Die Essenz der Kreativmühle

David Kreytenberg hatte in seiner Laufbahn schon viele Hüte auf, denn als Serial Entrepreneur sitzt er niemals still, ist stets auf..

David Kreytenberg hatte in seiner Laufbahn schon viele Hüte auf, denn als Serial Entrepreneur sitzt er niemals still, ist stets auf der Suche nach der nächsten Inspiration, der nächsten Veranstaltung, die geplant oder dem nächsten leer stehenden Gebäude, das revitalisiert werden will. Forbes Austria hat mit ihm über die Essenz seines rastlosen Unternehmergeists und seine aktuellen Projekte gesprochen.

Begeisterung für neue Ideen und Projekte kommt bei David Kreytenberg schnell auf. „Die Augen immer nach neuen Projekten offen zu halten ist so eine Krankheit von mir und ich renne förmlich von Idee zu Idee“, erzählt der 35-Jährige auf dem Weg zu einer seiner erfolgreichsten Realisierungen der letzten beiden Jahre. „Die Liebe“ in der „Marktwirtschaft“ ist eine Fusion aus einer Indoor-Markthalle voll hochwertiger Spezereiwaren und einem Restaurant, das 2016 mit einer Haube ausgezeichnet wurde.

„Auf dem Weg in die Siebensterngasse gehe ich immer an diesem leer stehenden Gebäude vorbei und denke an die unzähligen Möglichkeiten, die sich beim Erschliessen solch verlassener Schätze ergeben könnten“, erzählt Kreytenberg und blickt durch ein verrostetes Eisentor auf den verwaisten Innenhof. „Ich bin ohne Vater aufgewachsen und von meiner Mutter antiautoritär und rebellisch erzogen worden. Also brauche ich wohl etwas, wogegen ich rebellieren kann“, erzählt der gebürtige Münchner lächelnd.

Vor über zehn Jahren ist er nach Wien gezogen, um hier Mittelalterliche Geschichte zu studieren. „Berlin hat mir damals wahnsinnig viel Angst gemacht, weil es zu gross ist und nach seiner Existenz gesucht hat. Doch Wien hat ein Fundament, wo ich als unerfahrener Mensch ansetzen konnte“, sagt Kreytenberg der kurz darauf als Mitgründer von Snipcard(s), den kleinen Informationskärtchen für den öffentlichen Raum, von 2007 bis 2010 als „fahrender Händler“ und Berater durch die Büros unzähliger Vorstände und Geschäftsführer gepilgert ist. „Das war eine meiner lehrreichsten Zeiten, und ich habe mir dabei ein gutes Netzwerk aufgebaut. In den Verkaufsgesprächen habe ich dann schnell bemerkt, dass es mir leicht fällt, im Gespräch am Tisch spontan Ideen zu entwickeln, die hilfreich sind und Probleme lösen.“ Kurz darauf verliebte sich Kreytenberg – jedoch nicht in eine Frau, sondern in einen Job bzw. seinen neuen Arbeitsplatz bei Niko Alms Agentur Super-Fi. „Ich hatte das Gefühl, im Himmel zu sein, in diesem Mikromischkonzern, wo lauter kreative Leute tätig waren. Neben mir sind damals geniale Typen wie Whatchado-Gründer Ali Mahlodji, Biorama-Herausgeber, Thomas Weber oder auch ,Grelle Forelle‘- Geschäftsführer Johannes Piller gesessen und konnten dank Niko frei an ihren Ideen arbeiten“, erzählt er. Durch die wohlwollende, unterstützende Hand Niko Alms, die eine gewisse Narrenfreiheit zuliess, hat dieser den Menschen Raum gegeben, um zu denken. „Wir waren kreative, verlorene Seelen, die einen Brotjob gesucht haben“, sagt Kreytenberg, der in dieser Zeit unter anderem den allseits beliebten „Feschmarkt“, ein Marktfestival für Kunst und Design, das Eventkonzept „Albert & Tina“ oder auch das temporäre Kreativzentrum „356 – The Fox House“ entwickelt hat. „Alm war für mich Mentor und Vorbild, denn er hat mir gezeigt, dass Unternehmensführung auch anders möglich ist. Ich habe mich zum ersten Mal von einem Menschen beruflich wirklich verstanden gefühlt“, betont er.

