DIE BLOCKCHAIN WIRD ERWACHSEN

Während Bitcoin und Co. im Winterschlaf liegen, werden grosse Unternehmen zunehmend zu Blockchain-Pionieren. Forbes listet die „Blockchain 50“ – 50 grosse Unternehmen, die die Blockchain-Technologie im grossen Stil nutzen.

In Taipeh, Taiwan, schwingt sich das weithin als Hersteller von Apples iPhones bekannte Tech-­Unternehmen Foxconn zum Blockchain-Riesen auf. Das Unternehmen startete kürzlich ein Blockchain-Start-up: Chained Finance soll Foxconn und seine vielen Lieferanten über eine auf Ethereum basierende Blockchain verbinden und mithilfe von eigenen Token und Smart Contracts ­Zahlungen ­tätigen und in Echtzeit Kredite zur Verfügung ­stellen – ganz ohne Papierkram.

„Wir betrachten die Blockchain als Skelett unserer Arbeit“, sagt Jack Lee, der Gründer von Foxconns Venture-Capital-Arm, der 40 Millionen US-$ in sechs Blockchain-Start-ups investierte. „Intelligente Verträge, die automatisch Transaktionen durchführen, sind die Muskeln, und Token sind das Blut.“ Die schöne neue Welt der „Enterprise Blockchain“ hat begonnen. Unternehmen nutzen darin die Technologie, die Kryptowährungen wie Bitcoin zugrunde liegt, um Prozesse zu beschleunigen, die Transparenz zu erhöhen und Milliarden US-$ zu sparen. Blockchain ist eine dezentrale Datenbank, die auf Millionen von Rechnern dupliziert abgespeichert ist. Das erleichtert Transaktionen zwischen Einzelpersonen (oder Unternehmen), die einander nicht kennen oder vertrauen. Betrug ist praktisch unmöglich, da jede Transaktion an vielen Stellen aufgezeichnet wird und die Details für jeden sichtbar sind.

Unternehmen verwenden Blockchain, um die Herkunft von frisch gefangenem Thunfisch zu prüfen, Versicherungsentschädigungen zu beschleunigen oder Krankenakten zu verwalten. Insgesamt werden Unternehmen und Regierungen 2019 fast drei Milliarden US-$ in die Technologie investieren; ein Anstieg von 89 % gegenüber 2018. Bis 2022 soll die Zahl laut International Data Corporation 12,4 Milliarden US-$ erreichen. Um die Pioniere der „Enterprise Blockchain“ zu porträtieren, hat Forbes erstmals die Liste der „Blockchain 50“ erstellt – also grosse Unternehmen, die die Technologie auf sinnvolle Weise einsetzen.

Diese neue Version der Blockchain-Anwendung ist zumeist weit weg von dem, was sich die Blockchain-Erfinder ursprünglich gewünscht hatten. Sie sollte ein globales, öffentliches Netzwerk von Individuen ermöglichen, das direkt und demokratisch verbunden ist und ohne Zwischenhändler funktioniert. Nun bauen jedoch Unternehmen, von denen viele selbst Zwischenhändler sind, ­private Netzwerke auf, mit denen sie gegen eine zentra­lisierte Verwaltung ankämpfen.

Dominiert wird die Liste daher, wenig verwunderlich, von Finanzinstituten – von ­Allianz über Visa hin zu J.P. Morgan Chase. Doch die Bandbreite an Branchen geht weit darüber hinaus: Energie-, Einzelhandels- oder Medienunternehmen sind darunter. Dabei betonen die meisten dieser Akteure die Unterschiede zwischen Krypto­währungen und der Blockchain. Denn Erstere haben durch Betrugsfälle und zwielichtige Vorgänge in der Kryptoszene viel an Image verloren.

