Die Schweizer Soul-Königin

Naomi Lareine wollte schon immer auf der Bühne stehen und singen, eine andere Option gab es für sie nie. Doch als Schweizer R&B-Sängerin ist der Weg nicht immer einfach – vor allem, wenn die Ziele über die Landesgrenzen hinausreichen.

in diffusem Licht steht Naomi ­Lareine in einer Aufnahmekabine und singt in ein verkehrt ­gehaltenes ­Retro-Mikrofon: „I’m not scared to swim against the tide. I’ll take the challenge.“ Danach posiert sie in ­einer übergrossen Vintage-Lederjacke vor der Kamera, bevor sie in ein Auto steigt und im Nebel durch die Stadt fährt. Diese Szenen aus dem Musikvideo zu ihrem Song „Limitless“ machten die Sängerin in der Schweiz zu einem bekannten Gesicht. Entstanden ist „Limitless“ ausgerechnet im Rahmen eines Werbedeals mit dem Speiseeis-­Unternehmen Magnum – ein Song, der heute mit fast 500.000 Streams auf Spotify noch immer zu ihren erfolgreichsten zählt. Doch obwohl Lareine mittlerweile in der Schweiz keine Unbekannte mehr ist, waren ihre Anfänge alles andere als einfach.

„Mein grösster Traum war ­immer die Musik“, sagt Lareine, die mit bürgerlichem Namen Naomi Bruderer heisst. Sie entschied sich jedoch für den Künstlernamen Lareine, der vom französischen Wort „La reine“ abgeleitet ist und „Königin“ bedeutet. Statt auf Französisch oder Deutsch singt die Schweizerin aber auf Englisch. Ihre Wurzeln jedoch spiegeln sich deutlich in ihrem Musikstil wider: Als Tochter eines Schweizers und einer Mutter aus dem Senegal fliessen unter anderem oft Afro-Einflüsse in ihren Soul- und R&B-lastigen Sound ein. Auch wenn sich ihre markante Stimme vor allem im Soul und R&B zu Hause fühlt, will sich die Schweizerin auf keine Musikrichtung festlegen: „Mein grosses Vorbild ist Alicia Keys, was aber nicht bedeutet, dass ich nur Soul-Lieder singen werde. Aktuell bin ich eher beim Pop-Rock gelandet. Als Künstlerin hört man halt nie auf, sich weiterzuentwickeln.“

Lareine kam zum ersten Mal während ihrer Schulzeit mit Musik in Berührung, als sie die Hauptrolle in einem Schulmusical übernahm. „Ich habe damals einen kleinen Stern gespielt“, erinnert sie sich ­lachend, „doch mir wurde schnell klar, dass Musicals nichts für mich sind. Ich wollte einfach nur singen, ohne dabei schauspielern zu müssen.“ Bevor sie sich jedoch ganz der Musik verschrieb, war sie sportlich aktiv; ihr sportlicher Hintergrund könnte von ihrem Vater, Martin Bruderer, einem ehemaligen Eishockey-Profi, beeinflusst worden sein. Lareine spielte von ihrem zwölften bis zu ihrem 19. Lebensjahr Fussball, am Ende sogar in der U19-Nationalmannschaft. „Fussball hat mir immer Spass gemacht, aber damals gab es in der Schweiz einfach kein Geld im Frauenfussball. Davon hätte ich niemals leben können“, erklärt die Künstlerin.

So beschloss sie – auch auf Wunsch ihrer Eltern –, vor dem Einstieg in die Musik ausserdem eine Ausbildung zur kaufmännischen Fachkraft zu absolvieren. „Ich wollte immer unabhängig sein und meinen eigenen Lebensunterhalt verdienen, bevor ich mich ganz der Musik widme“, sagt Lareine und fügt hinzu: „Wir Schweizer wollen in erster Linie auch immer finan­ziell abgesichert sein, daher habe ich eine Zeit lang auch neben meiner Musikkarriere in einer Bank ­gearbeitet.“

„Ich glaube, man kann nicht authentisch über Herzschmerz singen, wenn man nicht selbst eine schwere Trennung durchlebt hat“, so Naomi Lareine.

Als die Künstlerin zunehmend für Festivalauftritte und Werbedeals gebucht wurde, entschloss sie sich vor drei Jahren, den Schritt zu wagen und sich als Musikerin selbstständig zu machen. „Eine Zeit lang habe ich wirklich den ganzen Tag im Büro gearbeitet, abends auf Festivals gespielt und bin dann um drei oder vier Uhr morgens nach Hause gekommen. Das konnte ich auf Dauer nicht mehr aushalten“, erzählt Lareine. „Schliesslich wurde ich von meinem Bürojob entlassen, weil ich einfach zu selten da war. Das war für mich das Zeichen, keinen weiteren Job zu suchen, sondern mich ganz auf die Musik zu konzentrieren.“

Heute spielt die ­Schweizerin Konzerte vor 25.000 bis 35.000 Menschen, hat knapp 30.000 Follower auf Instagram und steht regelmässig für Werbedeals vor der Kamera, wodurch sie den Status eines Newcomers bereits hinter sich gelassen hat. Obwohl ihre Liedtexte zunehmend ernste Themen wie mentale Gesundheit behandeln, schreibt Lareine nach wie vor gerne über Herzschmerz und Verliebtsein. Anfang September 2024 veröffentlichte sie ihre neue EP mit dem Titel „Where Were You?!“, auf der sie in Texten wie „Anxiety, it’s eating me. Apologies, apologies, they always felt empty to me“ über ihre persönlichen Probleme singt. „Ich glaube, man kann nicht authentisch über Herzschmerz singen, wenn man nicht selbst eine schwere Trennung durchlebt hat. Wenn ich solche Lieder schreibe, erinnere ich mich immer an diese Zeit zurück“, erklärt die Künstlerin.

Als queere Person, die in der ­Öffentlichkeit steht, will Lareine auch in dieser Hinsicht ein Vorbild für junge Menschen aus der queeren Community sein: „Ich denke, es hätte mir als Kind sehr geholfen, ­jemanden in der Musik zu sehen, der offen und stolz über seine Sexualität spricht“, so Lareine.

Obwohl die Künstlerin bereits viele ihrer Träume und Ziele verwirklichen konnte – wie etwa einen Auftritt beim Montreux Jazz Festival –, zielen ihre Ambitionen weiterhin über die Schweizer Landesgrenzen hinaus. „Es ist nicht leicht, als Künstlerin aus der Schweiz international bekannt zu werden. Deshalb singe ich auch auf Englisch, um Chancen im Ausland zu haben“, erklärt Lareine. Auch wenn eine internationale Tournee bisher ausgeblieben ist, bleibt sie zuversichtlich, dass dies in der Zukunft möglich sein könnte: „Ich würde gerne nach Österreich oder Deutschland kommen. Wenn ich dabei ganze Stadien füllen könnte, wäre das natürlich fantastisch.“

Naomi Lareine, geboren als Naomi Bruderer, ist eine Schweizer R&B-Sängerin, die für ihre markante Stimme bekannt ist. Ihr Künstlername „Lareine“ leitet sich vom französischen Wort für „Königin“ ab.

Fotos: Naomi Lareine

Lela Thun,
Redakteurin

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