Der unwahrscheinliche Weg von Maky Zanganeh

Bevor sie Co-CEO des Biotech-Unternehmens Summit Therapeutics wurde, war Maky Zanganeh Zahnärztin, arbeitete im Bereich der Roboterchirurgie, brachte ein erfolgreiches Krebsmedikament auf den Markt – und kämpfte selbst gegen Brustkrebs.

Maky Zanganeh wurde 1970 in Teheran geboren, neun Jahre bevor die Islamische Revolution zum Sturz des Schahs führte. Sie erinnert sich besonders an eine Nacht, in der die Militärpolizei ein Haus am Ende der Sackgasse nahe dem Wohnhaus ihrer Familie mit Maschinengewehren beschoss. Sie und ihre beiden älteren Schwestern waren allein zu Hause. „Am Morgen mussten wir zur Schule gehen, als wäre nichts geschehen“, erzählt sie sachlich. Diese nüchterne Einstellung hat Zanganeh geholfen, ein Leben mit vielen Wendungen zu meistern – gemeinsam mit Bob Duggan leitet sie heute das in Miami ansässige Unternehmen Summit Therapeutics, ein börsennotiertes Biotech-Unternehmen, das ihr ein Vermögen von 1,5 Mrd. US-$ (1,3 Mrd. €) eingebracht hat. Die heute 54-jährige Zanganeh liegt damit auf Platz 23 der Forbes-Liste der reichsten Selfmade-Frauen der USA und ist eine von nur fünf Milliardärinnen, die ihr Vermögen im Gesundheitswesen verdient haben.

Als sie und Duggan Summit im Jahr 2020 über­nahmen, hatte das Unternehmen Verluste in zwei­stelliger Millionenhöhe und nur ein vielversprechendes Medikament in der Pipeline, das 2022 auf Eis gelegt wurde. In weniger als fünf Jahren wurden Zanganeh und Duggan, die im Dezember heirateten, zu Stars der Biotech-Branche. Der Schlüssel zu ihrem Erfolg: die Lizenzierung eines übersehenen Krebsmedikament-Kandidaten aus China. Dieses Medikament, Ivones­cimab, scheint nun ein Blockbuster zu werden. In einer klinischen Studie im vergangenen Jahr übertraf es Keytruda, das weltweit meistverkaufte Medikament, das Merck 2024 einen Umsatz von fast 30 Mrd. US-$ einbrachte. Investoren haben die Summit-Aktien in den letzten zwölf Monaten um 575 % in die Höhe getrieben, sodass das Unternehmen trotz fehlender Einnahmen eine Marktkapitalisierung von fast 21 Mrd. US-$ erreicht hat. „Ich halte sie für die wahrscheinlich am meisten unterschätzte Führungskraft in der gesamten Biotech-Branche“, sagt Ken Clark, Partner der Anwaltskanzlei Wilson Sonsini Goodrich & Rosati, der mit Hunderten von Biotech-Unternehmen zusammengearbeitet hat und in mehreren Vorständen tätig ist – darunter auch bei Summit Therapeutics. Ivonescimab befindet sich derzeit in mehreren Phase-III-Studien für verschiedene Formen von Lungenkrebs, und Summit plant, bis Ende des Jahres einen Antrag auf Zulassung in den USA zu stellen.

Zanganehs Weg von der Schülerin in Teheran zur CEO eines Biotech-Unternehmens in Miami verlief ungewöhnlich. 1984 zogen ihre Eltern mit ihr nach Deutschland. Zanganeh wohnte bei einem Onkel in Oldenburg, einer kleinen Stadt etwa 50 Kilometer von Bremen entfernt. „Bildung hatte oberste Priorität“, sagt Zanganeh. Sie entschied sich für ein Zahnmedizinstudium in Strassburg, erkannte allerdings schnell, dass Zahnmedizin nichts für sie war. Zwei Jahre nach ihrem Abschluss erzählte ihr eine Bekannte von ihrer Arbeit bei einem US-Unternehmen namens Computer Motion, das Roboterarme herstellte. Zanganeh war fasziniert und bekam eine Stelle im Büro in Strassburg. Ihr Vater überzeugte sie davon, dass sie für eine Karriere in der Wirtschaft einen MBA-Abschluss benötigen würde, also studierte sie nebenberuflich.

Wir möchten sicherstellen, dass man all diesen Patienten wirklich helfen kann.