In gewisser Weise stellen die „Blockchain 50“ also eine Brücke dar: zwischen der alten und der neuen Welt. So wie interne Kommunikationsnetzwerke in Unternehmen lange vor der Einführung des Internets übernommen wurden, beginnen Unternehmen nun, Distributed-Ledger-Technologien in kleinem Ausmass einzuführen. „Die Ära der Blockchain-Touristen ist vorbei“, sagt Bridget van Kralingen von IBM Global Industries. „Wir haben gesehen, wie sich die Blockchain aus dem Schatten der Kryptowährungen entwickelt hat und nun Anwendung auf reale Geschäftsprobleme und komplexe Prozesse findet.“ Ihre Kollegin Marie Wick, IBM-Blockchain-General-Manager, betont: „Die Stärke von Blockchain-Netzwerken liegt in ihren Teilnehmern und Mitgliedern.“ Es spielt wohl keine Rolle, ob das grosse Unternehmen oder Idealisten sind.

 

Mark Zuckerberg

Bild: Mark Zuckerberg, Facebook, Blockchain

Wir könnten eine völlig dezentrale Autorisierung anbieten. Die Frage ist: Wollen wir das überhaupt?

 

 

ALLIANZ SE
München, Deutschland

Der deutsche Versicherungsriese testet seit geraumer Zeit Blockchain-Anwendungen für verschie­dene Produkte. Ein Beispiel ist ein Joint Venture, das Versicherungen für Flugverzögerungen anbietet. Mittels eines Smart Contracts wird ein Anspruch ausgelöst, sobald ein Flug verspätet ist. Der Kunde bekommt dann eine Benachrichtigung auf sein Smartphone, gibt seine Bankdaten ein – und bekommt sein Geld zurück.

Blockchain-Plattformen:
Hyperledger Fabric, Corda

Wichtige Personen: Robert Crozier, Leiter des „Allianz Global Blockchain Centre of Competence“

 

AMAZON
Seattle, USA

 

ANHEUSER-BUSCH INBEV
Leuven, Belgien

Der Brauerei-Riese arbeitet an einem Pilotprogramm in den USA, bei dem Kunden ihre Führerscheininformationen in eine Blockchain hochladen und dann an einem Automaten Bier kaufen können, indem sie ihr Telefon scannen. In Afrika, dem am schnellsten wachsenden Biermarkt der Welt, unterhält AB InBev eine Partnerschaft mit BanQu, bei der über Blockchain Preisinformationen und Zahlungen an Landwirte ohne Bankkonten bereitgestellt werden.

Blockchain-Plattformen:
Ethereum, Corda

Wichtige Personen: Tassilo Festetics, VP Global Solutions

 

ANT FINANCIAL
Hangzhou, China

 

BBVA
Bilbao, Spanien

Im November kündigte Spaniens zweitgrösste Bank einen Konsortialkredit für den spanischen Übertragungsnetzbetreiber Red Eléctrica Corporación an. Der 170 Millionen US-$ umfassende Kredit wurde über die Blockchain abgewickelt. Bei einem Markt für Konsortial­kredite von fast fünf Billionen US-$ weltweit könnten Transparenz und Effizienz sicher nicht schaden.

Blockchain-Plattformen:
Hyperledger Fabric, Corda, ­Ethereum (öffentlich)

Wichtige Personen: Carlos
Kuchkovsky, CTO

 

BITFURY
Amsterdam, Niederlande

Obwohl Bitfury noch immer vor allem für seine Hardware für Bitcoin-Mining bekannt ist, fängt das niederländische Unternehmen nun an, Blockchain-Dienste für Unternehmen anzubieten. 2017 wurde die Exonum-Blockchain auf den Markt gebracht, die es grossen Unternehmen ermöglichen soll, die Bitcoin-Blockchain zu nutzen. Ein Kunde, die Regierung Georgiens, nutzt Exonum zur Erfassung und Übertragung von Grundbesitz.

Blockchain-Plattformen:
Exonum, Bitcoin

Wichtige Personen: Valery Vavilov, CEO und Mitgründer

 

BNP PARIBAS
Paris, Frankreich

Wenn etwa Rio Tinto Eisenerz an Cargill verkauft, bezahlt der Lebensmittelriese den Rohstoffkonzern nicht wirklich. Stattdessen präsentiert das Unternehmen eine Bank­garantie. BNP Paribas versucht nun, Kreditbriefe von der analogen in die digitale Welt zu bringen. Im November 2018 arbeitete BNP mit der HSBC Singapur zusammen, um
die erste vollständig digitalisierte Akkreditivtransaktion durchzuführen. Einen digitalen Vorsprung im heiss umkämpften Rohstoffhandel zu haben ist sicher kein Fehler.

