Die Stadt der Zukunft oder die Zukunft der Vergangenheit

Etwas ist augenscheinlich: Aufgrund der öko­logischen und ökonomischen Grenzen wird es bei der Frage nach der Stadt der Zukunft darum gehen, die jetzt existierenden Städte der Ver­gangenheit zu ertüchtigen, sie komfortabler zu machen bzw. sie ökologisch und ökonomisch auf neue ­Niveaus zu heben. Wie lernen wir, das, was wir jetzt haben, intelligenter zu nutzen?

Unsere Städte sind inhomogen – aus verschiedenen Jahrhunderten und ­Jahrzehnten mit sehr unterschiedlichen Qualitäten, ­wobei wir interessanterweise beobachten, dass sich die Ortsteile aus früheren Jahrhunderten als ­zukunftsfähiger und intelligenter bezüglich der Themen Verkehr, Lebensqualität und Energie­verbrauch sowie CO2-Fussabdruck erweisen. In ihnen sind viele Momente enthalten, die wir uns für die Stadt der Zukunft wünschen.

Wie soll diese nun aussehen? Die wichtigste Art des Verkehrs ist der ­Fussweg – die fuss­läufige ­Distanz, die ­tatsächlich akzeptiert wird, sind ca. zehn Minuten oder 700 Meter. Die bauliche Nutzung der Fläche ist wesentlich höher als all das, was wir im 20. Jahrhundert gebaut haben. Diese Quartiere sind geprägt von grosser funktionaler Durchmischung zwischen Wohnen, Arbeiten und Freizeit – alles in fussläufiger Distanz.

Die Gebäude stehen in kleinen ­Abständen zueinander, was viel Schatten einerseits und niedrigen Wärme- und Kühlbedarf andererseits erzeugt. Diese Nähe bewirkt auch eine hohe ­atmosphärische Qualität des Aussenraums: Es gibt ausreichend Grün in Form von Parks, ­Höfen, Gärten und Alleen – alles entspricht ­einem Massstab, den unsere Augen, ­Ohren und Geschmacksnerven als sinnvoll empfinden, und ­dadurch entsteht diese Atmosphäre, die wir schätzen und suchen.

Die unterschiedlichen Funktionen erhalten unterschiedlich viel Sonne, und die Sonneneinstrahlung bestimmt die Orte, an denen die verschiedenen Funktionen angeordnet sind – Gebäude werden durchmischt genutzt. Die Luftqualität wird gesteigert, weil der Verkehr und der notwendige Energiebedarf für diese Gebäude wesentlich niedriger sein wird als das, was wir heute gewohnt sind. Um dies zu erreichen, werden wir KI und Sensorik ­verwenden, über die wir die Bedingungen der Gebäude an die notwendigen Bedürfnisse anpassen. Dies führt dazu, dass es keine Leitungsverluste mehr gibt und wir unnötiges Kühlen und Heizen, wenn keine Menschen anwesend sind, nicht mehr ­benötigen. Insofern ist die Frage der Stadt der Zukunft eine Frage der Ertüchtigung der jetzt bestehenden Gebäude und städtischen Substanz.

Der grosse Bedarf an Ertüchtigung ­bezieht sich auf die Flächenteile der Städte, die wir im 20. Jahrhundert entwickelt haben. In ­ihnen ist nachträgliche Verdichtung, ein besseres ­Nutzen des Geländes und eine Reduzierung der Verkehrs­flächen notwendig, um zu einer bes­seren Nutzung der natürlichen Ressourcen und zu ­einer Steigerung der Aufenthaltsqualität zu kommen. Die smarte Stadt der Zukunft ist eine ­Kombination aus dem intelligenteren Verwenden der Prinzipien der Vergangenheit ergänzt um die technologischen Möglichkeiten – Sensorik, Software und KI – der Gegenwart und Zukunft.

Prof. ETHZ Dietmar Eberle studierte Architektur an der TU Wien und absolvierte 1978 sein Diplom. 1985 gründete er gemeinsam mit Carlo Baumschlager das Architekturbüro Baumschlager Eberle, das heute Standorte in elf Ländern hat.

Text: Dietmar Eberle
Illustration: Marlene Zumpf

Forbes Contributor

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