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In der Transport- und Logistikbranche zählt Geschwindigkeit – aber immer öfter auch innovative Kraft. Wer Neues bringt, das auch noch Kosten spart, gewinnt die Gunst der Aktionäre.
Man hätte nicht auf den Zusammenbruch des Investmenthauses Lehman Brothers am 15. September 2008, der gemeinhin als Auslöser der grossen Krise gilt, warten müssen, um zu sehen, dass Unangenehmes droht: Schon Monate zuvor hatte der Baltic Dry Index, ein Preisindex für das weltweite Verschiffen von Hauptfrachtgütern, begonnen, zu erodieren, um dann um 90 % abzustürzen.
Das war auch das kalte Ende von ehemals heissen Investments wie etwa Bananenfrachtern. Die gesamte Transport- und Logistikbranche rund um den Globus dünnte sich aus; der Index hat nie mehr auch nur annähernd die einstigen Höchststände erreicht.
Doch zum Glück hat sich die Branche selbst erholt und neu aufgestellt. Geschwindigkeit zählt noch immer, doch wird sie heute ergänzt durch Tugenden wie Innovationskraft und Einsparungspotenzial. Das mögen Aktionäre – und wer darauf setzt, wird an einem früher als langweilig verrufenen Engagement wie der Aktie der Deutschen Post nicht vorbeikommen.
Dort tut sich nämlich einiges: Man setzt zum Beispiel auf Elektromobilität und hat sich dazu gleich ein ganzes Unternehmen aufgebaut. StreetScooter produziert Elektrotransporter, die am Ende des Tages nicht nur umweltfreundlich sind, sondern auch Kosten einsparen. Damit umschifft man elegant nicht nur Dieselfahrverbote in immer mehr deutschen Grossstädten, sondern erfreut auch die Bilanzbuchhalter mit deutlich geringeren Wartungskosten. 10.000 E-Laster sind inzwischen in der Paket- und Briefzustellung unterwegs; auch die Nachbarländer wie Österreich zeigen Interesse an der Entwicklung.
Doch das ist noch nicht alles, was die Deutsche Post aktuell so einpackt: Zwar hat man sich wegen zu hoher Kosten von der Idee verabschiedet, Zusteller durch einen Begleitroboter namens PostBot zu unterstützen, doch setzt man ungebremst auf Digital: Zwei Milliarden € will der Konzern in den nächsten Jahren in die Digitalisierung investieren.
Zum Zug kommen sollen beispielsweise modernere IT-Systeme sowie Roboter, die Bestände in Lagerhäusern überwachen könnten. Und das Tochterunternehmen DHL setzt gar auf „Paketkopter“, die vor allem dann zum Einsatz kommen sollen, wenn ein Transport über etablierte Infrastrukturen schlecht möglich ist oder deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen würde.
Diese und andere Massnahmen sollen die „Aktie Gelb“ pushen: Bis 2022 etwa soll der Vorsteuergewinn weiter steigen, auf mindestens 5,3 Milliarden €. Diese Aussichten gefallen den Analysten auf breiter Front: So hat die US-Investmentbank Goldman Sachs die Aktie der Deutschen Post nach Bekanntgabe der neuen Ziele für die kommenden Jahre auf ihrer „Conviction Buy List“ mit einem Kursziel von 45 € belassen – ein Kurspotenzial von 52 % (alle Zahlen Stand Redaktionsschluss, Anm.).
Goldman-Analyst Matija Gergolet rechnet für das Jahr 2022 mit einem operativen Ergebnis (EBIT) von 5,8 Milliarden € – satten 500 Millionen € mehr, als die Deutsche Post selbst erreichen will. Die Goldmänner haben also hohes Vertrauen in die Post. Die Baader Bank hat zwar das Kursziel von 46 auf 40 € gesenkt, das ergibt aber immer noch ein Kursplus von schönen 35 %. Tenor der Analyse: Die Post wird ihre Ziele für 2020 erreichen und zudem ihre Mindestziele für 2022 übertreffen.
Ein weiteres Unternehmen, das auf Fortschritt setzt, ist das US-amerikanische Paketdienst- und Logistikunternehmen UPS (United Parcel Service). 1907 in Seattle, Washington, als Botendienst gegründet, ist UPS heute der grösste Express- und Paketzustelldienst der Welt und ein führender Anbieter spezialisierter Beförderungs-, Logistik- und E-Commerce-Services. Mehr als 434.000 Mitarbeiter weltweit erwirtschafteten 2016 einen Umsatz von 61 Milliarden US-$ (55 Milliarden €), 4,9 Milliarden Pakete und Dokumente wurden in mehr als 220 Ländern zugestellt. Von den 108.210 Paketautos, Transportern, Zugmaschinen und Motorrädern werden bereits 8.100 Fahrzeuge mit alternativen Kraftstoffen betrieben – dieser Anteil soll weiter ausgebaut werden.
