DIE WOLLEN NUR SPIELEN

Die Novritsch Trading GmbH entwickelt und verkauft Spielzeugwaffen und Ausrüstung zum Airsoft-Spielen. Damit ist das Unternehmen, gegründet von den Freunden Christoph Neuwirth und Dominik Knoll, so erfolgreich, dass es keinerlei externe Investoren brauchte, um einen zweistelligen Millionenumsatz zu generieren. Ein wichtiger Bestandteil des Erfolgs ist der Airsoft-Youtube-Kanal „Novritsch“, der mit fünf Millionen Abonnenten einer der grössten Kanäle Österreichs ist. Doch wie wollen die Köpfe hinter Novritsch die Erfolgsgeschichte weiterschreiben?

Schon im Treppenhaus des Bürogebäudes in Wiens siebentem Bezirk, in dem Novritsch angesiedelt ist, klingt es so ähnlich wie bei den Schiessbuden im Prater. Dem Geräusch nachgehend landen Besucher bei einer mit einem elektronischen Schloss gesicherten Tür mit dem Schriftzug „Novritsch“. Der Buchstabe o ist eine Zielscheibe, wie beim Zielfernrohr eines Gewehrs. Ein junger Mann in weissem Hemd und mit Bart öffnet die Tür – Dominik Knoll ist einer von drei Gründern des Wiener Unternehmens Novritsch Trading GmbH. Nach einem Händedruck warnt er: „Achtung, hier wird gerade geschossen!“ Der Teppichboden ist bedeckt mit kleinen weissen Kügelchen; eine gelb-schwarze Kette sperrt den Bereich ab.

Sein Mitgründer und der zweite Geschäftsführer der Novritsch Trading GmbH ist Christoph Neuwirth. Als wir ihn treffen, hält er ein täuschend echt aussehendes Gewehr in der Hand und zielt damit den langen Bürogang entlang auf einen Vorhang. Neuwirth ruft „Shooting!“ und der Vorhang am Ende des langen Ganges wölbt sich unter dem Druck der kleinen Airsoft-Kugeln. Durch die Männergruppe, die sich um Neuwirth versammelt hat, geht ein Raunen. Ein neues Produkt aus dem chinesischen Werk ist angeliefert worden und wird vom Gründer höchstpersönlich getestet.

Den Gründern ist wichtig, dass hier nicht von Waffen gesprochen wird. Airsoft ist ein Spiel, das Paintball nicht unähnlich ist und meist auf abgesperrten Geländeflächen betrieben wird. Die Spielzeuggewehre oder -pistolen feuern dabei kleine weisse Kugeln. Das Wiener Unternehmen Novritsch Trading entwirft Produkte rund um dieses Spiel – und fertigt in Wien die Prototypen an. In China werden die rund 3.000 unterschiedlichen Produkte dann in Serie produziert; von Spielzeugwaffen über Waffenstände, auf denen man seine Spielzeuge zur Schau stellen kann, hin zu atmungsaktiven Westen in Tarnmuster, Brillen und Gesichtsschutz. Denn obwohl der Aufprall schwächer als bei Paintball ist, kann Airsoft ohne entsprechende Schutzausrüstung, insbesondere bei Gesichtstreffern, gefährlich werden.

Im Jahr 2017 gegründet wuchs Novritsch schnell zu einer der grössten D2C-Airsoft-Marken (D2C: Direct to Costumer) im deutschsprachigen Raum. Der grösste Anbieter ist, fest im Visier, die deutsche Umarex. In ihrem ersten Jahr machte Novritsch etwa 2,5 Mio. € Umsatz, heute liegt der Jahresumsatz bei rund 35 Mio. € – laut Unternehmensangaben. Das Wachstum liege bei etwa 40 %. Das von CEO Dominik Knoll ausgegebene Ziel, einen neunstelligen Umsatz zu erreichen, könnte bei diesem Tempo bereits 2025 erreicht werden.

Umso bemerkenswerter ist, dass die Novritsch Trading GmbH weiterhin zu 100 % im Besitz der drei Gründer steht. Neben den Geschwistern Christoph und Claudia Neuwirth, die 50 % bzw. 20 % der Anteile halten, hält Dominik Knoll die restlichen 30 %. Eine Abhängigkeit von Investoren gab es nie, so Christoph Neuwirth: „Das haben wir vom Cashflow her einfach nicht nötig.“ Und: Das soll so bleiben. „Es müsste schon ein sehr gutes Angebot sein, dass wir uns darauf (externe Finanzierung, Anm.) einlassen“, sagt Claudia Neuwirth.

Momentan hat das Unternehmen 65 Mitarbeiter in Österreich und 15 in China. Insgesamt arbeiten Menschen aus rund 28 Ländern bei Novritsch – in einem recht ausgeglichenen Geschlechterverhältnis. „Darauf lege ich grossen Wert“, sagt Claudia Neuwirth.

