Mit dem FORBES-NEWSLETTER bekommen sie regelmässig die spannendsten Artikel sowie Eventankündigungen direkt in Ihr E-mail-Postfach geliefert.
Die Coronakrise löst vor allem eines aus: Unsicherheit. Nikolaus Kawka, Österreich-Chef von Zühlke, will Unternehmen helfen, die unsichere Zukunft gemeinsam zu gestalten.
Dass der CEO eines Unternehmens, das mit seinen Kunden zumeist digitale Innovationsprojekte umsetzt, das eigene Haus als „Expeditionsunternehmen“ bezeichnet, ist nicht unbedingt zu erwarten. Doch Nikolaus Kawka, Geschäftsführer von Zühlke Österreich, beschreibt das eigene Geschäftsmodell eben so. „Wir werden im Auftrag von Kunden ins Neuland geschickt“, so Kawka. „Diese Projekte sind für unsere Kunden mit grossen Risiken verbunden, daher engagieren sie uns als professionelles Expeditionsunternehmen. Wir gehen agil mit sehr unklaren Rahmenbedingungen um. Wir haben die Erfahrung aus vielen Expeditionen und können daher ein optimales Team zusammenstellen, um für den Kunden neue Welten zu entdecken und eine sichere Basis aufzubauen, von der Goldnuggets (neue Produkte oder digitale Geschäftsmodelle, Anm.) gefördert werden können.“
Tatsächlich hat der ursprünglich aus der Schweiz stammende „Partner für Business-Innovation“ Zühlke seit seiner Gründung 1968 in weltweit über 10.000 Innovationsprojekten bewiesen, dass er Grosskonzernen, Mittelständlern und Familienunternehmen helfen kann, effizienter, moderner, digitaler und innovativer zu agieren.
Das ist gerade jetzt wichtiger denn je. Denn durch die vom Coronavirus ausgelöste globale Pandemie sind Unternehmen gezwungen, sich einer fundamentalen Transformation zu unterziehen. Zahlreiche Grosskonzerne haben vollständig auf Remote Work umgestellt und ihre Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt. Kommunikation funktioniert dabei digital – sei es über Microsoft Teams, Google Hangouts, Zoom oder Skype –, Prozesse müssen in der neuen Struktur entsprechend abgebildet werden, Führung funktioniert in dezentralen Teams gänzlich anders.
Nikolaus Kawka
... ist promovierter Physiker. Seine Berufserfahrung sammelte er grossteils in der Softwarebranche, etwa bei UPC Chello, Uma Information Technology oder der Hagenberg Software GmbH. Seit 2011 ist Kawka CEO der Österreich-Tochter von Zühlke, seit 2018 auch Partner.
Für Kawka bringt das Coronavirus den Zwang für Unternehmen mit sich, konsequent zu digitalisieren: „Wir erleben jetzt, was digitale Transformation wirklich bedeutet. Das ist für viele Unternehmen eine kalte, aber zugleich auch heilsame Dusche.“ In Gesprächen mit Kunden zeige sich, so Kawka, dass die Produktivität in manchen Bereichen sogar steigt, weil die Mitarbeiter zu Hause ungestört an Problemen arbeiten können. Obwohl diese Vorteile eigentlich nichts Neues sind – bereits 2017 zeigte Stanford-Professor Nicholas Bloom die Produktivitätsgewinne von Remote Work auf –, wurde Arbeiten im Homeoffice doch die längste Zeit in vielen Unternehmen maximal geduldet. Eine Deloitte-Studie aus dem Jahr 2019 zeigte etwa, dass vor Corona in Österreich zwar 97 % der Unternehmen Homeoffice angeboten haben – in 40 % der Fälle blieb es aber einigen wenigen Mitarbeitern vorbehalten.
In dieser neuen Form der Kollaboration ändert sich auch das Verständnis von Führung. Das Bild vieler Manager war lange Zeit von der Idee eines „klassischen CEOs“ geprägt. Der Prototyp dafür war der kürzlich verstorbene Jack Welch, der General Electric in 20 Jahren mit einem hierarchischen, distanzierten Führungsstil transformierte.