Die Aktie der deutschen Hapag-Llyod hat sich bis dato alle Analystenprognosen übertroffen und in den letzten drei Jahren deutlich zugelegt.
Mit seinem Ansatz der „Rollenden Labore“ setzt UPS weltweit auf emissionsarme Fahrzeuge, um festzustellen, welche alternativen Kraftstoffe und Fahrzeuge der Spitzentechnologie auf verschiedenen Routen und in unterschiedlichen Arbeitszyklen am besten funktionieren.
So will man in Deutschland weitere 33 Diesel-Zustellfahrzeuge auf Elektro- oder Hybridfahrzeuge umrüsten, 15 davon sollen rein elektrisch betrieben werden. Mehr als 80 vollelektrische Zustellfahrzeuge sind bereits erfolgreich im Einsatz. Durch die neuen Fahrzeuge will UPS bis zu 200 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr einsparen.
Doch die zunehmende Elektrifizierung ist nicht die einzige Innovation des Unternehmens aus Seattle: UPS startete im März dieses Jahres eine Kooperation mit dem Drohnen-Start-up Matternet. Künftig sollen diverse Lieferungen zu einem Krankenhaus in Raleigh in North Carolina mithilfe von Drohnen erfolgen. Der kleine Quadcopter von Matternet kann rund 20 Kilometer weit fliegen und ein Gewicht von etwa fünf Kilogramm transportieren. Die Drohne soll „Behinderungen im Strassenverkehr umgehen“ können sowie Lieferungen „noch am selben Tag auf Nachfrage möglich machen“, heisst es bei UPS.
Nicht nur deswegen hob die US-Bank JP Morgan das Kursziel für UPS von 114 auf 135 US-$ (121 €) an. Bei einem Kurs von 117 US-$ (105 €) zu Redaktionsschluss ergibt sich hier ein Potenzial von rund 15 %. Die Einstufung wurde auf „Neutral“ belassen; verglichen mit dem Konkurrenten FedEx sähe UPS attraktiv bewertet aus, so die JP Morgan-Analyse. Das Unternehmen sollte auch von einem nachlassenden Investitionstempo und Kostenverbesserungen am US-Heimatmarkt profitieren.
Auch die Aktie der deutschen Hapag-Lloyd ist durchaus einen Blick wert: Mit einer Flotte von 235 Containerschiffen und einer Gesamttransportkapazität von 1,6 Millionen TEU (Twenty Foot Equivalent Unit = Standard-Containergrösse, Anm.) ist Hapag-Lloyd eine der weltweit führenden Linienreedereien und mit rund 12.900 Mitarbeitern in 399 Büros in 128 Ländern tätig.
Das Unternehmen mit Sitz in Hamburg ist zum überwiegenden Teil in privatem Eigentum, nur 7,8 % der Anteile befinden sich in Streubesitz. Die Zahlen des ersten Halbjahres 2019 waren höchst erfreulich: So stieg das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) auf 389 Millionen €, im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es 91 Millionen € gewesen. Für das Gesamtjahr rechnet die Geschäftsleitung mit einem Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA) von 1,6 bis 2 Milliarden €. Zum Vergleich: 2018 wurden 1,1 Milliarden € erwirtschaftet. Wachsen will Hapag-Lloyd vor allem in Indien und Afrika, wo man seit zwölf Jahren aktiv ist. Dort startete Hapag-Lloyd vor wenigen Wochen einen Dienst mit Direktverbindungen und schnellen Transitzeiten zwischen Süd- und Westafrika, dem Arabischen Golf, Indien, Colombo (Sri Lanka) und La Réunion.
Dieser Kurs gefällt den Aktionären: Das Papier der Hapag-Lloyd, das erst seit 6. November 2015 an der Börse notiert ist, legte seither bereits um 235 % zu. Die Aktie hat bis dato alle Analysen übertroffen, und eine Korrektur könnte ins Haus stehen. Langfristig sollte man sie aber jedenfalls im Auge behalten.
Text: Reinhard Krémer
Illustration: Valentin Berger
Der Artikel ist in unserer Oktober-Ausgabe 2019 „Handel“ erschienen.