Im Wiener Büro arbeitet unter anderem auch der Ex-Soldat Dag Tore Rauber, der die Textilabteilung leitet. Hier entwerfen Schneiderinnen am Computer die Schnittmuster und stellen an grossen Industrienähmaschinen Prototypen her. Hier ist auch das hauseigene Tarnmuster „Kreuzotter“ entstanden. Es sieht auf den ersten Blick wie ein gewöhnliches Tarnmuster aus, aber es ist eben „nicht politisch“, erklärt Rauber.

Die Mitarbeiter im Textilbereich entwerfen Westen und weitere Airsoft-Kleidung und stellen Prototypen her.

Die Idee, die Leidenschaft, der Antrieb kommt von Christoph Neuwirth. Er hat auch den Namen des Unternehmens geprägt – „Novritsch“ war sein Spitzname in der Schule. Neuwirth ist das Gesicht des Unternehmens, die Community kennt ihn von den Youtube-Videos. Er hat in der Szene einen gewissen Kultstatus; auf Twitter posten Fans Fotos mit ihm und schreiben, sie hätten nie gedacht, ihn einmal persönlich zu treffen.

Für Neuwirth wuchs die Leidenschaft „für alles, was schiesst“, schon als Teenager. „Mich hat – wie sehr viele 14-jährige junge Männer, würde ich sagen – alles, was schiesst, interessiert, das heisst Bögen, Gewehre, aber auch Equipment wie Rüstungen. Und das Spannende an Airsoft ist, dass man aufeinander schiessen kann, sich dabei aber nicht verletzt. Und im Vergleich zu Paintball kann man auch in irgendeinem Wald spielen, im Gelände.“ Knoll hatte ihn bis 2009, bevor sie zusammenzogen, immer nur an den Wochenenden besucht und „musste dann auch mitspielen“, erinnert er sich im Interview; die beiden Geschwister lachen. Denn es war überhaupt nicht sein Ding, Knoll habe das Spielzeug auch schon mal frustriert auf den Boden geschmissen. Trotzdem war er in der Lage, über die eigene Ablehnung hinauszugehen – und das Potenzial der Airsoft-Community zu erkennen.

Nach der Matura und einer Ausbildung zum Elektrotechniker verbrachte Neuwirth die Zeit beim Bundesheer als „Scout Sniper“, also als Scharfschütze. Neuwirth hat nie so wenig Airsoft gespielt wie in diesen Monaten. „Man läuft da die ganze Woche herum und ist aktiv, da braucht man das nicht auch noch in der Freizeit“, sagt er. Doch nach sechs Monaten beim Bundesheer packte ihn die Lust wieder.

Airsoft kann überall gespielt werden, zum Beispiel im Wald, weil die Kügelchen aus Maisstärke biologisch abbaubar sind. Aber es gehe nicht nur ums Schiessen, sagt Neuwirth: „Es ist auch ein Versteckspiel und spricht Urinstinkte der Menschen – etwa Jagen und Sammeln – an.“ Airsoft-Kritiker stossen sich aber genau daran: Sie nennen es  „Kriegspielen“, während 1.000 km von Wien entfernt die Ukrainer im echten Krieg leiden und ihr Leben lassen. Neuwirth sagt aber klar, dass man lediglich Spielzeuge fertige: „Airsoft ist ein Spiel, man versteckt sich, bewegt sich, ist unterwegs mit Freunden.“ Die Zielgruppe von Novritsch und damit die typischen Airsoft-Spieler sind zumindest in Österreich zwischen 18 und 40 Jahre alt und zu etwa 95 % männlich. Die stärksten Absatzmärkte sind Deutschland, Belgien, die Niederlande, Grossbritannien und die USA.

Die beiden besten Freunde Christoph und Dominik gründeten das Unternehmen gemeinsam in Christophs Schlafzimmer in der gemeinsamen WG. Christoph hatte bis dahin Youtube-Videos aufgenommen, in denen er entweder Airsoft spielte oder Ausrüstung reviewte. Die Fans schauten weltweit zu, der Kanal brachte es auf mehr als vier Millionen Abonnenten. Der Umstieg vom Youtube-­Kanal auf den Online-shop mit physischen Produkten folgte über die Jahre, aber Knoll und Neuwirth sagen, es gab nicht den einen Moment, in dem sie die Gründung aktiv beschlossen haben – „es war fliessend“.

Novritsch entwirft und produziert alles, was man für Airsoft braucht: die Spielzeugwaffen, die Ausrüstung im eigenen Tarnmuster „Kreuzotter“ und, ganz wichtig, den Augenschutz. Die Kügelchen sind aus Maisstärke und biologisch abbaubar.