Maky Zanganeh

Mit 28 Jahren wurde Zanganeh befördert und übernahm die Leitung des Geschäfts von Computer Motion in Europa und im Nahen Osten. Zu dieser Zeit begann Zanganeh auch die Zusammenarbeit mit Bob Duggan, dem CEO von Computer Motion. Nachdem Duggan 2003 Computer Motion verkauft hatte, begannen sie, nach dem nächsten Projekt zu suchen. Zanganeh, die damals für Duggans persönliche Investmentfirma ar­beitete, wurde auf Pharmacyclics, einen Entwickler von Krebsmedikamenten, aufmerksam; ein verlustreiches Unternehmen mit einem potenziell vielversprechenden Medikament. Sowohl Duggan als auch Zanganeh investierten im April 2004 in Pharmacyclics. Bis 2008 hatte Duggan seinen Anteil so weit aufgestockt, dass er das in Kalifornien ansässige Unternehmen kontrollierte und sich selbst zum CEO ernannte. Zanganeh kam ebenfalls hinzu, zunächst als Vizepräsidentin für Geschäfts­entwicklung und später als Chief Operating Officer. Im Jahr 2011 begann Duggan, ausgestattet mit einem neuen Krebsmedikament im Frühstadium, Gespräche über eine Partnerschaft mit Johnson & Johnson. Zanganeh brachte das Projekt zum Abschluss.

„Sie ist eine Naturgewalt. Sie ist so umsichtig, so gut vorbereitet, so datengetrieben, und dann nutzt sie das und setzt Dinge um“, sagt Michael Gaito, globaler Vorsitzender für Investmentbanking und Gesundheitswesen bei JP Morgan. Das Medikament Imbruvica von Pharmacyclics wurde schliesslich zu einem Blockbuster-Medikament zur Behandlung der chronischen lymphatischen Leukämie. 2015 kaufte der Pharmariese Abbvie das Unternehmen für 21 Mrd. US-$. Zanganeh, die etwa eine Mio. US-$ in das Unternehmen investiert hatte, verdiente damit 225 Mio. US-$ vor Steuern.

Im Jahr 2019 war Zanganeh auf einer Reise nach Frankreich, als sie einen Knoten entdeckte, der sich als Brustkrebs im Stadium 2 herausstellte. Zwei Wochen vor Beginn der Covid-19-Lockdowns im März 2020 begann sie mit der Chemotherapie. Es gab Komplikationen – sie hatte Knochenschmerzen und chronisches Erbrechen. „Ich war wirklich sehr, sehr krank“, sagt sie. Der Silberstreif am Horizont sei gewesen, die gleichen Herausforderungen zu durchleben wie viele der Patienten, für die ihre Branche da ist. Während dieser Zeit nahm Duggan ein weiteres angeschlagenes Biotech-Unternehmen ins Visier: Er kaufte für 63 Mio. US-$ 60 % der Anteile an Summit Therapeutics und wurde im April 2020 CEO. Sieben Monate später trat Zanganeh als Chief Operating Officer und Vorstands­mitglied bei. Im Juli 2022 wurde sie zur Co-CEO ernannt.

Nachdem die ursprünglichen Pläne zur Entwicklung eines Antibiotikums gescheitert waren, stellten die beiden eine Handvoll ehemaliger Mitarbeiter von Pharmacyc­lics ein und beauftragten sie mit der Suche nach einem neuen Krebsmedikament – überall auf der Welt. Mitte 2022 konzentrierte sich das Summit-Team auf Ivonescimab, das von einem in Hongkong börsennotierten Unter­nehmen namens Akeso hergestellt wurde und sich bereits in der Phase-III-Studie befand. Zu diesem Zeitpunkt gab es in der Branche einige Vorbehalte gegenüber einer Partnerschaft mit einem chinesischen Arzneimittel­hersteller. Für Zanganeh und Duggan war das kein Problem. „Sie sind einfach nicht an konventionelles Denken gebunden“, sagt Vorstandsmitglied Clark. Im Dezember 2022 einigten sich die beiden Unternehmen darauf, das Medikament von Akeso für 500 Mio. US-$ im Voraus und 4,5 Mrd. US-$ an potenziellen Meilensteinzahlungen zu lizenzieren, falls Ivonescimab zugelassen wird.

Zanganeh ist in dieser Hinsicht optimistisch – Ivonescimab durchläuft derzeit weltweit elf Phase-III-Studien. Die bisherigen Ergebnisse waren überwiegend positiv, obwohl das Unternehmen am 30. Mai berichtete, dass es eines von zwei primären Zielen – die Gesamtüberlebensrate – in einer der Studien verfehlt habe, woraufhin die Summit-Aktien an diesem Tag um 30 % einbrachen. In einer Mitteilung vom 1. Juni schrieb Eric Schmidt, Biotech-Analyst bei Cantor Fitzgerald: „Wir glauben, dass die Märkte falsch liegen“ – und erklärte, dass die Studie sehr positive Ergebnisse für das andere Ziel gezeigt habe, die Zeit ohne Krankheitsprogression. Als Krebsüberlebende weiss Zanganeh, dass es keine Zeit zu verlieren gibt: „Wir treffen unsere Entscheidungen schnell“, sagt sie, „wir möchten sichergehen, dass man all diesen Patienten wirklich helfen kann.“

Text: Kerry A. Dolan

Ines Erker

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