Mit dem FORBES-NEWSLETTER bekommen Sie regelmässig die spannendsten Artikel sowie Eventankündigungen direkt in Ihr E-mail-Postfach geliefert.
Jan Gerber, CEO von Paracelsus Recovery, therapiert in seinem Zürcher Behandlungszentrum Ultravermögende, die an Burnout, Abhängigkeiten oder Depressionen leiden. Der Chef der exklusivsten Suchtklinik der Welt weiss: Ein Leben im Luxus sorgt nur selten für echte Zufriedenheit – oft begünstigt es sogar schwere Krankheiten.
Vor drei Jahren wurde aus dem Heiler Jan Gerber ein Patient. Über lange Zeit hatte sich etwas angestaut, das nun, während der Coronapandemie, mit aller Macht zum Vorschein kam. Jan Gerber, der CEO von Paracelsus Recovery, der exklusivsten Suchtklinik der Welt, war erschöpft, er fühlte sich zugleich leer und überwältigt. Depressive Episoden und Panikattacken stellten sich ein. Seine Beziehung kriselte und sein Sohn hatte eine schwere Zeit in der Schule. An manchen Tagen fehlte Gerber die Kraft, das Bett zu verlassen. Er brauchte Hilfe.
Und so begab sich der Therapieexperte
Gerber selbst in Behandlung und wechselte die Seiten – eine Erfahrung, die ihn zugleich überrumpelte und «demütig» machte, wie er sagt; und die ihm ein neues und besseres Verständnis für seinen Job gab. «Psychische Probleme betreffen jeden Menschen, unabhängig von Reichtum und Status», sagt Gerber. «Wir sollten mit Mitgefühl und Verständnis auf mentale Krankheiten reagieren und offen darüber sprechen können.»
An diesem Frühlingstag, beim Interview mit Forbes im Club des Londoner Nobelhotels «The Langham», wirkt Jan Gerber körperlich und mental in bester Verfassung. Hin und wieder leide er an depressiven Episoden, sagt er; aber er habe nun die Werkzeuge und Strategien, mit diesen mentalen Herausforderungen klarzukommen und sie irgendwann vielleicht ganz hinter sich zu lassen.
Der Anfang-40-Jährige ist ein gross gewachsener, charmanter und nahbarer Gentleman. Vor zwölf Jahren hat Gerber Paracelsus Recovery gegründet und ist seitdem CEO der wohl exklusivsten Luxusklinik der Welt. Hier behandeln renommierte Psychiater, Ärzte und Medizin- und Wellness-Experten die globale Elite. Zu den Kunden gehören Adelige aus Nahost, milliardenschwere Unternehmer und Erben, die CEOs von Grosskonzernen, auch mächtige Politiker – kurzum: die High Society.
Gerbers Kunden kommen nach Zürich, um Depressionen, Süchte, Übergewicht, Panikattacken und eine Reihe weiterer mentaler Leiden behandeln zu lassen. Gerbers Spezialisten beobachten auch neuartige Süchte, die vor allem ihre spezielle Klientel betreffen: etwa «Opulomanie»; die Sucht, Luxusgüter anzuschaffen oder in Luxus zu schwelgen. Dazu gehört nicht Shoppingsucht allein – Gerber kennt Klienten, die zwanghaft immer neue Lamborghinis kaufen müssen; oder Kunstwerke, Superyachten und Luxusanwesen. Er weiss von Kunden, viele noch sehr jung, manche noch Teenager, die sich immer neuen und extravaganteren Schönheitsoperationen unterziehen wollen.

Gerade Erben oder Gründer, die sehr jung sehr schnell viel Geld zur Verfügung haben, sind hierfür eine Risikogruppe. Extreme Luxuserfahrungen, so Gerber, sorgen für Dopamin-Reize, die weiter gesteigert und intensiviert werden wollen. Die Gier nach einer immer höheren Dosis des Glückshormons führt zu einem klassischen Suchtkreislauf.
Und diese Sucht ist auch deshalb speziell, weil zwanghaftes Lamborghini-Shoppen im sozialen Kosmos der Superreichen eher bejubelt als kritisiert wird. Opulomanie gilt eher als Ausweis von Erfolg und ist sozial akzeptiert – im Gegensatz zum Spritzen von Heroin oder dem Rauchen von Crack. Weil diese Leiden nur die reichsten Menschen der Welt betreffen, bekommen sie im medizinischen Mainstream weniger Aufmerksamkeit; auch weniger Mitgefühl. Bei Paracelsus Recovery gibt es genau dafür Experten.