Knoll selbst konnte mit dem Spiel wenig anfangen, verstand aber sofort die Kraft, die die Community mit sich brachte. Die Entscheidung, physische Produkte zu produzieren und zu vertreiben, kam dann aber aus der Not heraus, sagt er: „Wir haben einfach keine Sponsoren für unseren Kanal gefunden.“ Sie hätten potenzielle Sponsoren damals regelrecht angebettelt, aber alle haben sie „mit ein paar Hundert Euro abgespeist“ – bis sie gemerkt haben, „irgendwie klappt das nicht: Wir haben zehn Millionen Views pro Monat, da muss doch mehr gehen!“ Mit dem Geld, das aus ersten Werbeeinnahmen von Youtube kam, flogen die beiden dann nach Taiwan. Dort wohnten  sie in einer Airsoft-Fabrik und Neuwirth entwickelte ein taiwanesisches Produkt nach Anforderungen der europäischen Community weiter. Das aus Youtube generierte Geld steckten sie in die Produktion der ersten 100 Spielzeuge und verkauften sie in die ganze Welt. „Wir haben innerhalb von zwei Stunden alle 100 Stück verkauft und eine Million Euro Umsatz erzielt“, sagt Knoll.

Der Zahldienst Paypal sperrte nach einiger Zeit das Konto, weil zu grosse Summen bewegt wurden. Das Duo war bankrott – und wandte sich an Christophs ältere Schwester Claudia. Die hatte ihren Master in International Business und Exportmanagement gemacht und bereits einige Jahre Berufserfahrung beim österreichischen Maschinenbauunternehmen Palfinger gesammelt. „Welche Probleme haben wir?“, fragte Claudia Neuwirth die beiden Freunde. Zustande kam, wie das Trio sich heute erinnert, eine  „unendlich lange Liste“: Der Cashflow war durch das eingefrorene Paypal-Konto zum Stillstand gekommen, eine ordentliche Buchhaltung war nicht vorhanden, die Rekrutierung von Mitarbeitern schwierig. Kurze Zeit später kam die heute 32-Jährige an Bord und ist damit die älteste Person im Gründerteam – Christoph Neuwirth und Dominik Knoll sind beide 29. Die Eltern der Neuwirth-Geschwister waren zunächst skeptisch. „Mama und Papa waren nicht begeistert“, erinnert sich Claudia Neuwirth. „Ich habe im eigenen Unternehmen gleich mehr Geld verdient als im Job als Elektrotechniker, von daher war es eigentlich keine abenteuerliche Entscheidung“, so Neuwirth.

Nach viel Pech hatte das Team dann aber richtig Glück. „Unsere treuen Fans haben uns über etwa zwölf Monate vorfinanziert. Sie haben die Produkte gekauft und erst später geliefert bekommen“, sagt Knoll. Das Team konnte so kleine  Mengen in Taiwan herstellen – und hatte es da mit einer „geduldigen Fabrik“ zu tun, denn „Fabriken machen eigentlich nichts unter 1.000 Stück“, sagt Claudia. Inzwischen hat Novritsch die Produktion nach China verlegt; dort wird in speziellen Airsoft-Werken hergestellt, 15 Mitarbeiter sind dort tätig.

Wachstum scheint jedenfalls programmiert: Die globale Marktgrösse für Airsoft-Spielzeug wurde im Jahr 2021 auf 1,89 Mrd. US-$ geschätzt und soll bis 2031 voraussichtlich 4,13 Mrd. US-$ erreichen – und von 2022 bis 2031 mit einer CAGR von 8,3 % wachsen.

Christoph „Novritsch“ Neuwirth ist das Gesicht des Unternehmens. Er hat seinen besten Freund und seine Schwester zum Airsoft-Spielen gebracht.

Ein günstiges Hobby ist Airsoft nicht, auch wenn die Miete für Hallen wegfällt: Das „Start Airsoft Bundle – Minimal“ kostet etwa 350 €. Es ist „das Minimum, das es braucht, um kompetitiv spielen zu können“, heisst es auf der Website: ein Gewehr, ein extra Magazin, ein Rotpunktvisier. Pro Monat verschickt Novritsch davon 15.000 Pakete. Die beliebtesten Gewehre und Bestseller sind das SSR4 ab 229 € und das Scharfschützengewehr SSG10 ab 429 €. Der Vertrieb läuft fast gänzlich über den Onlineshop.

Novritsch führt aber auch einen Showroom. Bisher gibt es nur einen in Wien, im Sommer will Novritsch entscheiden, ob es weitere geben soll. Im Showroom hat das Team nicht das gesamte Online-Sortiment, weil dieses inzwischen zu umfangreich ist. Es gibt jedoch einige ausgewählte Partner, die die Produkte anbieten, unter anderem einen Shop in China.

Die drei Gründer sind sehr zufrieden mit ihrem bisherigen Weg – vor allem mit dem Wachstum über die österreichischen Grenzen hinaus. Ein paar Tage vor unserem Interview sind Knoll und eine Mitarbeiterin von einer Waffenmesse aus Las Vegas zurückgekehrt, in ein paar Tagen geht es weiter nach Hongkong. Was an Produkten als Nächstes kommt, ist laut den Gründern „ein grosses Geheimnis“. Das neue Spielzeuggewehr, das Christoph Neuwirth getestet hat, kommt übrigens gut an. Die Tests seien erfolgreich und er zufrieden gewesen, berichten die Gründer ein paar Tage später.

Fotos: Katharina Gossow

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Deputy Editor in Chief

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