Kawka sieht nun einen „Reset in der Führung“ auf uns zukommen. „Es kommt zu einem neuen Führungsstil, bei dem es um Vertrauen geht, um Kompetenz im Krisenmanagement und ums Zuhören.“ Denn einerseits führe das Coronavirus zu einer Erosion des Vertrauens – gleichzeitig können Führungskräfte gerade jetzt bei ihren Mitarbeitern viel Vertrauen gewinnen. Führungskräften kommt in dieser Krise überhaupt eine essenzielle Rolle zu. Denn sie ist so einschneidend, dass nur jene sie halbwegs unbeschadet überstehen werden, die klare Entscheidungen treffen, diese konsequent umsetzen und ihr Unternehmen somit schnell den neuen Gegebenheiten anpassen.
Doch obwohl Kawka durchaus der Meinung ist, dass Führung in der Krise wichtiger denn je sei, warnt er auch vor Allmachtsfantasien: „Viele Manager fühlen sich in der Rolle als Krisenmanager wohl. Und da kann es dazu kommen, dass handstreichartig Dinge getan werden, die der Substanz des Unternehmens schaden.“
Digital-First-Unternehmen werden weiter wachsen und gestärkt aus der Krise hervorgehen.
Für Kawka stehen uns nun mehrere Phasen bevor. Die erste ist jene, in der die Skala, die Geschwindigkeit und die Tiefe der Veränderung eingeschätzt werden müssen – die sogenannte Planungsphase. In der zweiten Phase – in der sich viele Unternehmen aktuell befinden – muss die Resilienz des Unternehmens verbessert werden. Das heisst, den Cashflow zu optimieren, die Liquidität sicherzustellen etc. Doch auch da sei vor unüberlegtem Handeln gewarnt: „Corona deckt Schwachstellen in der Digitalisierung gnadenlos auf. Diese muss man gezielt reparieren, ohne dabei grundlegende Regeln zu ignorieren“, sagt Kawka.
Denn auch in Krisenzeiten muss man sich die Frage stellen: Was passiert, wenn der Normalzustand wieder eintritt? Etwa: Wie kann man schnell Kunden gewinnen und Umsätze generieren, wenn Marketing- und Sales-Aktivitäten zu stark reduziert wurden? Diese fehlende Balance in den Abwägungen habe auch mit fehlender Liquidität vieler Unternehmen zu tun – was insbesondere kleinere Organisationen stark betrifft.
Für Kawka und Zühlke hat sich im ersten Schritt hingegen gar nicht so viel verändert. Die Mitarbeitenden in Österreich sind es gewohnt, flexibel und remote zu arbeiten. Und auch die Projekte laufen zum überwiegenden Teil weiter – im Gegensatz zu anderen Beratungs- und Engineering-Unternehmen, wo zahlreiche Projekte teils über Nacht abgesagt wurden. Zühlke Österreich bedient die Fokusbranchen Industrie, Pharma/Medtech und Versicherungen und begleitet zumeist strategisch kritische Projekte, die auch in Krisenzeiten essenziell sind, so Kawka.
Doch der promovierte Physiker, der seit 2011 an der Spitze von Zühlke in Österreich steht und seit 2018 auch Partner der Schweizer Muttergesellschaft ist, macht sich keine Illusionen bezüglich der zukünftigen Marktsituation: „Es wird viel schwieriger sein, neue Projekte zu gewinnen.“ Unternehmen wären, so Kawka, primär mit sich selbst beschäftigt und müssten das Cash-Management im Auge behalten. „Danach sind Investitionen in digitale Plattformökonomien, Technologien und neue Geschäftsmodelle Pflichtprogramm“, so Kawka.
