesslich Ausdauersportler ansprechen. Für Schürrle sind auch Menschen, die im Job und in ihrem Leben allgemein ihre Leistung bringen wollen, klarer Teil der Zielgruppe. „Jeder CEO, der 14 Stunden pro Tag in Meetings sitzt, braucht genauso Elektrolyte wie jemand, der 70 Kilometer durch die Alpen läuft.“ Für Schürrle steht das Wort „Performance“ über allem.
Dass er jemals wieder in diesen „Performance-Modus“ finden würde, war im Sommer 2020 nicht unbedingt zu erwarten. Gegenüber dem Spiegel sagte er im Zuge seines Rücktritts, etwa: „Man muss immer eine gewisse Rolle spielen, um in dem Business zu überleben, sonst verlierst du deinen Job und bekommst auch keinen neuen mehr“. Ausserdem gab er auch an, dass "Verletzlichkeit und Schwäche (im Fussball, Anm.) zu keinem Zeitpunkt existieren dürfen." Schürrle entschied sich nach dem Ende als Aktiver ganz bewusst, keine andere Rolle im Fussball zu übernehmen – nicht als Trainer, nicht als Funktionär, auch nicht als TV-Experte, wie es so viele seiner ehemaligen Kollegen taten und tun. „Ich wusste nach meiner Karriere genau, was ich nicht machen will. Mut bedeutet oft auch, Nein zu sagen.“
Die Wirtschaftswelt zog ihn hingegen schon früh an. Der erste Berührungspunkt waren Investments in die Start-up-Welt. Rund 30 Investments hat Schürrle heute im Portfolio, darunter Direktbeteiligungen an Start-ups, Fonds, sowie Mitglied in einem Investment Club. Zu den Unternehmen, die Schürrle als Investor haben, zählen etwa das Blockchain-basierte Fantasy-Manager-Spiel Sorare, das Cannabis-Start-up Sanity Group oder das Berliner Fintech Blinq. Anfragen und Pitch-Decks kämen täglich rein, die spannenderen Cases erreichen ihn in der Regel über sein Netzwerk. In letzter Zeit verhielt sich Schürrle aber sehr ruhig, was neue Investments angeht. Denn für ihn ist mittlerweile wichtig, dass auch seine Investments zu seinem Weg passen. „Es müssen im Endeffekt Produkte sein, die zu mir passen. Es sollten Themen sein, die mir Spass machen und mit denen ich mich auch beschäftigen will.“ Wichtiger Ansprechpartner für Schürrle ist in diesen Fragen Mario Götze, der unter deutschen Sportlern sicher einer der aktivsten Business Angels ist. Er erzielte 2014 das entscheidende Tor zum deutschen WM-Titel– nach einer Flanke von André Schürrle.

Obwohl Schürrle sagt, dass seine Reise als Unternehmer und für Dryll bisher relativ glatt gelaufen sei, ist der Markt durchaus umkämpft. In den letzten Jahren gab es im Getränkemarkt extrem viel Bewegung, neben neuen Energydrinks und Süssgetränken auch bei Marken, die zumindest im gleichen Pool fischen wie Dryll. Dabei zeigt sich, dass ein grosser Name allein nicht ausreicht. Das von den Youtubern Logan Paul und KSI gegründete Prime startete mit viel Dynamik und Wachstum, musste zuletzt aber deutlich zurückstecken. In Grossbritannien ging der Umsatz 2024 etwa um 70% gegenüber dem Vorjahr zurück. Prime ist anders und vor allem auch breiter positioniert, und doch weiss Schürrle auch in Bezug auf Dryll, dass das Produkt die Erwartungen erfüllen muss. „Natürlich öffnen sich für uns Türen, weil ich André Schürrle heisse. Aber am Ende musst du abliefern – das Produkt und ein gutes Team entscheiden, ob wir erfolgreich sind.“
Doch an Ambition mangelt es den Dryll-Gründern jedenfalls nicht. Denn nach dem Launch gibt es für Schürrle unzählige Optionen, in welche Richtung sich Dryll entwickeln könnte: „Unsere Visionen sind riesig. Wir sehen die Möglichkeiten überall – entscheidend ist jetzt aber, wie wir exekutieren.“

Dryll ist kein Business, das ich nebenbei mache – es ist fast wie ein Teil von mir.
André Schürrle
Fotos: beigestellt