Der Bedarf an psychologischer Hilfe wächst nicht nur unter Superreichen rasant. Laut OECD stieg die Zahl psychischer Erkrankungen weltweit in den vergangenen zwanzig Jahren um 25 %. Entsprechend boomt auch der Markt für mentale Gesundheit, für exklusive Wellness- und Therapieangebote. 2023 betrug der Umsatz im Bereich mentale Gesundheit laut McKinsey über 400 Mrd. US-$. Zürich ist ein führender Standort für Luxuskliniken – neben Paracelsus Recovery kümmert sich auch Kusnacht Practice um eine ähnliche Klientel.
Auch die Gebühren für die Behandlung sind in der Schweiz weltweite Spitze: Paracelsus Recovery berechnet für ein «Executive Detox» rund 120.000 CHF. Ein vierwöchiger Entzugsaufenthalt kann weit mehr als eine Viertelmillion kosten. Die Klinik behandelt jeweils nur drei Klienten gleichzeitig in den drei Penthouses am Zürichsee, in Luxushotels oder im Zuhause der Klienten. 20 Mitarbeiter kümmern sich um einen Patienten; neben Ärzten und Psychotherapeuten auch Köche, Butler, Chauffeure, Ernährungsberater, Yogalehrer, Masseure und Concierges.
«Geld macht nicht glücklich – ganz im Gegenteil», sagt Gerber, weil er dieses Phänomen jeden Tag beobachtet. Milliardärinnen und Superreiche weisen sogar mehr Risikofaktoren als Durchschnittsverdiener auf. Gerber weiss: Viele Ultravermögende fühlen sich als Gefangene in einem goldenen Käfig. Manche klagen über einen mangelnden Lebenssinn. Andere erfahren als Kinder Vernachlässigung und Vereinsamung, weil Nannies die Bindung zu den Eltern ersetzen sollen und sie später ins Internat «gesteckt» werden. Daraus können Bindungsängste, Hilflosigkeit, Traumata oder ein Mangel an Selbstwertgefühl folgen, was wiederum unterschiedlichste Suchterkrankungen begünstigt. Ein weiteres neues Phänomen, das Vermögende betrifft, ist Kryptosucht, der zwanghafte und riskante Handel mit Kryptowährungen, der Parallelen zur Spielsucht und zum Gambling aufweist.
Paracelsus Recovery soll ein Ort sein, an dem Menschen ihre Verletzlichkeit und seelische Not zeigen können und das Mitgefühl bekommen, das ihnen im Alltag und einem High-Achiever-Umfeld fehlt. Therapeuten stehen rund um die Uhr zur Verfügung; eine Therapie in Zürich kann sechs Wochen dauern oder maximal sechs Monate. Spezialisten helfen den Klienten in den Sitzungen, sie essen auch mit ihnen, schauen mit ihnen Netflix, leisten Gesellschaft. Manche Spezialisten begleiten die Klienten in das Anwesen in Saudi-Arabien oder in das Townhouse in Mayfair in London. Sie werden Teil des Personals, um das Risiko von Rückfällen zu minimieren.

Geld allein macht nicht glücklich – ganz im Gegenteil.
Jan Gerber
Eigentlich wollte Gerber einen anderen Berufsweg einschlagen. Der Sohn eines Psychiaters und einer Krankenschwester wuchs als Einzelkind in Schaffhausen auf. Statt wie seine Eltern ins Gesundheitswesen einzusteigen, studierte er Accounting and Finance an der London School of Economics (LSE), arbeitete als Unternehmensberater und gründete mehrere Unternehmen in der Schweiz.
Dann lernte er über einen Freund der Familie einen Topmanager kennen, der an Alkoholsucht litt und dringend Hilfe suchte. Als Chef eines börsennotierten Unternehmens musste seine Krankheit «geheim bleiben». Gerber vermittelte dank der Kontakte seiner Eltern ein Therapieangebot, das auf die Bedürfnisse und die Herausforderungen eines Topmanagers zugeschnitten war. «Ich erkannte darin eine Geschäftsidee», sagt Gerber.