Inwiefern verschiedene Unternehmenstypen von der Krise betroffen sind, lässt sich aktuell nur schwer abschätzen. Während Start-ups deutlich agiler und wendiger agieren können als grosse Unternehmen, haben diese wiederum ungleich höhere Geldpolster, um negative Auswirkungen abzufedern. Kawka gibt sich auch hier keiner Träumerei hin: „Viele Start-ups werden die Krise nicht überleben. Gleichzeitig werden Digital-First-Unternehmen jedoch die Chance haben, weiterzuwachsen. Diese Unternehmen werden aus der Krise gestärkt hervorgehen.“
Grosse Unternehmen sind hingegen dann in einer kritischen Situation, wenn sie hinsichtlich Digitalisierung nicht vorbereitet sind. Kawka nennt bezüglich Branchen ein konkretes Beispiel: „Wie kann ich Blue-Collar-Arbeiter auch im Homeoffice beschäftigen? Wie kann ich meine Produktion weiterführen? Das sind klassische Fragen, die sich Unternehmen im Bereich Industrie 4.0 jetzt stellen. Wer seine Hausaufgaben nicht gemacht hat und die Produktion nicht durch Digitalisierung unterstützt, wird Probleme bekommen.“
So verweist Kawka in diesem Zusammenhang etwa auf die Transformation, die die industrielle Produktion durch den Einsatz von Tools wie Microsoft Hololens erlebt. Als erster zertifizierter Hololens-Partner in der DACH-Region fing Zühlke bereits 2017 an, das Mixed-Reality-Headset einzusetzen. Auch der Nachfolger Hololens 2 ist in Projekten bereits im Einsatz.
Auswirkungen könnten sich auf die Wirtschaft als Ganzes ergeben. Den Innovationswettlauf betrachtet Kawka nüchtern: „Wir werden in Europa sicher einige Monate eine Rezession erleben. Unsere Innovationskraft wird sich dadurch – insbesondere gegenüber China – weiter reduzieren. Die Frage ist, wie rasch nach der Krise der Rebound kommen wird.“
Neuen Branchen, etwa Digital Health, stünden jedoch rosige Zeiten und der endgültige Durchbruch bevor – selbst und gerade in Österreich, wo das Gesundheitssystem massiven Aufholbedarf in Sachen Digitalisierung hat. Kawka betont überhaupt, dass sich auch grosse Chancen ergeben werden. Den israelischen Historiker und Autor Yuval Harari zitierend sagt der Zühlke-Manager, dass Notfälle stets bedeuten, historische Prozesse im Schnelldurchlauf zu absolvieren.
Das zeigt sich auch bei der Geschwindigkeit der digitalen Transformation, sei es im Gesundheitsbereich, bei der Robotik oder hinsichtlich Internet of Things (IoT). Unternehmen werden dann mit einer viel grösseren Klarheit und Vehemenz die Digitalisierung der eigenen Prozesse vorantreiben – etwa indem digitale Plattformen gebaut und/oder genutzt werden. „Es gibt eine massive Lücke zwischen unserer digitalen Zukunft und der Ausstattung unserer Unternehmen“, so Kawka. Gleichzeitig könnte die europäische und lokale Wirtschaft jedoch Vorteile haben, da eine gewisse „Deglobalisierung“ stattfinden könnte: Wertschöpfungsketten würden lokaler ausgestaltet, um die Liefersicherheit in globalen Krisen zu gewährleisten.
Das eigene Unternehmen sieht Kawka trotz Herausforderungen durchaus gut ausgestattet, um seinen Kunden auch während und nach der Krise ein hilfreicher Expeditionsführer zu sein. Denn die seit 1968 aufgebaute Expertise mache Zühlke angesichts der aktuellen Unsicherheit nur noch relevanter. Und obwohl Dienstleister in der digitalen Welt überall auf der Welt beauftragt werden könnten, sei das Feedback der Kunden eindeutig: „Das Vertrauen, das nötig ist, um gut zusammenzuarbeiten, ist im digitalen Raum schwieriger aufzubauen. Unternehmen bevorzugen daher einen lokalen Partner – die Mischung aus persönlicher Kommunikation und Remote Work ist da vorteilhaft.“
Wer gemeinsam eine Expedition in unbekannte Welten startet, muss seinem Expeditionsführer klarerweise vertrauen können – eine Qualität, die Zühlke auch in Zukunft anbieten will: „Unsere Kompetenz ist es, Unsicherheit aus einem per se unsicheren Prozess, wie es eine Expedition ist, herauszunehmen.“ Zühlke führt also auch in Zukunft sicher in neue digitale Welten – Krise hin oder her.
Text: Klaus Fiala
Fotos: Gianmaria Gava / Forbes / Shutterstock.com