Ein ehrliches und offenes Verhältnis zu allen Menschen, vor allem im beruflichen Kontext, ist für David Kreytenberg essenziell. „Es ist auch extrem wichtig, das zu tun, worauf man wirklich Bock hat. In dieser Stadt gibt es meiner Meinung nach schon genug geschäftsführende Idioten, die sich hinter einer Fassade verstecken, ständig Angst haben, ihren Status zu verlieren, und dabei andere ausbeuten“, sagt er bestimmt. Auf die Wiener Jahre folgte ein Ortswechsel nach Hamburg, „um den Kopf freizukriegen und nachzudenken“, so Kreytenberg. „Ich dachte immer, dass ich in einer anderen Stadt und ohne mein Netzwerk nicht erfolgreich sein kann, da ich in einem Nischensegment tätig war“, beschreibt er. Und dennoch reihten sich nach kürzester Zeit das internationale Kunst-, Musik- und Kulturfestival „Millerntor Gallery“, die Markttage, die Weinhandlung Vin Bienund der „Hallo Frau Nachbar Markt“ in die Liste der vielen Projekte, Konzepte und Co- Gründungen Kreytenbergs. „Ich habe in Hamburg bei null angefangen, mich ab sichtlich auf mich selbst zurückgeworfen, und das hat meine Seele gewissermassen gereinigt. Heute habe ich keine Angst mehr, woanders neu anzufangen “, sagt er.

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Ein Projekt, das frischen Wind in die Wiener Clubszene bringen sollte, führte Tausendsassa David Kreytenberg schliesslich wieder zurück nach Wien. Der neue Elektro-Club „Jessas“ sollte Ende 2014 eröffnen und in den Kellerräumen des Theaters Werk X am Petersplatz in der Wiener Innenstadt seine Heimat finden. Wie zahlreiche Medien berichteten, kündigten die Werk-X-Geschäftsführer den Jessas- Initiatoren in letzter Minute den Vertrag – ohne triftige Begründung. „Ich hatte schon damals den Traum einer freien Kulturstätte und habe mich dadurch nicht entmutigen lassen“, sagt David Kreytenberg. Denn schon Anfang 2015 betreute der Gastro-Quereinsteiger mit seinem neu gegründeten Konzeptbüro „Yes Us“ Kunden wie den Boxircus am Badeschiff und eröffnete das Restaurant „Die Liebe“ in der „Marktwirtschaft“ im siebten Bezirk. Zu den Investoren gehören neben Michael Schuster und Lucanus Polagnoli unter anderem Nina Mohimi, Dani Terbu, Johannes Raidl und Niko Alm. Hinter dem Herd hat Lucas Steindorfer ganze Arbeit geleistet und eine Haube erkocht. „Das war schon neun Monate nach der Eröffnung“, erzählt Kreytenberg, der „Nächstenliebe“ nicht nur als Cocktail auf die Getränkekarte schreibt, sondern sie auch wirklich lebt. Und so haben im Jänner einen Monat lang sechs syrische Flüchtlinge für die Gäste aufgekocht.

Eine Initiative, die testen sollte, wie die neuen Mitarbeiter ankommen. „Martin Rohla von der Stadtflucht Bergmühle ist im Vorfeld auf mich zugekommen und wollte ein Projekt mit geflüchteten Personen starten, das aufzeigt, wie Integration funktionieren kann“, erklärt Kreytenberg. Dank Rohlas Netzwerk konnten über 350.000 € investiert und das neue Lokal „Habibi & Hawara“ sehr schnell eröffnet werden – ein Erfolg mit Symbolwirkung, der vom Fernsehsender Al Jazeera bis in den arabischen Raum getragen wurde. Inzwischen ist auch David Kreytenberg wieder weitergezogen. „Mich interessieren die Menschen und wie es ihnen geht, aber das Konzept steht. Ein Restaurant braucht keine Kreativmühle, die ständig neue Ideen entwickelt“, erklärt er. Und gut ist es, denn schon ab 10. Dezember eröffnet der von Kreytenberg in Kooperation mit der Zwischennutzungsagentur Nest konzipierte Kreative-Space „Creau“ in Teilen der Stallungen der Krieau. Der Design wintermarkt „Ochs und Esel“ soll das neu erschlossene Areal an den ersten zwei Wochenenden mit weihnachtlicher Stimmung füllen. „Bis Oktober 2018 können wir ausserdem Werkstätten und Ateliers vergeben und der Ort kann als Eventlocation gemietet werden“, erzählt Kreytenberg fröhlich. Und auch mit „Yes Us“ hat er zukünftig noch eine Menge vor. „Als Konzeptbüro für den öffentlichenRaum wollen wir Leuten die Realisierung ihrer kreativen Konzepte erleichtern, damit sie einfach das machen können, worauf sie Bock haben.

Wenn es Menschen leicht fällt, ihre Häkelmützen zu verkaufen oder einen kleinen Laden zu eröffnen oder das Fahrrad zu bauen, das sie immer schon haben wollten, dann werden sie fröhlich“,sagt Kreytenberg. Für ihn ist Wien eine „wahnsinnig gebildete, grossartige Stadt“, die einen guten Nährboden für kreative Konzepte bereithält.„Was mir ein bisschen fehlt, ist, dass sich die Menschen ihre Erfolge gegenseitig richtig gönnen. Und ein bisschen mehr Herzenswärme würde nicht schaden. Daher bemühe ich mich stets um einen herzlichen Umgang. Bei mir weiss jeder, dass er ein Lächeln kriegt.

Diese Geschichte ist in unserer Dezemberausgabe erschienen.

Forbes Editors

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