Blockchain-Plattformen:
Corda, Hyperledger Fabric, Ethereum

Wichtige Personen: Jacques Levet, Head Transaction Banking EMEA

 

 

Ginni Rometti

Bild: Ginni Rometti, Walmart, Blockchain

Nicht nur Walmart beschäftigt sich mit der Blockckhain, sondern die gesamte Handelsbranche.

 

BP PLC
London, Grossbritannien

Wie BNP Paribas investiert BP in die Blockchain-Technologie, um den Rohstoffhandel zu vereinfachen. BP ist Gründungsmitglied von Vakt, einer Blockchain-Plattform, die darauf abzielt, manche Elemente des Energiehandels, etwa Verträge oder Rechnungen, zu digitalisieren. Bisher investierte BP mehr als 20 Millionen US-$ in Blockchain-Projekte.

Blockchain-Plattformen:
Ethereum, Cardano, Quorum

Wichtige Personen: Julian Gray, Technischer Direktor der Digital Innovation Organization

 

BROADRIDGE
New York City, USA

 

BUMBLE BEE FOODS
San Diego, USA

 

CARGRILL
Wayzata, USA

 

CIOX HEALTH
Alpharetta, USA

 

CITYGROUP
New York City, USA

 

COINBASE
San Francisco, USA

 

COMCAST
Philadelphia, USA

 

CVS HEALTH
Woonsocket, USA

 

THE DEPOSITORY TRUST &
CLEARING CORPORATION
Jersey City, USA

 

FACEBOOK
Menlo Park, USA

 

FIDELITY
Boston, USA

 

FOXCONN
Taipeh, Taiwan

 

GOLDEN STATE FOODS
Irvine, USA

 

GOOGLE
Mountain View, USA

 

HPE
San José, USA

 

HTC
Taoyuan, Taiwan

 

 

 

Warren Buffet

Bild: Warren Buffet, Berkshire Hathaway, Blockchain

Bitcoin ist genial und die Blockchain wichtig, aber Bitcoin hat keinen Wert. Es produziert nichts. Es ist eigentlich eine Illusion.

IBM
Armonk, USA

 

ING
Amsterdam, Niederlande

Seit der Implementierung eines Blockchain-Teams hat der niederländische Bankriese ING acht Pilotprojekte in dem Bereich gestartet. 2018 komplettierten ING und Credit Suisse etwa den ersten rechtlich anerkannten Swap mit Euro-Securities. Die Bank hat auch in mehrere Blockchain-Ventures investiert.

Blockchain-Plattformen:
Corda, Quorum, Hyperledger Fabric, Hyperledger Indy

Wichtige Personen: Mariana Gomez de la Villa, Programmdirektorin Distributed Ledger Technology

 

INTEL
Santa Clara, USA

 

JP MORGAN CHASE
New York City, USA

 

MAERSK
Kopenhagen, Dänemark

Trotz aller Digitalisierung sind Warenversendungen zwischen Häfen noch immer massiv auf Papierdokumente angewiesen. Im vergangenen Jahr kündigten IBM und Maersk, einer der grössten Spediteure der Welt, Pläne zur Gründung von TradeLens an, einer globalen Blockchain für Transportunternehmen. Bisher haben sich 100 Unternehmen, darunter Häfen, Spediteure sowie Zollbehörden, für die Nutzung der Plattform entschieden.

Blockchain-Plattformen:
IBM Blockchain, Corda

Wichtige Personen: Michael J. White, Leiter von TradeLens

 

MASTERCARD
Purchase, USA

 

METLIFE
New York City, USA

 

MICROSOFT
Redmond, USA

 

NASDAQ
New York City, USA

 

NESTLÉ
Vevey, Schweiz

Der Konsumgüterriese (92 Milliarden US-$ Umsatz) testete Blockchain-Technologien mittlerweile in rund zehn Projekten. Am vielversprechendsten ist dabei der IBM Food Trust, wo mithilfe der Blockchain die Herkunft von Lebensmitteln verfolgt werden kann. Es wird erwartet, dass dieser Dienst noch in diesem Jahr in Europa verfügbar sein wird. So könnten etwa lebensmittelbedingte Krankheiten verhindert werden, die Nestlé im Fall der Fälle viel Imageschaden zufügen könnten.