2021 hätte Gerber die Klinik fast verloren. Rechnerisch war die Firma bankrott, die Ausgaben waren zu hoch, Gerber war gesetzlich verpflichtet, Konkurs anzumelden. Aber die Firma war sein «Baby» – er wollte sie unbedingt retten. Während des Lockdowns konnte die weltweite Kundschaft nicht in die Schweiz einreisen. Wie viele Unternehmen in der Schweiz zu dieser Zeit bekam auch die Suchtklinik staatliche Unterstützung. «Das half, zu überleben und wieder auf die Beine zu kommen», sagt Gerber. Der Stress um den Konkurs und die Zukunft der Firma war der Beginn seiner Depression, die ein Jahr später ihren Höhepunkt erreichte.
Gerber leitet das Geschäft bei Paracelsus Recovery, behandelt selbst aber keine Klienten. Wie einst ihr Namensgeber versucht die Klinik, innovative Methoden und Therapien anzuwenden, wie etwa Akupunktur, Atemtherapie und Yoga. Auch Reiten, Kunst- und Hundetherapie und eine auf mögliche Vitamindefizite oder hormonelle Diagnosen zugeschnittene Ernährung gehören zum Angebot. Bei der Diagnostik nutzt die Klinik Hightech-Geräte und künstliche Intelligenz.
«Um eine Sucht zu überwinden, muss man die zugrunde liegenden Ursachen finden und behandeln», weiss der Klinikchef. «Wir müssen medizinische wie emotionale Faktoren anschauen. Das können Traumata sein, Vernachlässigung in der Kindheit oder Persönlichkeitsstörungen», so Gerber. Doch auch körperliche Faktoren könnten eine Rolle spielen, etwa ein biochemisches oder hormonelles Ungleichgewicht, eine schlechte Darmflora, gestörte Drüsenfunktionen oder auch chronische Schmerzen.

Verschwiegenheit ist entscheidend. Gerber hatte aktive Politiker, die sich von einem Behandlungszimmer in Kabinettsrunden einwählten; er hatte Sportler, die medikamentensüchtig wurden, nachdem sie eine Verletzung nur mithilfe von Arzneicocktails durchpowern konnten; oder Medien-Persönlichkeiten, die zwischen dem Zürcher Behandlungszimmer und dem TV-Studio pendelten.
Die Namen der Kunden werden in der Kommunikation zensiert. Die Adresse der Luxus-Apartments ist geheim, die Fenster der Limousinen, die oftmals Kunden vom Privatjet-Terminal abholen, sind abgedunkelt. Alle E-Mails sind verschlüsselt, und wer den Fuss in die Apartments der Klinik setzt, unterschreibt eine strenge Geheimhaltungsvereinbarung.
Doch ist die Behandlung bei Paracelsus Recovery vielleicht auch ein Teil des Problems von Opulomanie, wenn es unter allen Kliniken der Welt die luxuriöseste sein muss?
Gerber weiss, dass in einer Zeit, in der Ungleichheit zunimmt, weniger Mitgefühl für Menschen vorhanden ist, deren Probleme in einem ungesunden Überfluss wurzeln. Tatsächlich, so Gerber, sollte aber jeder ein Interesse daran haben, dass die Vermögendsten genauso gesund und mental ausgeglichen sind wie jeder andere Mensch. Sein Argument: Alle profitieren, wenn Vermögende ihr Geld zum Nutzen der Gesellschaft ausgeben; wenn sie neue Unternehmen gründen, die neue Jobs schaffen, wenn sie Innovation und Forschung oder Wohltätigkeitsprojekte finanzieren.
Diese Investitionen kommen eher von Menschen, die mental in guter Verfassung sind, sagt Gerber, und die eine Gesellschaft «positiv beeinflussen» wollen. Das Leben anderer Menschen zu verbessern, auch das weiss Gerber aus eigener
Erfahrung, bringt mehr Freude – und stiftet mehr Lebenssinn als der Kauf einer weiteren Luxuskarosse.
Jan Gerber studierte Accounting and Finance an der London School of Economics. 2013 gründete er Paracelsus Recovery und hilft seitdem der High Society, ihre psychischen Leiden zu bewältigen.
Fotos: Paracelsus Recovery