Blockchain-Plattformen:
IBM Blockchain

Wichtige Personen: Benjamin Dubois, Manager Digital Transformation

 

NORTHERN TRUST
Chicago, USA

 

ORACLE
Redwood Shores, USA

 

OVERSTOCK
Midvale, USA

 

PNC
Pittsburgh, USA

 

 

 

Vitalik Buterin

Bild: Vitalik Buterin, Blockchain

Ich habe in den letzten Jahren aufgehört, grosse Unternehmen als böse Riesen zu betrachten. Jene, die den ersten Schritt machen, können überleben.

RIPPLE
San Francisco, USA

 

SAMSUNG
Seoul, Südkorea

 

SANTANDER
Madrid, Spanien

Die spanische Grossbank sicherte sich 2018 die Aufmerksamkeit der Medien, als sie ihren Aktionären erlaubte, auf der Hauptversammlung per Blockchain mitzustimmen. Vor einem Jahr startete Santander zudem die mobile App One Pay FX, einen Devisendienst, der Über­weisungen an Personen in einem anderen Land in weniger als einem Tag ermöglicht.

Blockchain-Plattformen:
RippleNet, Hyperledger Fabric

Wichtige Personen: María de la Concepción de Monteverde, Direktorin des Blockchain Center of Excellence.

 

SAP SE
Walldorf, Deutschland

SAP hat mit Leonardo ein eigenes cloudbasiertes Blockchain-Toolkit entwickelt. Es soll Kunden davon abhalten, zu Oracle oder IBM zu wechseln, während sie auf Distri­buted-Ledger-Technologien um­steigen. Der deutsche Konzern bietet aber auch Blockchain-Projektentwicklung als Dienstleistung an und hat etwa Bumble Bee Foods’ Blockchain entwickelt, die den Weg von Thunfisch vom Fang bis zum Verbraucher verfolgen können soll.

Blockchain-Plattformen:
Hyperledger Fabric, MultiChain, Quorum

Wichtige Personen: Raimund Gross, Chief Innovation Strategist

 

SEAGATE TECHNOLOGY
Cupertino, USA

 

 

SIEMENS
München, USA

Im New Yorker Stadtteil Brooklyn verfügten einige Anwohner bei Sonnenschein durch ihre Siemens-Solarmodule über mehr Energie, als sie verbrauchen konnten – das Brooklyn Microgrid Project er­möglicht jenen mit überschüssiger Energie, sie an ihre Nachbarn zu verkaufen. Für den deutschen Industrieriesen geht es mit seinen 28 Milliarden US-$ Umsatz um viel Geld: Das Energienetz wird zunehmend dezentralisiert, die Strom­erzeugung somit demokratisiert. Blockchain kann diesen Prozess beschleunigen.

Blockchain-Plattformen:
Ethereum, Hyperledger Fabric, Corda

Wichtige Personen: Bernd Rosauer, Forschungschef

 

SIGNATURE BANK
New York City, USA

 

 

STATE FARM
Bloomington, USA

 

UBS
Zürich, Schweiz

Das ehrgeizigste Projekt der Schweizer Bank ist jenes der Utility Settlement Coin (USC), die Zentralbanken ermöglicht, Geldtransfers untereinander mit digitalem Geld durchzuführen – eine riskante Wette, denn wenn Zentralbanken grosse Überweisungen mit Kryptowährungen durchführen, könnten sie ihre nationalen Währungen ebenfalls schneller auf Blockchains transferieren. Die Partner der UBS in Sachen USC heissen BNY Mellon, Deutsche Bank und Santander.

Blockchain-Plattformen:
Hyperledger Fabric, Ethereum, Quorum, Corda

Wichtige Personen: Sam Chadwick, Head of Blockchain

 

VISA
San Francisco, USA

 

 

VMWARE
Palo Alto, USA

 

 

WALMART
Bentonville, USA

 

 

Text: Michael del Castillo / Forbes US

Illustrationen: Valentin Berger

Der Artikel ist in unserer April-Ausgabe 2019 "Geld" erschienen.

Forbes Editors

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